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280 alte Männer und ein Schwuler

In der Bischofssynode in Rom wird seit gestern um das Familienbild der Katholischen Kirche gestritten. Pünktlich zu Beginn outete sich erstmals ein Vatikan-Mitarbeiter als schwul und warf seinen Kollegen "paranoide Homophobie" vor.

Foto: David McCormick, CC-BY-NC-ND

Von Karin Schupp

l-mag.de, 5.10.2015 - Dass sich mit dem polnischen Theologie-Professor und Priester Krzysztof Charamsa ausgerechnet am vergangenen Freitag als schwul outete, ist wohl kein Zufall: Am Sonntag begann im Vatikan die Bischofssynode, in der rund 280 ältere und alte Männer über das künftige Familienbild der Katholischen Kirche beraten.

„Ich bin schwul“, erklärte Charamsa in mehreren Interviews  und bat darin „die schwulen, lesbischen, bi-, trans- und interesexuellen Brüder und Schwestern um Verzeihung für die epochale Verspätung (…) und dafür, dass wir euch zu den Aussätzigen unserer Zeit gemacht haben.“ Sein Coming Out ist das bisher ranghöchste in der katholischen Kirche: Der 43-Jährige lehrte an der Päpstlichen Universität in Rom und gehörte im Vatikan der Kongregation für die Glaubenslehre an. Der päpstlichen Behörde warf er in der Zeitung Corriere della Sera vor, eine „auf den Gipfel getriebene, paranoide Homophobie“ zu pflegen. Dass er sich jetzt zu outen wagte, schreibt er der Liebe zu seinem Lebensgefährten zu: „Eduardo, mein Partner, konnte die besten Energien aus mir herausholen und Reste von Angst in die Stärke unserer Liebe umwandeln", sagte er in der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza.

Charamsa hinterlässt einen Forderungskatalog

Natürlich wurde Charamsa umgehend entlassen (wie es übrigens auch heterosexuellen Priestern ergeht, die zugeben, Sex zu haben), schleicht sich aber nicht leise vom Hof: Er hinterließ einen Forderungskatalog, in dem er von der Katholischen Kirche unter anderem verlangt, Lesben und Schwulen nicht mehr auszugrenzen, Staaten zu verurteilen, die Homosexuelle bestrafen, und die wortwörtliche Interpretation von Bibelstellen, in denen es um Homosexualität geht, zu überdenken.

"Ich bin schwul!", hat er da gerade gesagt: Krzysztof Charamsa, Ex-Mitarbeiter des Vatikans - Foto: Screenshot Youtube/ Artykuł osiemnasty

In Rom stehen sich Reformer und Konservative gegenüber

In welche Richtung die Bischofssynode, die noch bis zum 25. Oktober tagt, gehen wird, ist unklar, und auch Papst Franziskus selbst äußert sich widersprüchlich. Unter den aus ihren Ländern - vor allem aus Afrika, Asien und Osteuropa - abgesandten Bischöfen dominieren die konservativen Hardliner, während die reformorientierten Delegationen aus Westeuropa und Lateinamerika in der Minderheit sind. Unter den Kirchenleuten, die der Papst selber auswählen durfte, befinden sich allerdings mehr fortschrittliche als konservative Köpfe.

Schon bei der Vorsynode vor einem Jahr in Rom waren die gegensätzlichen Pole sichtbar (hier unser Bericht): Auf der einen Seite gab es vorsichtige Signale, Lesben und Schwulen „einen brüderlichen Platz“ in den Gemeinden zu gewähren, auf der anderen Seite wurden homosexuelle Handlungen und die gleichgeschlechtliche Ehe verurteilt.

Während der Synode soll es auch um den Umgang der Kirche mit Abtreibung und Verhütung, wiederverheirateten Geschiedenen und „wilden Ehen“ von Katholiken gehen.

In Deutschland sind knapp 30% der Bevölkerung katholisch. Dass sie weitaus liberaler sind als die Amtskirche, bewies kürzlich eine groß angelegte Befragung der Uni Münster (hier unser Bericht).

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