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Regenbogen am Brandenburger Tor und andere LGBT-News im Juni

Unser Monats-Rückblick über das Weltgeschehen, u.a.: Anschlag in Orlando, Frauke Petry (AfD) über Homosexualität, Obama macht queere Kneipe zum Nationaldenkmal, Jerusalem Pride-Attentäter verurteilt, CSD Istanbul, Tschechien lockert Adoptionsverbot.

Von Karin Schupp, l-mag.de, 3.7.2016

USA - Massaker in queerem Club in Florida: Der Juni wurde durch einen homophoben Anschlag überschattet: Am 12. Juni tötete Omar Mateen (29) im queeren Club Pulse in Orlando/ Florida 49 Menschen, 53 wurden verletzt; knapp vier Stunden später wurde er von der Polizei erschossen. Das FBI hat die Ermittlungen über die Hintergründe der Tat noch nicht abgeschlossen, das zwischenzeitlich aufgekommene Gerücht, der zweifach geschiedene Mann sei heimlich schwul gewesen, bestätigte sich aber offenbar nicht. In Deutschland gab es heftige Kritik an Medien und Politik, die zögerten, den Anschlag als gezielten Angriff auf Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender zu benennen. Erst vier Tage später äußerte sich Angela Merkel besorgt über das zunehmend homophobe Klima, das auch in Deutschland zu beobachten ist. Und während am Tag nach dem Massaker weltweit aus Solidarität Gebäude in Regenbogenfarben getaucht wurden, war in Berlin Druck aus der Community nötig: Erst am 18. Juni wurde bei einer von Privatpersonen initiierten Mahnwache das Brandenburger Tor angestrahlt.

U.S. Embassy Berlin/ FB

Homophobie in Deutschland: Vier von zehn Deutschen finden es „ekelhaft“, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen. Jede/r Vierte hält Homosexualität für „unmoralisch“, und 36 % sind dagegen, die Ehe für lesbische und schwule Paare zu öffnen. Das ergab die Studie „Die enthemmte Mitte“, die die Uni Leipzig alle zwei Jahre unter 2000 Deutschen durchführt. Die Befragung, die zu Jahresbeginn 2016 stattfand, ergab zudem, dass rechtsextreme Einstellungen zwar nicht zugenommen haben, diese Menschen aber radikaler und aggressiver geworden sind. Und: Die AfD bietet Rechtsextremen eine neue Heimat.

Frauke Petry erläutert ihre homophobe Einstellung: Die AfD-Sprecherin erklärte in der Youtube-Talkshow Jung & Naiv, wieso ihre Partei zwar das Lebenspartnerschaftsgesetz beibehalten würde, die Ehe-Öffnung aber ablehnt: Nämlich aus der "rein praktischen Erwägung", dass "wir in Deutschland einen Kindermangel haben.” Der „politische Standard“ sei für die AfD nun mal „die Familie aus Frau, Mann und Kindern, weil daraus - in der Regel zumindest - die Kinder hervorgehen.“ Homosexualität akzeptiere sie aber durchaus, „weil es Schwulsein zu allen Zeiten gegeben hat und es im alten Griechenland auch schon mal schick war, dass Männer eher mit Männern Sex hatten." Und wo sie schon beim Schwadronieren war, fügte sie noch ungefragt hinzu, dass „im öffentlich-rechtlichen Fernsehen fast kein Spielfilm mehr ohne das schwule Pärchen auskommt, das dann ganz toll gefunden wird von Mutter und Vater, die nach Hause kommen.“ (Lesben kommen in ihrem Weltbild offensichtlich nicht vor.) Das 72-minütige Interview kann man hier anschauen und hier nachlesen.

Screenshot "Jung & Naiv"

UN setzt Experten zum Schutz von LGBT ein: Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN) hat am Donnerstag in Genf beschlossen, einen unabhängigen „Experten gegen Diskriminierung und Gewalt aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität“ zu ernennen, der sich für die Stärkung der Rechte von LGBT und über die Einhaltung derselben wachen soll. Von den 47 Staaten, die dem Gremium angehören, stimmten 24 für den Antrag, 18 dagegen und 6 enthielten sich. Zu den Ablehnern zählen Russland, China, die Vereinigten Arabischen Emirate und neun afrikanische Länder, darunter Algerien, Marokko und Kenia.

Türkei - CSD-Verbot in Istanbul mit Gewalt durchgesetzt: Das Verbot des Trans-Pride am 19. Juni und des "Marsch des Stolzes“ am 26. Juni in Istanbul sorgte weltweit für Empörung. Der Gouverneur der Stadt hatte sein Verbot mit Sicherheitsbedenken begründet, da zuvor homophobe Gruppen mit gewaltsamem Protest gedroht hatten. Gegen die Menschen, die an den beiden Tagen dennoch auf die Straße gingen, setzte die Polizei Tränengas und Gummigeschosse ein, einige wurden vorübergehend festgenommen, darunter am 26. Juni auch die Grünen-Politiker Volker Beck (Bundestag), Terry Reintke (Europaparlament, rechts im Bild) und zwei ihrer Mitarbeiter.

USA - Das Stonewall Inn wird zum Nationaldenkmal: Präsident Barack Obama erklärte die Bar „Stonewall Inn“ in der New Yorker Christopher Street zum "National Monument". Hier fand Ende Juni 1969 eine tagelange Straßenschlacht zwischen Polizei und von ihr schikanierten homosexuellen und transgender Kneipen-Gästen statt, die alt Startpunkt der modernen LGBT-Bewegung gilt. Das Stonewall Inn ist das 122. Nationaldenkmal in den USA und „das erste, das die Geschichte des Kampfes um LGBT-Rechte erzählt“, wie Obama in diesem Clip erklärt:

USA - Transgender dürfen zum Militär: Die US-Army steht seit 1. Juli auch Trans-Menschen offen. Soldaten, die ihre Trans-Identität bisher geheim hielten, müssen dies nun nicht mehr tun. Laut Schätzungen soll es sich dabei um rund 2500 Armee-Mitglieder handeln. 2011 hob das Militär bereits die „Don’t Ask, don’t Tell“-Regelung für Lesben und Schwule auf.

Israel - Lebenslänglich für Jerusalem Pride-Attentäter: Jischai Schlissel, der beim CSD in Jerusalem 2015 die 16-jährige Shira Banki tötete und fünf Menschen verletzte (wir berichteten), wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der ultraorthodoxe Fanatiker war erst drei Wochen zuvor - er hatte bereits beim CSD 2005 auf drei Menschen eingestochen - vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Dies wurde im jetzigen Urteil ausgeschlossen. Der 40-Jährige, der als psychisch zurechnungsfähig gilt, zeigte keine Reue und glaubt, mit seiner Tat „Gottes Wille“ erfüllt zu haben. Der diesjährige Jerusalem Pride findet am 21. Juli statt. Auf Initiative von Shiras Eltern wird der Zion Square in der Altstadt in Tolerance Square umbenannt.

Tschechien lockert das Adoptionsverbot für Lesben und Schwule: Das tschechische Verfassungsgericht hat das Adoptionsverbot für verpartnerte Lesben und Schwule teilweise für ungültig erklärt. Geklagt hatte ein Mann in Prag, der als potenzieller Adoptiv-Vater abgelehnt wurde, weil er in einer registrierten Partnerschaft lebt. Dass Homosexuelle als Einzelpersonen adoptieren dürfen, als Verpartnerte jedoch nicht, "sehen wir als einen Verstoß gegen die Gleichheit beim Recht auf Menschenwürde", erklärte Verfassungsrichter Vojtěch Šimiček. „Wir sagen, dass das unlogisch und absurd ist.“ Der Mann darf aber auch jetzt nur alleine ein Kind adoptieren, eine gemeinsame Adoption durch ein lesbisches oder schwule Paar ist aber (wie auch in Deutschland) nach wie vor nicht erlaubt.

Deutschland - BGH erkennt gemeinsame Elternschaft von lesbischen Müttern an: Erstmals bescheinigte der Bundesgerichtshof zwei Frauen, die gemeinsamen Eltern ihres Kindes ab dessen Geburt zu sein. Der Haken: Er erkennt damit nur südafrikanisches Recht an, da das Paar dort lebt. Somit hat die Entscheidung für die deutsche Rechtssprechung keine unmittelbaren Folgen (wir berichteten).

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