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„Homo-Heilung“ wird verboten – aber nicht ganz

Unser Freude bleibt verhalten: Der Bundestag verbietet Konversionstherapien für Minderjährige, ignoriert aber Kritik und lässt das Tor für (junge) Erwachsene offen. Zudem bleiben Eltern, die ihre Kinder zum „Homo-Heiler“ schicken, straffrei.

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Von Dana Müller

9.5.2020 - Das Gesetz zum Schutz vor Konversionstherapien ist beschlossen. Doch damit ist die so genannte „Homo-Heilung“ in Deutschland noch längst nicht endgültig passé. Obwohl sich alle Parteien im Bundestag am Donnerstag einig waren - „Homosexualität ist keine Krankheit, dementsprechend kann es auch keine Therapie geben“, wie Erwin Rüddel (CDU/CSU) betonte - und solche Behandlungen nachweislich schwerwiegende gesundheitliche Schäden verursachen, krankt das nun geltende Gesetz an gravierenden Einschränkungen.

Kein generelles Verbot von „Homo-Heilung“

Mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP wurde die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses angenommen, die restlichen Parteien enthielten sich. Ein generelles Verbot von „Homo-Heilung“ wird es demnach auch in Zukunft nicht geben.

Denn das nun in Kraft tretende Gesetz schützt ausschließlich unter 18-Jährige und „Personen, die zwar das 18. Lebensjahr vollendet haben, deren Einwilligung zur Durchführung der Konversionsbehandlung aber auf einem Willensmangel beruht“. Zweitens schränkt es (§ 5 Abs. 2.) die Strafverfolgung für Eltern und Erziehungsberechtigte ein, wenn sie ihren Kindern eine Homo-Heilung aufzwingen. Positiv ist jedoch das in letzter Instanz verabschiedete absolute Werbeverbot für solche schädlichen Maßnahmen.

Ärgerlich bleibt, dass entscheidende Verbesserungen des neuen Gesetzes nicht angenommen wurden. So hatten die Grünen zwei simple Änderungsanträge eingebracht, die das Schutzalter auf 26 erhöhen und die Straffreiheit für Eltern abschaffen sollten.

„Coming-out-Prozesse sind nicht mit 18 beendet“

Die queerpolitische Sprecherin Ulle Schauws (B90/ Die Grünen) plädierte in ihrem Redebeitrag stark für die Änderungsanträge ihrer Partei und stellte klar: „Ich bin fest der Überzeugung, dass das [der vorliegende Gesetzentwurf] nicht reicht! Für die Altersgruppe zwischen 18 und 26 Jahren muss es einen vergleichbaren Schutz wie bei Minderjährigen geben, denn Coming-out-Prozesse sind nicht mit 18 beendet. Sie dauern meist viele Jahre länger, und gleichzeitig sind die meisten jungen Erwachsenen auch dann noch von ihren Familien abhängig“.

Laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) von 2015 haben LGBT in Deutschland im Durchschnitt mit 16,9 Jahren ihr Coming Out. Dabei sind lesbische und bisexuelle Frauen mit durchschnittlich 16,6 Jahren etwas früher dran als schwule und bisexuelle Männer (mit 17 Jahren). Mit dem neuen Gesetz sind Schwule und Lesben also im Durchschnitt nur ein knappes Jahr geschützt,  denn für den Antrag, das Schutzalter auf 26 zu erhöhen, stimmten letztlich nur Die Grünen und Die LINKE zu.

Auch die SPD stimmte gegen den Änderungsantrag, obwohl die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis während der Debatte erklärte: „Wir hätten uns ein höheres Schutzalter gewünscht. Weil klar ist, dass Menschen mit 18 mit ihrer Selbstfindung nicht fertig sind.“

Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ) hatte im Vorfeld ganz klar postuliert, das der Schutz im neuen Gesetz unzureichend sei und gefordert: „Konversionstherapien auch bei Volljährigen unterschiedslos zu verbieten.“

Schlupfloch für Eltern

Der zweite Antrag der Grünen scheiterte allein an den Stimmen der CDU/CSU und AfD. Damit werden zukünftig zwar alle, die solche Maßnahmen „anbieten“, „vermitteln“ oder dafür „werben“ (§ 3) mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft (§5 Abs.1). Jedoch bleiben Eltern und Erziehungsberechtigte davor bewahrt (§5 Abs.2).

Dabei sind es doch gerade die Eltern, die ihre Kinder in solche zerstörerischen Umerziehungsbehandlungen treiben. Das unterstreichen auch die Schwulen Juristen und plädierten in einer Pressemitteilung im Vorfeld für die Streichung des § 5 Abs. 2, da dieser Zusatz ein Schlupfloch für Eltern biete, die ihre Kinder zu „Homo-Heilern“ schicken. Aus Sicht des Schwulen Juristenbundes verkennt das „den spezifischen Unrechtsgehalt von Konversionsmaßnahmen an Minderjährigen“.

Auch Katrin Helling-Plahr von der FDP bemerkte in der Bundestagsdebatte: „Es wäre deutlich Luft nach oben gewesen“. Zudem kritisierte sie den im Gesetz verwendeten Begriff „KonversionsBEHANDLUNG“: „Die richtige Bezeichnung wäre eine Frage des Fingerspitzengefühls gewesen.“ Denn Behandlungen setzen per Definition eine körperlichen Krankheiten oder psychischen Störung voraus, diese aber liegt bei Homosexuellen und Trans nicht vor.

„Epochales Ereignis“ mit Beigeschmack

Deutschland ist mit dem neuen Gesetz „zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“ nach Malta erst das zweite Land in Europa, das Konversionstherapien unter Strafe stellt. „Das ist ein epochales Ereignis“ jubelte Dr. Karl-Heinz Brunner von der SPD. „Dieser Tag ist ein guter Tag.“ Nun werden die „Härchen in der Suppe gesucht“ findet er im Namen der Sozialdemokraten.

Dabei waren sich zuvor in der Bundestagsdebatte eigentlich Grüne, Linke, SPD und FDP (und sogar Teile der CDU) einig, dass es nur zwei zentrale und einfache Verbesserungen bedarf, um ein wirklich durchschlagendes Gesetz zu schaffen.

Es ist bitter, dass diese Chance verpasst wurde. So bleiben die Worte von FDP, SPD und CDU leere Phrasen und das neue Gesetz ein Feigenblatt der immer noch dringend notwendigen Antidiskriminierungsarbeit.

Dokumentation der Debatte auf der Webseite des Deutschen Bundestags.

 

Weiterlesen:

Pseudo-„Homo-Heilungs“-Therapien verbieten! Bundesratinitiative von fünf Bundesländern  (April 2019)

Auch Konversionstherapien wegen Gender-Identität sollen verboten werden (Sept. 2019)

 

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