Ein rebellischer Kampfbegriff
In feministisch-queeren Kreisen haben sich die Kürzel FLINT oder FLINTA etabliert: für Frauen, Lesben, trans, inter und nicht-binäre/agender Personen. Denn diese Gruppen haben einiges gemeinsam – und können viel gewinnen, wenn sie sich zusammen tun
Von Paula Perschke
Um mir eine feministische und queere Terminologie anzueignen, die ich heute liebevoll als "Regenbogenalphabet" bezeichne, musste ich erst aus meinen Identitätskinderschuhen herauswachsen. Mittlerweile bin ich 34 Jahre alt und lerne ständig neue Begriffe. Manchmal kann das ganz schön überfordernd sein, weil viele Diskussionen über Gender, Identität und Sexualität dynamisch, zuweilen auch emotional sind - und oft eine Menge Wissen voraussetzen.
Neue queere Theorien
Manchmal beschleicht mich das Gefühl, dass ich mit Mitte 20 in eine Art zweite, queere Pubertät kam. Dabei war ich längst keine Baby-Dyke mehr, sondern schon eine stabile rebellische Lesbe. Ich kannte immerhin die Begriffe lesbisch, schwul und bi. Über mehr hatte ich mir kaum Gedanken gemacht, dabei war ich zu dieser Zeit künstlerisch viel mit den Biografien widerständiger und unangepasster Frauen beschäftigt, insbesondere in Literatur, Musik und Theater.
Wer oder was Frauen alles sein können, kam mir nicht in den Sinn. Ich hing damals noch nicht so viel im Internet rum, wie ich es heute tue, und war auf öffentliche Bibliotheken und den Austausch mit anderen Queers angewiesen, die sich damals noch nicht explizit so bezeichneten.
Das ist alles gar nicht so lange her. Mir scheint, als sei die queere Wissensproduktion durch die Schwarmintelligenz im Netz, neue queere Theorien und die Diskussionen in den letzten fünf Jahren rasant beschleunigt worden.
Wer ist Lesbe? Wer ist Frau?
Vielleicht wurde ich auch erst in den letzten fünf Jahren in den Bann der Diskussionen gezogen. Mit Ende 20 habe ich zum ersten Mal von FLTI gehört und fand den Begriff spannend: Frauen, Lesben, inter und trans Personen.
Dabei fiel mir zunächst auf, dass Frauen und Lesben nebeneinander gereiht wurden. Stimmt, dachte ich mir: Nicht alle Frauen sind Lesben und nicht alle Lesben sind Frauen. In meinem Kopf fingen gewaltige Steinlawinen an zu rollen. Wer gehört dazu? Wer ist Lesbe? Wer Frau?
Heute verwende ich den erweiterten Begriff: "FLINT". Das Akronym steht für: Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre und trans Personen. Was die genannten Personengruppen innerhalb dieser Reihung heute wie damals eint, ist die gemeinsame Erfahrung, aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität täglich patriarchaler Unterdrückung und Diskriminierung ausgesetzt zu sein.
Geschlechtsbedingte Diskriminierung als "kleinster gemeinsamer Nenner"
Heißt: FLINT erleben - anders als cis Männer - strukturbedingt Sexismus und Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts. Diese ständige Erfahrung macht sie zu einer vulnerablen, also einer verletzlichen Gruppe.
Doch nicht nur das, auch ein gemeinsames Anliegen - nämlich feministische Kämpfe! - sind wichtiger Bestandteil der Definition von FLINT. In anderen Zusammenhängen wird die Begriffsreihung sogar noch um ein "A" ergänzt, dabei wird oft fälschlicherweise angenommen, dass der Buchstabe für "Ally" (Verbündete:r) steht. "A" steht in diesem Sinne für "agender", also Personen, die sich gar keiner Geschlechtsidentität zugehörig fühlen.
Demos, Aktionen, Schutzräume
FLINTA grenzt sich klar von cis-Männlichkeiten ab. So kommt es gerade bei Demonstrationen für feministische Belange oder auch in queeren Bars zu der Forderung: "FLINT only!" Cis-Männer können dann einfach mal zu Hause bleiben oder überlegen, wie sie sich sonst nützlich machen können. Manche Workshops oder Räume werden als FLINT-Räume gelabelt, weil sie als Safe Spaces funktionieren sollen, in denen sich betroffene Personen sicher fühlen, sich verbinden oder einfach zusammen abhängen können.
FLINT ist also ein rebellischer Kampfbegriff, ein kleiner Schirm unter dem großen bunten Regenbogen.
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