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„Seit den Maidan-Protesten hat sich die Situation für LGBT verschlechtert“

Anlässlich des „Marsches für Gleichberechtigung" am Sonntag in Kiew erklären zwei ukrainische LGBT-Aktivist_innen im L-MAG-Interview, wieso das Event auch innerhalb der Community umstritten ist und wie die aktuelle Lage für LGBT in ihrem Land aussieht.

Isabel Lerch Julia Moroz (l.) und Yuri Lifshitc - Foto: Isabel Lerch

Aus Kiew Isabel Lerch

l-mag.de, 9.6.2016

Am Sonntag findet in Kiew der „March for Equality“ statt – der Höhepunkt der Pride Week in der ukrainischen Hauptstadt. Das Event ist umstritten, auch innerhalb der zerstritten wirkenden LGBT-Community. Julia Moroz und Yuri Lifshitc von der queerfeministischen Gruppe „FemSolution“ erklären im L-MAG-Interview ihre Gründe dafür.

L-MAG: An diesem Sonntag findet der „March for Equality“ statt, die große Parade zum Abschluss der Kiew Pride Week. Warum kritisiert ihr diese Veranstaltung?

Yuri Lifshitc: Bei der gesamten Organisation und der Darstellung des Kiew Pride wurde nicht ein einziges Mal die Abkürzung LGBT verwendet. Das spricht doch bereits Bände. Stattdessen ist die ganze Zeit die Rede von „Gleichheit“, „Menschenrechten“ und „Antidiskriminierung“. Ich sehe diese Entwicklung und die ganze Selbstdarstellung des Kiew Pride kritisch, weil keine klare Position für LGBT bezogen wird.

Yuri, du warst Teil des offiziellen Organisationskomitees des Kiew Pride. Dann haben sie dich rausgeworfen. Was genau war der Grund dafür?

Yuri Lifshitc: Das lag hauptsächlich an unseren großen ideologischen Unterschieden. Ich habe vor allem die Sicherheitspolitik der Veranstaltung kritisiert. Denn die Organisatoren haben keinen privaten Security-Service engagiert, sondern arbeiten ausschließlich mit der nationalen Polizei zusammen. Das ist in meinen Augen falsch, da homophobe Einstellungen in unserer Polizei sehr weit verbreitet sind. Wir haben gesehen, was in Lviv passiert ist: Dort wurden einige Demonstranten von Neonazis attackiert und die Polizei griff nicht ein, um die Demonstranten ausreichend zu schützen.

Julia Moroz: Das kann ich nur bestätigen. Das Problem ist, dass es in unserer nationalen Polizei viele Menschen gibt, die rechtsradikale Einstellungen vertreten. Von daher liegt es nahe, dass die Polizei mit Rechtsradikalen, die die Pride-Veranstaltung stören wollen, kollaboriert und diese gewähren lässt. Deshalb ist es unseren Augen so wichtig, über ein vernünftiges Sicherheitskonzept zu sprechen, wenn man so etwas wie den Kiew Pride plant.

Wie ist, allgemein gesprochen, die jetzige Situation von LGBT in der Ukraine?

Yuri Lifshitc: Meiner Meinung nach hat sich die Situation für LGBT seit den Maidan-Protesten verschlechtert. Homophobe Gewalt ist in meinen Augen aggressiver und sichtbarer geworden. Zudem hat sich die offizielle Position der Mainstream-LGBT-Bewegung verschoben: Die Einstellungen sind nationalistischer und in gewisser Weise auch homonormativer geworden. Anders erklärt: Vor den Euromaidan-Ereignissen gab es innerhalb der Szene lebhafte und kontroverse, aber durchaus faire Debatten, die vor allem auch queere Positionen berücksichtigt haben. Und es gab eine interne Solidarität. Jetzt, nach den politischen Ereignissen auf dem Maidan, ist es zu einer Spaltung gekommen – auf der einen Seite stehen die „Normalen“, die den Mainstream repräsentieren, und auf der anderen Seite die „queeren“ Mitglieder der LGBT-Community.

Julia Moroz: Als wir unsere Gruppe „FemSolution“ vor ein paar Monaten gegründet haben, wollten wir damit eine Alternative bieten, die eben genau diese queere Perspektive in den Blick nimmt.

Hier geht's zur Webseite des Kiew Pride und hier zur Facebook-Seite von FemSolution.


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