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Die Versorgungslücke ist weiblich

Wer nicht frühzeitig vorsorgt, bekommt wie zu Lebzeiten auch im Alter viel weniger als Männer. Gerade ältere, unverheiratete Lesben geraten in die Falle der Altersarmut

Illustration: Julia Bernhard Eine bedingungslose Grundrente, wäre das die Lösung gegen Altersarmut?

Dieser Artikel erschien zuerst in der November/Dezember-Ausgabe von L-MAG. Das Heft kann auch ganz einfach als E-Paper erworben werden.

07.11.19 – Rundum sorglos dem Lebensende unter Palmen entgegen sehen, wenn das Erwerbs­leben beendet ist? Von wegen. Eine kurze Umfrage im Freundinnenkreis ergab: Von neun Befragten betreiben nur drei eine drei­teilige Altersvorsorge, wie sie allgemein empfohlen wird, also neben der gesetzli­chen oder berufsständischen Altersvorsorge noch eine kapitalgedeckte und eine private. Drei der Befragten nutzen immerhin zwei der Möglichkeiten, die restlichen drei nur die gesetzliche.

Das Geld dürfte also bei einigen von ihnen im Alter unter Umständen knapp werden. Und wer sich spätestens mit Mitte 30 nicht um seinen Kontostand im Alter kümmert, hat vermutlich eine kaum auszugleichende Versorgungslücke.

Frauen bekommen 26 Prozent weniger Rente als Männer

Klar, wir alle kennen das vermutlich von uns selbst oder von Freundinnen: Das Thema ist sperrig, gerade ist kein Geld zum Zurück­legen übrig, macht man später, hängt ja auch von der Versorgung durch die Partnerin und gemeinsamen Zukunftsplänen ab, ... - alles schon gehörte Ausflüchte. Fatal, denn Frauen erhalten laut einer bislang unver­ öffentlichten Studie der Universität Mann­heim und der niederländischen Tilburg University, welche die Fondsgesellschaft Fidelity in Auftrag gegeben hatte, im Schnitt 26 Prozent weniger gesetzliche Rente als Männer.

Diese Lücke ist vor allem ge­schlechtsspezifisch, weil Frauen immer noch weniger verdienen als Männer. Und bei Mut­terschaft reduzieren noch immer die meisten Frauen für die Kindererziehung ihre Arbeits­zeit und haben damit im Alter geringere Rentenansprüche. Bis zum Alter von 35 gebe es keinen bemer­kenswerten Unterschied. Aber danach öffne sich die Schere: Frauen im Alter von 36 bis 45 Jahren erwerben der Studie zufolge um 15 Prozent geringere Ansprüche aus der ge­setzlichen Rentenversicherung als Männer. Bei den 46­ bis 55­-Jährigen seien es sogar 27 Prozent. Das macht monatlich mindes­tens einen Unterschied von 140 Euro gegen­ über Männern aus.

Hinzu kommt, dass ein Studium im Gegensatz zu anderen Ausbil­dungen keine Rentenpunkte bringt. Akade­mikerinnen fangen also noch mal später an, sich mit ihrer Altersvorsorge auseinanderzu­setzen. Im Gegensatz zu Männern betreiben Frauen generell, bevor sie das 30. Lebensjahr erreicht haben, eher gar keine private Vor­sorge oder lassen sich einen Rentenbescheid zuschicken, um ihre spätere, wahrscheinliche Versorgungslücke auszurechnen.

Männliche Finanzplanung

Nicht nur in der Politik, die solche Gesetzes­lagen entscheidet, sitzen mehrheitlich Männer, sondern auch in der Finanzbera­tung. Und da liegt das nächste Problem: Fehlendes Selbstbewusstsein und Bevormun­dung durch "mansplaining" (Männer erklären Frauen mal wieder die Welt) sorgen für Einschüchterung. Es gibt zwar eine Menge Ratgeber­-Literatur zu Finanzplanung und Altersvorsorge, auch speziell für Frauen.

Aber wer hat Lust, sich da durchzuwühlen, wenn die Einbände alle schreiend pink oder rosa sind und Titel tragen wie "Damit Sie sich keinen Millionär angeln müssen"? "Gespräche im Finanzcoaching laufen ver­mutlich nicht immer auf Augenhöhe ab", sagt die Vermögensberaterin Julia Dillen­burger aus Fulda. "Die Frauen fühlen sich dann nicht in ihrer Situation abgeholt, sind eher überfordert mit dem Thema und schieben es deswegen auf."

In lesbischen Paar­-Konstellationen mit Kind sei das Problembewusstsein eher da und die Aufgabenverteilung tendenziell ausge­glichener: "Elternzeiten werden gleich­ mäßiger aufgeteilt, meist sind beide beruf­lich erfolgreich und die Akzeptanz für die Kombination von Karriere und Familie so­ wie der gegenseitige Respekt dafür ist ein anderer als in Hetero-­Konstellationen", erklärt Dillenburger. Allerdings habe sie auch Frauenpaare in ihrem Kundenstamm, bei denen eine der beiden deutlich mehr verdiene und die andere sich mit der "klassi­schen" Frauenrolle gut identifiziere und sich sozusagen aushalten lasse.

Das mag für jüngere Frauenpaare, die die Hälfte ihres Berufslebens noch vor sich haben und oft gemeinsam ihre Finanzen ordnen, um im Alter gut versorgt zu sein, also kein Problem darzustellen. Zumal, wenn sie in einer Eingetragenen Lebens­partnerschaft oder einer Ehe leben. Denn der Rentenanspruch für gleichgeschlechtli­che Ehepaare wurde 2013 gleichgestellt. Das heißt, Ehepartnerinnen profitieren beim - stark umstrittenen - Ehegattensplit­ting von einer Zusammenveranlagung bei der Einkommensteuer und zahlen weniger Steuern, als wenn sie als Einzelpersonen veranlagt werden.

Diese Regelung konnte nach der Entscheidung durch das Bundesver­fassungsgericht auch bis 2001 rückwirkend in Anspruch genommen werden. Zudem greift bei Lebenspartnerschaft und gleich­ geschlechtlicher Ehe die sogenannte Hinter­bliebenenrente (auch Witwenrente) im Todesfall einer der Partnerinnen. All diese Regelungen treffen aber auf ältere lesbische Frauen nicht zu. Sie sind also doppelt be­nachteiligt, beziehungsweise in höherem Maße als ihre heterosexuellen Altersgenos­sinnen, die verheiratet waren. Daher unter­liegen sie nach Schätzung von Expertinnen teilweise einem höheren Armutsrisiko.

500.000 lesbische Rentnerinnen leben momentan in Deutschland

Der Dachverband Lesben und Alter e. V. macht schon lange auf das Problem aufmerk­sam: "Ältere lesbische Frauen haben selten eine Absicherung durch einen Ehemann oder durch eine gute Witwenrente und leben im Alter oft allein. Sie sind darauf angewie­sen, ihren alleinigen Lebensunterhalt mit ihrer Rente zu bestreiten. Und das ist mit der Grundsicherung kaum zu erreichen", hieß es etwa schon Anfang letzten Jahres war­nend nach den Sondierungen für die neue GroKo.

Denn die regelmäßige Rentener­höhung sei schon lange von der durchschnitt­lichen Gehaltsentwicklung abgekoppelt. Und der Anteil an lesbischen Rentnerinnen steigt. Der Dachverband geht aktuell von mindes­tens 500.000 aus, die älter als 65 Jahre sind. Wer als lesbische Frau keine Chance hatte, in den 1950er­ und 1960er Jahren zu sparen, stehe jetzt ziemlich schlecht da. Daher spricht sich der Dachverband für eine be­dingungslose Grundrente aus, die sich unter verschiedenen Kriterien nach einer Lebens­arbeitszeit richtet.

Dafür ist auch die SPD­ Familienpolitikerin Leni Breymaier. Ihrer Meinung nach gehöre außerdem das Ehegat­tensplitting abgeschafft, denn es begünstige weiterhin eine Schieflage für alle Frauen bei der gesetzlichen Rente. Eine Grundrente für Frauen müsse es ohne Bedürftigkeitsprüfung, unabhängig von der Rente der Partnerin oder des Partners geben. "Durch das Ehe­gattensplitting wird belohnt, dass eine Frau wenig arbeitet oder ganz zu Hause bleibt." - vor allem, wenn der Partner oder die Partnerin wesentlich mehr verdiene. "Aber wenn ich 35 Jahre gearbeitet habe, egal ob Erwerbsarbeit, Kindererziehung oder Pflege, dann muss ich auf jeden Fall am Ende eine Rente haben, bei der ich nicht zum Amt gehen muss."

Leider, so stellen Breymaier wie auch der Dachverband Lesben und Alter fest, sei das Thema "geschlechtergerechte Rente" politisch nicht sehr populär. Vermögensberaterin Dillenburger glaubt nicht, dass lesbische Frauen unbedingt einem größeren Risiko unterliegen, in Altersarmut zu geraten. "Ich sehe eher, dass lesbische Frauen besser abgesichert sind als heterosexuelle." Daher ist sie sich auch unsicher, ob eine bedingungslose Grund­rente für Frauen, wie sie der Dachverband Lesben und Alter und Leni Breymaier fordern, nötig wäre.

"Das müsste man individuell prüfen. Aus meiner Sicht sind es eher die Mütter, die ein massives Altersver­sorgungsproblem haben." Das wiederum spräche für ein Familiensplitting, von dem auch Regenbogenfamilien profitieren. Das wäre nach der Ehe­öffnung ein konse­quenter Schritt.

// Kerstin Fritzsche

 

 

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