Lesbische Frau trotz Morddrohungen abgeschoben
Aus einem Frauenhaus in Oberbayern heraus wurde eine lesbische Kosovarin am Donnerstag in ihr Heimatland abgeschoben. Dort war sie von ihrer Familie zwangsverlobt, misshandelt und mit Mord bedroht worden.
Von Karin Schupp
l-mag.de, 18.6.2016 - Am Donnerstagmorgen um acht Uhr wurde eine lesbische Frau (23) aus einem Frauenhaus in Oberbayern abgeführt und schon mittags in den Kosovo abgeschoben. Laut der Münchener Lesbenberatungsstelle LeTRa ist die 23-Jährige höchst suizidal und hat in ihrer Heimat familiäre Gewalt oder sogar ihren Tod zu befürchten.
Die junge Frau wurde zwangsverlobt, als sie 17 Jahre alt war und ihr Vater von ihrer Homosexualität erfuhr. Von ihrem Verlobten wurde sie monatelang vergewaltigt, von ihrem Bruder misshandelt, bis ihr die Flucht in die Hauptstadt Pristina gelang, wo sie vier Jahre lang versteckt mit einer Frau zusammenlebte und studierte. Dort jedoch spürten Vater und Bruder sie auf und drohten ihr wiederholt, sie zu töten. Schließlich gelang ihr die Flucht nach Deutschland, wo sie zuletzt in einem Frauenhaus bei München Unterschlupf fand.
Deutsche Behörden: "Sicheres Herkunftsland"
Ihr Asylantrag wurde nach Aktenlage abgelehnt, ohne dass sie persönlich angehört wurde. Nach Anordnung der Abschiebung blieben ihrer Anwältin und der LeTRA keine Zeit mehr, dagegen vorzugehen: Schon am nächsten Tag wurde sie vollzogen.
„Der Fall ist für uns klar“, zitiert die Münchener Abendzeitung eine Sprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Kosovo sei ein „sicheres Herkunftsland“, die Asylablehnung sei zudem gerichtlich bestätigt worden.
„Wir sind völlig fassungslos!“, sagt Rita Braaz von LeTRa in einer Presseerkärung. „Dieser Fall zeigt besonders brutal, wie unmenschlich unsere Asylpolitik inzwischen ist. Unsere Klientin wurde in ein Land abgeschoben, in dem sie vor dem Nichts steht und ihr Leben bedroht ist.“ Die Unterstützerinnen der Kosovarin loten derzeit alle Möglichkeiten aus, ihr weiterhin zu helfen.
Die Realität im Kosovo sieht anders aus
Dieses Beispiel zeigt, wie problematisch das Konstrukt der „sicheren Herkunftsstaaten“ ist. Im Kosovo gibt es zwar seit 2004 ein Gesetz, dass Homosexuelle vor Diskriminierung schützt, die Wirklichkeit sieht aber anders aus: Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International haben schon häufig von Todesdrohungen gegen LGBT-Aktivisten und der Flucht von Lesben und Schwulen aus dem Land berichtet.
Zurzeit plant die Bundesregierung, auch Algerien, Marokko und Tunesien zu „sicheren“ Ländern zu erklären, obwohl dort Homosexualität sogar gesetzlich verboten ist (wir berichteten).
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