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"Orange is the New Black": Abschied von Litchfield

Nach sechs Jahren Litchfield werden wir in die Freiheit entlassen! Die finale Staffel der beliebten Frauenknastserie besinnt sich auf alte Qualitäten, bietet einen würdigen Abschied und sorgt für viel Taschentuch-Alarm! Ab 26. Juli bei Netflix.

Netflix/ JoJo Whilden Hat noch drei Jahre hinter Gittern vor sich: Alex (Laura Prepon)

Von Karin Schupp

24.7.2019 - Als wir 2013 zum ersten Mal den Frauenknast in Litchfield betraten, lernten wir gemeinsam mit Neuankömmling Piper (Taylor Schilling) eine Art marodes Ferienlager kennen, in dem sich die Häftlinge, so gut es eben geht, eingerichtet haben. Fans und TV-Kritik waren begeistert: Mit seinem überwiegend weiblichen Cast jenseits konventioneller TV-Stereotypen - jung, schön, weiß, hetero, Mittelschicht – wurde Orange is the New Black zur meistgeschauten Serie bei Netflix und sammelte so viele Preise ein, dass sie sogar eine eigene Wikipedia-Seite bekamen.

Von der Erzählstruktur eine Soap, hob sich die Serie aber doch immer wohltuend von der seifigen Massenware ab, indem sie auf Kitsch, Melodrama und allzu überraschenden Wendungen verzichtete und nie vergaß, die Mängel des US-Gefängnissystems – Verwahrung statt Rehabilitation, Unterfinanzierung und Rassismus – kritisch in Szene zu setzen.

Und das lesbische Publikum freute sich über die zahlreichen lesbischen und bisexuellen Charaktere, darunter die scharfzüngige Nicky (Natasha Lyonne), die Ultrabutch Big Boo (Lea DeLaria), die liebenswerte Poussey (Samira Wiley), Gangboss Daddy (Vicci Martinez, Staffel 6) und natürlich das dysfunktionale Traumpaar Alex (Laura Prepon) und Piper: Dank ihnen füllte OITNB das Vakuum an Lesbenserien, das seit dem Ende von The L Word und Lip Service entstanden war.

Staffel 7 mit einem neuen, hochaktuellen Thema

Nun also die siebte Staffel der Serie, von der schon lange bekannt ist, dass sie die letzte sein wird. Die Luft ist ein bisschen raus, könnte man meinen, aber nach Privatisierung, niedergeknüppeltem Knastaufstand (Staffel 5) und Umzug in den Hochsicherheitstrakt (Staffel 6) ist der Showrunnerin Jenji Kohan (Weeds) tatsächlich noch ein neues und hochaktuelles Thema eingefallen, das in den USA zurzeit ein großes Politikum ist.

Das am Ende der letzten Staffel erwähnte Abschiebegefängnis für illegale Einwanderer, ein nahezu rechtfreier Raum, wird zu einem weiteren Schauplatz, in dem unversehens auch zwei uns bereits bekannte Charaktere landen.

Netflix/ JoJo Whilden Lorna, Red, Nicky, Flaca und Gloria (v.l.n.r.)

Piper und Alex sind durch eine Scheibe getrennt

Und was passiert sonst noch in Litchfield? Wenn’s nach Netflix geht, dürfte ich fast gar nichts erzählen: Der Streamingdienst ist inzwischen dafür berüchtigt, detailliert aufzulisten, was die Medien nicht vorab verraten sollen (als würden wir die größten Spoiler fröhlich hinausposaunen!).

Kein Geheimnis ist, dass Piper draußen ist und erleben muss, wie schwer es ist, nach dem Knast wieder Fuß zu fassen. Natürlich findet sie immer noch, dass sie es am schwersten von allen hat. Am wichtigsten ist ihr aber, ihre Beziehung zu Alex zu retten, was nicht einfach ist, wenn man fortan durch eine Scheibe im Besucherraum voneinander getrennt ist. Und auch Alex' Versprechen, sich in ihren letzten drei Jahren hinter Gittern nichts zuschulden kommen zu lassen und Piper treu zu bleiben, wird schon bald auf die Probe gestellt.

Im Hochsicherheitstrakt, der Hauptschauplatz der Serie bleibt, haben sich die Gemüter seit dem Tod der fiesen Schwestern Barb und Carol beruhigt. Es gibt ein Revival der alten Küchencrew, das #MeToo-Thema wird (ein wenig halbherzig) aufgegriffen, wir lernen die Schließerinnen McCullough (Emily Tarver) und Ward (Susan Heyward) besser kennen, Pennsatucky (Taryn Manning) und Suzanne (Uzo Aduba) suchen sich neue Aufgaben, Nicky (Natasha Lyonne) verliebt sich, und es gibt - das hatten wir noch nicht! - eine verbotene lesbische Affäre.

Taschentuch-Alarm - vor allem gegen Ende 

Nicht mit allen Insassinnen meint es das Schicksal gut: Wie geht Taystee (Danielle Brooks) damit um, dass sie wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, obwohl sie unschuldig ist? Wie erträgt es die labile Lorna (Yael Stone), von ihrem neugeborenen Baby getrennt zu sein? Und das sind längst nicht die einzigen traurigen Storylines – vor allem gegen Ende solltet ihr euch unbedingt eine Vorratspackung Papiertaschentücher zurechtlegen!

Die letzte Staffel findet zu alten Qualitäten zurück: Sie vermeidet frühere Fehler, verzichtet auf Drama durch neue Antagonistinnen in den Zellenblöcken, die in den Staffeln 2 und 6 keine Belebung waren, sondern Fremdkörper blieben (dass die Front zwischen Knackis und Personal verläuft, kam stets besser an) und konzentriert sich überwiegend auf die "Ur-Einwohnerinnen" von Litchfield und ihre kleinen und größeren Geschichten.

Poussey wird angemessen gewürdigt

Wer schon in Staffel 6 nicht mehr dabei war, spielt zwar leider auch jetzt nicht mehr mit - so etwa Big Boo (Lea DeLaria) -, aber am Ende, so viel sei gespoilert, wissen wir von fast allen noch lebenden Charakteren, was aus ihnen wurde. Und auch Poussey, deren gewaltsamer Tod im Staffel 4 einen lauten Auschrei auslöste, wird angemessen gewürdigt.

Natürlich verabschiedet man sich ungern von den Knackis, die uns in den letzten sechs Jahren ans Herz gewachsen sind und die wir hinter Gittern zurücklassen müssen. Aber die finale Staffel ist ein würdiges Ende zur rechten Zeit, bevor die Geschichten sich wiederholen oder alberne Soap-Dramen Einzug halten. Und die Serie zeigt bis zuletzt all denen Frauen ihren Respekt, für die das kaputte Gefängnissystem der USA traurige Realität ist.

Orange is the New Black: Staffel 6, 13 Folgen, ab 26. Juli bei Netflix

 

Weiterlesen:

Vorschau auf Staffel 6: Litchfield goes Hochsicherheitstrakt (2018)

Interviews (2016) mit: Lea DeLaria (Big Boo)  -   Yael Stone (Lorna)  -  Uzo Aduba und Selenis Levya (Suzanne und Gloria)

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