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Queer, Butch, Femme, Tomboy - sonst noch was?

Wofür brauchen wir eigentlich Labels? Werden wir nicht schon in genug Schubladen gepackt? Darüber denkt unsere Autorin nach und kommt auf fünf gute Gründe, was uns solche Selbstbezeichnungen bringen können.

spreadshirt.ca

Von Annie Kreß

l-mag.de, 29.1.2017 – Als ich mein Coming Out hatte, dachte ich, jetzt sei alles geklärt. Du bist eine Frau und lesbisch, Selbstdefinition abgeschlossen. Aber bereits beim Anmelden auf „Lesarion“ musste ich angeben, ob ich mich als lesbisch, bi, queer, Butch, Femme oder Tomboy bezeichne und war damit erstmal total überfordert.

Wofür diese ganzen Begriffe? Was bedeuten die, und wieso muss ich da jetzt irgendwo mein Häkchen setzen? Ist es nicht schon anstrengend genug, ständig von anderen in irgendwelche Schubladen gepackt zu werden? Wieso müssen wir uns zusätzlich noch weitere Labels* geben?

* Kurze Erklärung: Mit Labels, dem englischen Wort für ‚Etikett‘, meine ich die Selbstbezeichnung(en), die du dir selber geben kannst, wenn du möchtest, aber auch nicht musst. Mit Labels meine ich aber nicht ‚Schubladen‘. Der Unterschied zwischen Labels und Schubladen ist für mich, dass ich mir selber Labels geben kann, wenn ich das will, mir aber Schubladen (und die damit einhergehenden Vorurteile) von anderen aufgedrückt werden, ohne dass ich darüber entscheiden kann.

Vorneweg: Ich sehe Labels selbst nicht ganz unkritisch. Wie immer im Leben gibt es kein reines „Richtig“ oder „Falsch“. In diesem Artikel möchte ich aber darüber schreiben, was Labels uns bringen können und wieso sie wichtig sein können:

1. Labels helfen dir, dich selbst zu beschreiben

Wer bin ich eigentlich, und wie beschreibe ich das am besten? Diese Fragen kennen vermutlich die meisten von uns. Uns selbst und unsere Gefühle auszudrücken, ist bei weitem nicht immer einfach, gerade wenn es um Sexualität und Geschlechtsidentität geht. Labels können uns helfen, zumindest für einen Teil unserer Gefühle Begriffe zu finden. So können wir uns zum einen selbst besser verstehen, zum anderen können wir uns damit anderen Personen leichter begreifbar machen, ohne uns stundenlang erklären zu müssen.

2. Labels geben dir eine Community

Menschen tendieren dazu, alles irgendwie einordnen zu wollen. Wenn wir das können, fühlen wir uns sicherer. Wenn wir wissen, dass eine Person zu der gleichen Gruppe gehört wie wir, dann fällt es uns leichter dieser Person ein gewisses Vertrauen entgegen zu bringen und eine Verbindung herzustellen. Labels können uns dabei helfen, andere Personen zu finden, die uns zumindest in bestimmten Punkten ähnlich sind.

3. Du bestimmst über deine Labels

Bei Labels geht es nicht darum, dass andere zu dir kommen und sagen, „Oh, du hast lange Haare und bist lesbisch, na dann bist du wohl ’ne Femme.“ Sondern es geht für dich darum, genau hinzusehen und dich zu fragen, wie du dich fühlst und wer du wirklich bist. Wenn du möchtest, kannst du dir und deinen Gefühlen dann einen oder mehrere Namen und Bezeichnungen geben, du musst es aber nicht. Labels sind kein Pflichtprogramm für jede*n, sondern bieten uns nur die Möglichkeit, uns und unsere Gefühle durch bestimmte Wörter besser beschreiben zu können. In vielen Bereichen unseres Lebens werden uns immer wieder Schubladen und Attribute zugeschoben, die wir uns nicht selber aussuchen können. Bei Labels ist das anders. Labels sind reine Selbstbezeichnungen. Durch Labels haben wir oftmals das erste Mal in unserem Leben die Chance, uns selbst zu definieren. Und genau deswegen sind Lables auch so powerful.

4. Labels können sich ändern

Labels müssen keine Gemeingültigkeit für die Ewigkeit haben. Sie sind einfach nur ein Ausdruck davon, wie du dich heute fühlst und wie du dich selbst bezeichnen möchtest. Das kann sich aber natürlich jederzeit ändern. Ich persönlich hab mir schon so einige Labels gegeben, von bisexuell zu lesbisch, zu queer in lesbischer Beziehung, zu lesbisch und queer gleichzeitig… je nachdem, wie es mir in der jeweiligen Lebensphase gerade ging. Inzwischen bin ich bei „ich hab eigentlich gar keine Lust mehr auf Labels“ angekommen, benutze sie aber trotzdem, um sichtbar zu sein und anderen in wenigen Worten erklären zu können, wer ich eigentlich bin.

5. Labels machen dich sichtbar

Gerade in der Heterowelt wird oftmals nicht davon ausgegangen, dass eine Frau ja auch eine andere Frau lieben könnte. Fragen wie, „Hast du eigentlich einen Freund?“ kennen wir alle. Spätestens an dem Punkt fühle ich mich gezwungen, klarzustellen, dass ich lesbisch bin. Und gebe mir damit automatisch ein Label. Aber auch in der LGBTIQ-Communtiy kann es helfen, Labels wie Butch, Femme, Tomboy, queer etc. zu haben. Gerade Femmes haben in der Gesellschaft, und leider manchmal auch in der Community, mit fehlender Sichtbarkeit zu kämpfen. Ein Label für Personen, die ähnliche Erfahrungen machen, schafft nicht nur eine Gemeinschaft, sondern bringt Aufmerksamkeit auf das Thema und sorgt somit für mehr Sichtbarkeit. Nicht umsonst ist „Femme visibility“ in der queeren Szene ein Standardausdruck geworden, der auf verschiedenen Events und bei unterschiedlichen politischen Aktionen immer wieder zu hören ist.

Dieser Text erschien zuerst auf Annie Kreß‘ Blog Rainbowfeelings

Lest hier auch unseren Artikel "Das ungeliebte L-Wort und wieso wir es noch brauchen". 

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