L-Mag

Wann kommt die lesbische Jane Bond?

Nur jeder dritte Hollywood-Film hat eine weibliche Hauptfigur, lesbische und bisexuelle Frauen gibt es kaum und in Hauptrollen schon mal gar nicht - das ergab eine neue Studie. Wir erklären, warum das so ist und wie man es ändern könnte.

Universal Pictures Huch, lauter Frauen - und sogar eine Lesbe UND eine Regisseurin: "Pitch Perfect 2" - auf Platz 27 der weltweit erfolgreichsten Filme 2015

Von Karin Schupp

l-mag.de, 11.9.2016 - Jane Bond, Jessica Bourne, Lucy Skywalker – daraus wird wohl vorerst nichts, denn Hollywood hält an seinen männlichen Heterohelden fest. Auch 2015 ging nur jede dritte Kino-Hauptrolle an eine Frau, zwei Drittel wurden mit Männern besetzt. Und auch wenn man die Nebenfiguren dazuzählt, war nur ein knappes Drittel (31 %) weiblich.

Schlimmer noch: Daran hat sich in den letzten zehn Jahren nichts geändert. Die einzige Verbesserung: Dank Filmen wie Mad Max: Fury Road mit Charlize Theron, Die Tribute von Panem mit Jennifer Lawrence und Pitch Perfect 2 mit einem großen weiblichen Cast erhöhte sich der Anteil der weiblichen Hauptrollen: 2014 lag er bei noch kümmerlicheren 21 %.

Lionsgate Jennifer Lawrence ist aktuell die weibliche Filmheldin Nr.1: "Die Tribute von Panem 4" stand auf Platz 9 der weltweiten Kinocharts. Wenn sie jetzt noch Katniss und Cressida (Natalie Dormer, l.) zusammengebracht hätten...

Hollywoods Helden sind nach wie vor männlich, weiß, hetero

„Wir sehen eine fest verwurzelte Benachteiligung“, sagt Dr. Stacy L. Smith, eine der Leiterinnen der Untersuchung, die seit 2007 die 100 erfolgreichsten US-Filme des Jahres auswertet. „Egal ob wir Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, LGBT oder Charaktere mit Behinderungen untersuchen, wir finden Kräfte, die alle ausschließen, die nicht hetero, weiß, körperlich leistungsfähig und männlich sind. Trotz allem Gerede, allem Aktivismus und aller Aufmerksamkeit der Presse, ist es ein weiteres Jahr, in dem der Status Quo aufrechterhalten wird.“

Lesbisch oder bi waren nur 9 weibliche Nebenrollen

Das bedeutet natürlich auch, dass man queere Charaktere mit der Lupe suchen muss: 82 der Top 100-Filme 2015 zeigten ausschließlich Heteros, nur magere 0,7% aller 4370 Sprechrollen waren LGBT, und keine davon war eine Hauptrolle. Und die Mehrheit war – wenig verwunderlich – cis-männlich: 22 schwule/ bisexuelle Männer stehen einer Trans*Person und 9 lesbischen/ bisexuellen Frauen gegenüber, darunter kleine und kleinste Rollen in Pitch Perfect 2, Magic Mike XXL und Sisters (aber nicht Carol und Freeheld, die nicht in die Top 100 kamen).

Screenshot Kate McKinnon (l.) und Colleen Werthmann in "Sisters" (Platz 71) - von der lesbischen Drehbuchautorin Paula Pell hätte man ein bisschen erwartet als das klassisch-rustikale Lesbenpaar

Dass die Zahl gegenüber 2014 (19 LGBT-Charaktere) gestiegen ist, ist da nur ein schwacher Trost: Wenn es in diesem Tempo weitergeht, nähern wir uns erst im Jahre 2031 allmählich dem tatsächlichen Bevölkerungsanteil.

Gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen

Interessant auch, dass die Homo- und Bisexuellen deutlich häufiger einer ethnischen Minderheit (schwarz, latino, asiatisch) angehörten als die Heteros: Da wollte man wohl gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn dass Weiße in Hollywood stark überrepräsentiert sind, wird Hollywood nicht erst seit den #OscarsSoWhite-Protesten gegen die diesjährige Oscar-Verleihung vorgeworfen. Und: Nur zwei von ihnen – beides Frauen – hatten Kinder, wie Ko-Autorin Dr. Katherine Pieper gegenüber Associated Press anmerkte: „Das Kino hat noch einen weiten Weg vor sich, wenn es darum geht, alle Arten von Familien in Amerika zu repräsentieren."

Warner Bros. Männer spielen in "Mad Max: Fury Road" (Platz 21, 5 Oscars) mit Charlize Theron (2.v.r.) trotz des Titels keine große Rolle, das Kino-Klischee "jung und leicht bekleidet" konnte sich der Regisseur aber nicht verkneifen

Ein Frauenbild wie in der Fünzigern

Hollywood befindet sich eben mental noch in den 50er Jahren: Jung, hübsch, sexy und hetero - das sind die wichtigsten Attribute für Frauen. Sie müssen drei mal so häufig wie Männer leicht bekleidet oder nackt vor die Kamera treten und werden ebenso viel häufiger über ihr Aussehen charakterisiert. Und in nur 5 Filmen sind weibliche Hauptfiguren 45 Jahre alt oder älter – gegenüber 26 Filmen mit männlichen Hauptdarstellern in diesem Alter. „Wenn es nur wenige Frauen gibt und sie stärker sexualisiert werden als ihre männlichen Gegenparts, dann wird Frauen eine bestimmte Rolle im Filminhalt zugeschrieben und dem Publikum eine bestimmte Botschaft vermittelt“, kritisiert Pieper.

Twitter/ Rebel Wilson Der "Pitch Perfect 2"-Cast von vorne mit Butch-Darstellerin Ester Dean (2. Reihe, 2.v.r.) und Regisseurin Elizabeth Banks (ganz rechts)

Frauen hinter der Kamera gelten als Risiko

Dass sich für Frauen so wenig ändert, liegt auch an der Verteilung der Geschlechter hinter der Kamera, denn dort sieht es noch schlechter aus: In den Bereichen Regie, Drehbuch und Produktion betrug der Männeranteil im letzten Jahr 81 %: Nur 22 % der Produzenten waren weiblich, nur 12 % der Drehbücher waren von Frauen verfasst, und die Regisseurinnen hatten mit einem Anteil von 7,5% die schlechteste Berufswahl getroffen. Und auch hier tut sich wenig: In den letzten zehn Jahren bekamen insgesamt nur 29 Frauen einen Regie-Job.

Jodie Foster: "Das ändert sich nicht schnell genug"

Weil es in Hollywood um so viel Geld geht, so lautet die gängige Erklärung, halten sich die Studios lieber an Bewährtes, und Frauen hinter der Kamera gelten da, trotz Erfolgen wie Elizabeth Banks‘ Pitch Perfect 2 oder Sam Taylor-Johnsons 50 Shades of Grey, als Risiko. Männer beauftragen eben lieber Männer - ein Phänomen, von dem viele Frauen im Business berichten. „Mit jedem Regisseur geht man ein gewaltiges Risiko ein, und wenn wir jemandem den Schlüssel für das Königreich geben, ist es nur menschlich zu wollen, dass die Person genauso aussieht wie wir", sagte Jodie Foster der Webseite Yahoo Movies. "Das trifft auf jeden Fall auf die Studiobosse zu... und ändert sich Schritt für Schritt, aber nicht schnell genug.“

Universal Pictures Sam Taylor-Johnson bei den Dreharbeiten zu "50 Shades of Grey" (Platz 11 der weltweiten Hitliste 2015)

"Dann heißt es sofort: Frauen können nicht Regie führen"

Und auf den Schultern der wenigen Frauen lastet denn auch gleich die Verantwortung fürs gesamte weibliche Geschlecht. So witzelte Melissa McCarthy über das weibliche Remake von Ghostbusters: „Wenn er nicht läuft, geht’s für die Frauen bergab, und wir verlieren unser Wahlrecht.“ Damit meinte sie, dass ein Flop die Zukunft für weitere frauendominierte Filme verbauen würde (tatsächlich war der Film zwar kein Flop, nahm aber „nur“ rund 225 Mio. $ statt der kalkulierten 400 Mio. $ ein).

Reese Witherspoon: "Frauen bekommen keine zweite Chance"

Und die Regisseurin Lexi Alexander lehnte das Angebot ab, den Comic-Klassiker Wonder Woman (2017) zu verfilmen: „Du hast keine Kontrolle über Marketing und Budget, und der Druck ist riesig“, erklärte sie der Webseite Fast Company. „Und wenn eine Regisseurin scheitert, heißt es sofort: Frauen können nicht Regie führen.“

Und das betrifft dann auch die eigene Jobsicherheit, wie Filmstar und Produzentin Reese Witherspoon auf ew.com bestätigt: "Männliche Regisseure kriegen definitiv einen zweiten und dritten Film, auch wenn ihr erster Film nicht gut war. Wenn aber der erste Film einer Frau nicht gut war, bekommt sie diese zweite, dritte, vierte Chance nicht."

Frauen in 50 % aller Hollywood-Produktionen!

Die Lösung kann also nur heißen: Mehr Frauen in wichtigen Jobs hinter der Kamera - und zwar gerechterweise in 50 % aller Produktionen (dann muss auch mal ein erfolgloser oder schlechter Film erlaubt sein!). Dass damit auf jeden Fall die Anzahl der Frauenrollen signifikant ansteigt, zeigte eine Studie, die Oscar-Gewinnerin Geena Davis in Auftrag gab (hier berichten wir darüber). Und mehr weibliche Charaktere sollten auch eine größere Vielfalt an Frauentypen und sexuellen Orientierungen bedeuten. Wir warten gespannt und mit wachsender Ungeduld!

Weiterlesen: Die Studie der USC Annenberg School of Communication and Journalism steht als PDF hier.

Die Ergebnisse der letztjährigen Untersuchung stellen wir hier vor, und hier berichten wir ausführlicher über die LGBT-Filmcharaktere 2015.

Die unter den Fotos genannten Plätze beziehen sich auf die weltweite Top 100 des Jahres 2015, für die Studie wurden die 100 Kinohits in den USA 2015 ausgewertet.

Aktuelles Heft

Metamorphosen - queeres Leben und Sterben

Genderneutrale Erziehung - Elizabeth Kerekere, Aktivistin aus Neuseeland - Internationales FrauenFilmFestival - LGBTIQ* Community in Armenien mehr zum Inhalt




Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!

Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!
x