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Sex, Lügen und lesbische Revolution

Neu im Kino: Provo-Regisseur Bruce La Bruce zeigt in „Die Misandristinnen“ eine lesbisch-feministische Terrorzelle, die ihre Revolution mit Pornos finanzieren will – und schlachtet mit viel Freude am Trash typische Ängste und Fantasien des Publikums aus.

Edition SalzgeberVon weichgezeichneter Pyjama-Party bis blutiger Schwanz-ab-Szene: "Die Misandristinnen" schreckt vor keinem Klischee über Lesben und Feministinnen zurück

Von Anja Kümmel

31.10.2017 - Wenn Chanel seine Models mit feministischen Sprüchen auf den Laufsteg schickt und es Parfüms der Marke „Feminista“ zu kaufen gibt, dann ist es höchste Zeit, dem F-Wort wieder etwas von seinem einstigen Schrecken einzuhauchen. Das muss sich auch der kanadische Provo-Regisseur Bruce LaBruce gedacht haben, als er seinen neuesten Low-Budget-Streifen mit dem programmatischen Titel Die Misandristinnen in Angriff nahm.

Denn seine radikal-lesbische „Armee der Liebenden“ unter der Fuchtel von „Big Mother“ (Susanne Sachsse) ist genau das, was Feministinnen in den schlimmsten Alpträumen des Patriarchats schon immer waren: ein Haufen männerhassender Schwanzabschneiderinnen – und das im wahrsten Sinne des Wortes, wie man sich bei LaBruces‘ Vorliebe für Trash-Horror vielleicht schon denken kann.

Polyamouröser Sex - solange alle Beteiligten eine Vagina haben!

„Irgendwo in Ger(wo)many“ siedelt er den kruden Mix aus Kommune, Erziehungsanstalt und Terrorzelle an, der sämtliche Angst- und Wunschfantasien seines Publikums auszuschlachten verspricht. „Big Mother“ erzieht ihre Rekrutinnen nämlich nicht nur zum rechten Glauben an die Göttin, sondern ermutigt sie auch zu ausschweifendem polyamourösen Sex. Solange alle Beteiligten eine Vagina haben!

Und da die Zerschlagung des Patriarchats kostspielig ist, macht sie zumindest ein Zugeständnis an den Kapitalismus: Mittels lesbischer Pornos sollen ihre Zöglinge die Revolution finanzieren. Eine perfekte Gelegenheit für LaBruce, sämtliche Lesben-Softsex-Klischees vorzuführen, die es je auf der Leinwand zu sehen gab. Mädchen in Uniform trifft weichgezeichnete Pyjama-Party; utopische Orgien folgen auf blutige OP-Szenen; dazwischen wird fleißig Ulrike Meinhof zitiert und die Parthogenese (Fortpflanzung ohne Männer) erklärt. Kurz gesagt: Camp besiegt die Plotlogik.

Ein Hauch von Handlung ist allerdings vorhanden: Isolde (Kita Updike), die sich selbst als „Separatistin unter Separatistinnen“ bezeichnet, hält einen männlichen (!) Linksradikalen (Til Schindler) im Keller gefangen, gut versteckt vor den Augen des Gesetzes und vor allem denen der „Big Mother“.

Gelungene Balance zwischen Hommage und Parodie

In gewisser Weise lässt sich Die Misandristinnen auch als Fortsetzung zu Raspberry Reich (2004) lesen, in dem eine anarchistische Anführerin (ebenfalls gespielt von der großartigen Susanne Sachsse) ihre männlichen Rekruten zum Gruppensex für die Sache der Revolution nötigt. Schwuler Sex kommt diesmal zwar nur als Anschauungsmaterial und Aversionstherapie vor, doch fehlt es wahrlich nicht an Gelegenheiten, auch anderweitig die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten.

Trotz Trash-Ästhetik birgt der Film darüber hinaus einen erstaunlich differenzierten Subtext: Nicht zufällig spielt das Geschehen 1999, am Generationenbruch zwischen den eher essentialistisch orientierten Feministinnen der 70er und 80er Jahre und einer neuen, queeren Sichtweise, die Geschlecht und sexuelle Orientierung als etwas Fluides versteht. Dank seiner wunderbaren Charakterdarstellerinnen ist LaBruce die Balance zwischen Hommage und Parodie exquisit gelungen. A(wo)men!

Die Misandristinnen (D 2017), Buch/ Regie: Bruce LaBruce, mit Susanne Sachsse, Kita Updike, Viva Ruiz, Serenity Rosa, Til Schindler u.a., 91 min., englisch-deutsche-dänische Originalversion mit deutschen Untertiteln

Ab 2. Nov. im Kino, Orte/ Termine stehen hier

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