L-Mag

"Ich bin gerne eine Kampflesbe"

Am Freitag fand die von SIEGESSÄULE und L-MAG gemeinsam mit dem SchwuZ organisierte Podiumsdiskussion „Gute Lesbe – Böse Lesbe“ statt

Foto: Sally B. (v.l.n.r.: Monika Herrmann, Felicia Mutterer, Suli Puschban, Tülin Duman, Manuela Kay )

l-mag.de, 25.09.2016 – Voll war es schon, bevor die Tore zum SchwuZ sich öffneten: In der Rollbergstraße formierte sich eine lange Schlange. Alle wollten zu der von SIEGESSÄULE und L-MAG gemeinsam mit SchwuZ organisierten Podiumsdiskussion „Gute Lesbe – Böse Lesbe“ mit anschließender Party „Dyke* Out“. Die Standardbegrüßung vor und im SchwuZ war übrigens: „Hallo, schön dich zu sehen. Was ging denn da auf Facebook ab?“ Denn schon lange vor der eigentlichen Diskussion ging es heiß her: Auf der vom SchwuZ eingestellten Veranstaltungsseite wurde mit zum Teil wüsten Beschimpfungen aufeinander losgegangen. Der Umgang untereinander – ob im Netz oder real – wurde damit zu einem gewichtigen Thema, das die geplante Diskussionsgrundlage zu dominieren drohte.

In ihrer sehr bewegenden Brandrede bezog sie dann auch Ilona Bubeck vom schwul-lesbischen Querverlag auf die Facebook-Diskussion und die daraus resultierende Absage von Sookee. Sie appellierte an die Community, dass sie ein kritisches Verhältnis zueinander finden müsse, in dem Unterschiede sichtbar gemacht würden, aber aus dem man gemeinsam auch Stärke beziehen könne. Dessen Ergebnis dürfe kein Hass sein, der spaltet, und „uns alle nur schwach werden lässt, gegenüber einer Gesellschaft, die wieder konservativer und gefährlicher wird.“ Sie warnte vor einer Hierarche der Opfer, der Diskriminierten, Radikalen und derer, die die Wahrheit für sich beanspruchen. Linke, feministische Politik kann ihrer Auffassung nach nur dann erfolgreich sein, wenn wir bündnisfähig bleiben. Sie schloss mit den Worten: „Wenn wir nicht mehr sichtbar sind, dann ist das unsere eigene Verantwortung. Wir müssen uns unsere Räume schaffen und deswegen bin ich gerne eine Kampflesbe.“ Für ihre Rede erntete sie tosenden Applaus und zum Teil Standing Ovations.

Die nachfolgende Diskussion fragte danach, was für ein Standing Lesben in der Gesellschaft haben und inwieweit das von der eigenen Performance abhängt. Wird die Kampflesbe als gute oder böse Lesbe wahrgenommen, spielt es bei der Bewertung eine Rolle, ob man zum Beispiel lange oder kurze Haare hat und optisch wie inhaltlich näher an einem Heteromainstream orientiert ist. Singer/Songwriterin Suli Puschban stellte die These auf, dass das Erfüllen eines bestimmten lesbischen Frauenbilds, wie es u. a. von Anne Will verkörpert wird, durchaus dafür sorgt, in der Gesellschaft eher akzeptiert zu werden. Die Politikerin und Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Monika Herrmann nahm den Ball auf und wies darauf hin, dass sie, selbst wenn sie als Person optisch eher dem Bild von Anne Will entspräche, wäre sie davon überzeugt, dass sie als Frau ebenfalls diskriminiert werden würde. Die Form wäre dann eine andere. Sie betonte aber ebenso, dass wenn sie sich konkret als Lesbe bezeichnet, die Leute immer noch zusammenzucken. Ihrer Erfahrung nach würde man damit etwas Unangenehmes verbinden, wohingegen die Bezeichnung „queer“ als netter, weniger offensiv empfunden wird. Demnach spielt es für die öffentliche Wahrnehmung schon eine Rolle, ob man sich als lesbisch, queer oder frauenliebend bezeichnet.

Felicia Mutterer, die Herausgeberin der Straight, die sich als Magazin für Frauen, die Frauen lieben, versteht, sah sich mit der Frage konfrontiert, warum sie in einem Interview mit der Süddeutschen davon sprach, dass man weg wolle vom Klischee der ungeschminkten Lesbe mit Kurzhaarschnitt. Sie antwortete darauf, dass sie niemanden ausgrenzen wolle, sich aber damit eben nicht identifizieren könne. Diese Bild sei ihr zu dominant. Sie plädiere für eine Vielfalt der Identifikationsmöglichkeiten. Manuela Kay gab als Moderatorin der Diskussion zu bedenken, ob sich dahinter wirklich der Wunsch nach Vielfalt zeige oder nicht doch das negative Image eines unangepassten Frauenbilds.

Für Tülin Duman, Aktivistin und Mitbetreiberin vom Südblock, war die Frage entscheidend, wer sie in ihrer weiblichen Indentitätspolitik unterstützt, mit wem sie Bündnisse eingehen kann, um zum Beispiel den Kampf gegen einen Rechtsruck in der Gesellschaft zu führen. Ob jemand sich schminkt, sei dabei noch nicht automatisch ein Zeichen für Angepasstheit. Sie mache vor allem die Erfahrung, dass ihre Hautfarbe, ihr Name der wesentliche Faktor ist, der den Umgang mit ihr beeinflusst. Es sei auch nicht ihr Interesse, in einer Mehrheitsgesellschaft ankommen zu wollen. Auf die Frage, wo sie sich im Raum zwischen guter und böser Lesbe selbst verorte, antwortete sie kämpferisch: „Ich bin böse und werde böse bleiben.

Vom Podium und den ersten Einstiegsliedern ging es schnell über zur Kampflesben-Lounge und zur anschließenden Party. Sang Suli Puschban noch zum Einstimmen über das Verhalten in der Lesbenbar, „ignoriert sie dich, will sie dich“, warfen viele in der Kampflesben-Lounge ihre Coolness und Schüchternheit über Bord. Wie bereits im letzten Jahr bewies sich auch diesmal: Armdrücken sollte es auf jeder Lesbenparty geben! Es ist einfach lustig, sexy und zum Kennenlernen die ultimative Hilfe für alle, die noch nach dem richtigen ersten Satz suchen, denn hält man erst mal die Hand der unbekannten Gegnerin und schaut ihr tief in die Augen, während Melissa Etheridge im Hintergrund „Like the Way I do“ schmettert, ist der Weg zur Bar und dem ersten Getränk nicht mehr weit. Auch wenn einige lieber nur mitfieberndes Publikum blieben und schüchtern vorsichtige Blick von der Seite warfen, um nicht zu nah in die Kampfzone zu geraten, am Ende beteiligten sich jung und alt, klein und groß, Butch und Femme bis spät in die Nacht. Wer lieber seine Wut gegen Sexisten, Machos oder auch das Patriarchat im Allgemeinen Ausdruck verleihen wollte, konnte beim Macho-Dosenwerfen einigen Machos wie Bushido, Donald Trump oder Dieter Bohlen mal ihre volle Wut entgegenschmettern. Und wer lieber weniger kämpferisch neue Identitäten ausprobieren wollte, konnte sich in der Fotoecke als blonde Femme oder kurzhaarige Butch, Engel oder Teufel verkleiden und dabei mit Labeln wie „Ökolesbe“, „Queer“ oder „Dyke“ posen. Die Kampflesben-Lounge mit ihren witzigen Gimmicks fand jedenfalls lange regen Zuspruch von vielen verschiedenen lesbischen Identitäten.

Räume und Tanzflächen füllten sich schnell, auch viele Schwule, die wohl sonst freitags im SchwuZ aufschlagen und ohne in den Terminkalender zu schauen, vorbeikamen, mischten sich unter die tanzwütigen Frauen. Schade nur, dass die zahlreichen Lesben der Ü40-Fraktion, die extra zur Podiumsdiskussion kamen, schnell das Weite suchten und am Ende doch wieder der Altersdurchschnitt auf der Tanzfläche wenig Überraschungen bot. Trotzdem heizten die DJs dem schließlich gemischten Publikum aus Lesben und Schwulen auf allen Floors bis in die Morgenstunden gut ein. Am Ende bleibt die Erkenntnis: die lesbische Welt ist vielfältig und das nicht nur in ihren Äußerlichkeiten und Labels, sondern auch in ihren Bedürfnissen nach inhaltlichen Diskussionen, in ihren Alltagserfahrungen, im Party- und Flirtverhalten. Doch Armdrücken scheint zumindest ein gemeinsamer Nenner zu sein, der einen großen Teil der lesbischen Vielfalt begeistert.

as/chal/dm

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