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Bundestag gedenkt der queeren NS-Opfer

Am gestrigen Holocaust-Gedenktag stellte der Deutsche Bundestag erstmals die LGBTQ-Opfer des Nationalsozialismus in den Mittelpunkt seiner Gedenkstunde.

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 631a Nr. 1619 Mary Pünjer (1904-1942) nach ihrer Verhaftung 1940. In Hamburg-Wandsbek (Marktstraße 57) erinnert ein Stolperstein an sie

28.1.2023 - Am gestrigen Holocaust-Gedenktag gedachte der Deutsche Bundestag erstmals auch den queeren Opfern des Nationalsozialismus: In der Gedenkstunde im Plenarsaal standen in diesem Jahr die Menschen, die während der NS-Gewaltherrschaft aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Gender-Identität verfolgt wurden.

Während Schwule im Nationalsozialismus einer systematischen Verfolgung ausgesetzt waren - bis zu 50.000 Männer waren unter dem Paragrafen 175 inhaftiert, etwa 15.000 kamen in Konzentrationslager -, wird von Historiker:innen erst in jüngerer Zeit auch die Verfolgung von Lesben anerkannt. Sie zu erforschen, ist schwieriger, da lesbische Sexualität zwar als „unnatürlich“ galt, aber nicht illegal war, sodass lesbische Frauen unter Vorwänden wie „Asozialität“ verhaftet wurden. Lückenhaft ist die Forschung auch zum Thema trans und inter Menschen.

Die Belastung, die wahre Identität zu verstecken

In der Gedenkstunde ergriff zunächst die jüdische Holocaust-Überlebende Rozette Kats aus Amsterdam das Wort. Die 80-Jährige, die den Holocaust überlebte, weil ihre Eltern sie bei einem christlichen Ehepaar untergebracht hatten, sprach über die Belastung, die es bedeutete, die wahre Identität zu verstecken.

Da keine queeren Holocaust-Überlebenden mehr bekannt sind, verliehen Maren Kroymann und Jannik Schümann, beide selbst homosexuell, exemplarisch zwei Opfern des Nationalsozialismus ihre Stimme.

Kroymann trug einen Text zu Mary Pünjer (1904-1942) vor, die Jüdin war, 1940 aber als „Asoziale“ verhaftet und im KZ Ravensbrück interniert wurde. Mit dem Aktenvermerk „Sehr aktive kesse Lesbierin“ wurde sie im Frühjahr 1942 in der Gaskammer der „Landes-Heil- und Pflegeanstalt“ Bernburg (Saale)  ermordet.

Hier könnt ihr Maren Kroymanns Vortrag anschauen – alle weiteren Reden stehen in der Bundestag-Mediathek.

Schwule Verfolgung ging auch nach der NS-Zeit weiter

Schümann stellte Karl Gorath (1912-2003) vor, der als schwuler „Wiederholungstäter“ 1943 zunächst ins KZ Neuengamme und dann nach Auschwitz deportiert wurde. Gorath überlebte, wurde aber schon 1946 von demselben Richter verurteilt, der ihn bereits 1938 schon einmal schuldig gesprochen hatte. Da er als Vorbestrafter nur schwer Arbeit fand, geriet er in Armut.

Die beiden Texte verfasste der Historiker Lutz van Dijk, der sich seit 2018 mit einer Petition für eine queere Gedenkstunde einsetzte, damals aber am damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) gescheitert war. Erst seine Nachfolgerin Bärbel Bas (SPD) setzte den Wunsch um und sprach auch die Eingangsworte.

Einen Bogen zur jüngeren Gegenwart schlug am Ende der 75-jährige Aktivist Klaus Schirdewahn, der berichtete, wie er noch 1964 verhaftet wurde und ein Doppelleben führen musste: der §175 wurde in der Bundesrepublik unglaublicherweise erst 1994 - nach 122 Jahren - vollständig aufgehoben. Die Gedenkstunde sei ein Zeichen der Anerkennung und gebe den Betroffenen etwas von ihrer Würde zurück, sagte Schirdewahn und forderte, „dass unsere Geschichte nicht vergessen wird. Gerade heute, wo die Queer-Community erneut großen Anfeindungen weltweit ausgesetzt ist.“

 

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