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Marla Glen – „Ja, ich bin ein Star, ein Survivor!“

Sie ist eine Ikone der 90er: Mit „Believer“ gelang ihr 1993 ein Welthit. L-MAG plauderte mit der 60-jährigen Meisterin über den Erfolg in der Vergangenheit, die falschen Leute und neue Ziele

Foto: Jan Kohlrusch

Von Christina Mohr

20.07.2020 – Marla Glen hat in 27 Jahren alle Höhen und Tiefen des Musikgeschäfts durchschritten: 1993 gelang der damaligen Newcomerin mit „Believer“ ein Welthit, das dazugehörige Album „This Is Marla Glen“ verkaufte allein in Deutschland mehr als eine halbe Million Exemplare – und was vielleicht nicht viele wissen: „Believer“ war von den Ereignissen um den deutsch-deutschen Mauerfall 
inspiriert – ein erster Beleg für Marlas intensive Beziehung zu Deutschland, wo sie seit über zwanzig Jahren lebt.

Die beeindruckende Sängerin stammt aus Chicago und zählte rasch zu den erfolgreichsten Soul- und Blueskünstlerinnen – vor allem wegen ihrer unvergleichlich rauen Stimme. Ihr betont maskulines Auftreten in Hut, Anzug und mit Zigarre wurde zur Trademark, sie war der Tomboy unter den weiblichen Topstars. Ende der Neunziger kam die erste Krise, eine von vielen, meist wirtschaftlicher Art. Die Künstlerin hatte die falschen Berater, vertraute den falschen Leuten, Plattenfirmen missbrauchten ihren Namen für unautorisierte Veröffentlichungen. Doch Marla rappelte sich immer wieder auf und kam kraftvoll zurück – und konnte sich stets auf eine treue Fangemeinde verlassen. Diese kann sich jetzt wiederum freuen: Ihr neues Album „Unexpected“ sprudelt nur so vor Energie und Spiel-laune, mixt die unterschiedlichsten Genres von Rock über Disco bis hin zu Blues, Afrobeat und Soul. Erste Konzerte mit dem neuen Material wurden begeistert gefeiert – und am glücklichsten darüber ist sie selbst, weil die Rechnung mit neuer Band und neuem Label bestens aufzu-gehen scheint.

L-MAG telefonierte mit der Künstlerin  einige Wochen nach ihrem 60. Geburtstag. Das Ergebnis ist ein Gespräch der eher 
außergewöhnlichen Sorte: Marla singt laut, juchzt, schreit und ist überhaupt bestens aufgelegt. Stringente Antworten waren nicht unbedingt vorgesehen …

L-MAG: Hi Marla – was ist das Unerwartete („Unexpected“) an deiner neuen Platte?

MARLA GLEN: Dass es sie überhaupt gibt! Ich hatte viele Probleme mit den Leuten, mit denen ich früher zusammengearbeitet habe – es war furchtbar. Ich habe vier Alben in acht Jahren gemacht, aber ich hatte keine Rechte an meinen eigenen Songs. Andere Leute haben meinen Namen benutzt und gut daran verdient, während ich meine Karriere nicht genießen konnte, weil andere mich zurückgehalten haben. Weißt du, es gab Zeiten, da hing ich nur in meinem Appartement rum und habe vor Zorn geschrien und geweint …

Aber ich habe überlebt, habe eine Therapie gemacht: Ja, ich bin ein Star, ein Survivor! Inzwischen bin ich frei, habe die Kontrolle über meine Musik und kann mein Comeback genießen!
 
In der letzten Ausgabe (Januar/Februar 20020) von L-MAG war ein Interview mit der deutschen, offen lesbischen Schlagersängerin Kerstin Ott, die vor Kurzem ein Duett mit Helene Fischer sang – könntest du dir so eine Aktion auch vorstellen?

(lacht laut und schallend) Aber natürlich! (auf deutsch): Ich liebe Schlager! Ich singe gerne Schlager, das habe ich auch schon auf dem Oktoberfest gemacht – das macht mir wirklich Spaß! Ich liebe das Oktoberfest, ich trage dann auch die passenden Klamotten, Lederhosen … Weißt du, ich lebe schon so lange in Deutschland und in der Schweiz, ich möchte gerne etwas zurückgeben und Danke sagen. Ich will zeigen, dass ich eure Musik mag.


Apropos Schlager: Auf deinem Album präsentierst du ganz unterschiedliche Stilrichtungen – ich persönlich stehe sehr auf die 
Disco-Stücke wie „Groove that Thang“. Was bevorzugst du?

ROCK!!! Singe ich auch live am liebsten: I WAS BORN TO PERFORM! (lacht schallend) I AM THE MASTER OF DESASTER! Weißt du was? Wir sollten ein Duett singen. Ja, wirklich, das sollten wir!

Ok, wenn du in der Nähe bist, komme ich zum Konzert! Welche sind denn deine Lieblingsstücke vom neuen Album? Damit ich mich vorbereiten kann ...

Ahhh, ganz klar: „Ordinary“ und „What Time is it Till Love“!

Wie entstehen deine Songs? Gehst du ins Studio und singst einfach los?

Weißt du, ich bin mit dieser Last geboren worden, sie ist mir auferlegt …

Du empfindest deine Begabung und deine Stimme als eine Last?

Ja, auf jeden Fall! Als ich eine junge Frau war und in winzigen Clubs in Chicago aufgetreten bin, habe ich unglaublich viel Scheiße erlebt. Ich bin im freien Fall abgestürzt und niemand hat mir geholfen. Künstler werden überall ausgenutzt und missbraucht! Mir war aber auch klar, dass ich nichts anderes machen kann – dass ich singen muss. Inzwischen kann ich mit Stolz zurückblicken und ich liebe, was ich tue. Aber das hat lange gedauert. Ich habe mir oft die Frage gestellt, was ich auf dieser Welt soll, wenn ich ja doch nur abgezockt werde. Zum Glück betraf mein Kummer immer nur die berufliche Seite, nicht die persönliche.

Wie kam es zu dem Song „Hoarderers“, einem Stück über Messies, die ihre Wohnungen verkommen lassen?

Hahaha! (lacht schallend) Weißt du, ich finde überall auf der Welt Freunde … Freunde zum Rauchen, haha! Da war dieser Typ mit dieser unglaublich unordentlichen Wohnung – ich dachte, das gibt’s doch nicht! Dann habe ich eine Fernsehsendung über Messies gesehen und mir fiel auf, dass ich viele Leute kenne, die irgendwelches Zeug sammeln und alles vollstellen, so dass man nicht mehr in ihre Bude reinkommt. Ihr seid alle HOARDERER! (lacht)

Ich versuche mir vorzustellen, wie es ist, wenn Marla Glen in  meinem Flur steht und befiehlt, dass ich erst mal aufräumen und putzen muss, bevor sie reinkommt!

(lacht) Ja, genau!

Wie stehst du zum Begriff queer – kannst du dich damit identifi­zieren?
Ach weißt du, egal wie man uns nennt, lesbisch, bisexuell, gay, wie auch immer – das kommt mir alles seltsam vor. Ich nenne mich selbst „Androgynist“ – sind wir das nicht alle? Androgynist passt zu mir, es sagt am besten aus, wer wir sind, mit welchen Voraussetzungen wir geboren sind … und wenn eure Leserinnen wissen wollen, was ich zwischen meinen Beinen trage: Ich habe für jeden Wochentag die passende Unterhose, eine für Montag, eine für Dienstag, und so weiter … (lacht!)


Album (2019) „Unexpected“ (Soulfood/Believe Digital) als CD und LP

www.marlaglen.net

Dieser Text erschien zuerst in der Print-Ausgabe von L-MAG März/April 2020. Hier bestellbar.

 

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Kolumne von Karin Schupp

Jeden Freitag hier auf l-mag.de: K-WORD, News aus der Lesbenwelt. Gefunden, ausgewählt und geschrieben von L-MAG Klatschreporterin Karin Schupp.
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