Ende gut, alles Blut?
Handelsübliche Tampons und Binden produzieren Müll und kosten viel Geld. Wiederverwendbare Alternativen sind im Kommen. Doch was taugen sie? L-MAG wagt den Selbstversuch
Dieser Text erschien zuerst in der Juli/August-Ausgabe, hier erhältlich.
30.07.19 – Ich bin voreingenommen. Bereits bevor ich meinen Selbsttest gestartet habe und die erste bunte Silikontasse oder das erste blumenbemusterte Stoffröllchen in mich eingeführt habe, bin ich begeistert davon, dass es immer mehr alternative Mens-Produkte gibt. Aus zwei Gründen: dem kulturellen und dem ökologischen. In Liv Strömquists großartigem Comic "Der Ursprung der Welt" (2017) widmet sich ein Kapitel dem Menstruationstabu, das unsere nach außen hin so aufgeklärte Gesellschaft noch immer prägt. Wer kennt nicht die Werbespots mit der blauen Ersatzflüssigkeit, das verschämte Fragen nach einem Tampon im Büro oder anderswo und den stets abwertend gemeinten Spruch "Die hat wohl ihre Tage"?
Der Begriff "Tabu" ist vom polynesischen "Tapu" abgeleitet, steht unter anderem für "heilig" und bezieht sich auch auf Menstruation. Bevor die großen patriarchalen Religionen erfunden wurden, reagierten die Menschen auf den weiblichen Zyklus vermutlich nicht mit Ekel, sondern mit Ehrfurcht, war er doch Zeichen einer göttlichen Kraft. Religiöse Kultstätten zeigten menstruierende Frauen. Doch dann breiteten sich die Weltreligionen aus und überboten sich förmlich in der Abwertung des Weiblichen: Frauen, Vulven und Blut – alles tabu. Viele Orthodoxe und Konservative unterschiedlichster Glaubensrichtungen sind sich bis heute in einem Punkt einig: Blutende Frauen seien unrein. In manchen Gegenden werden Menstruierende sogar in Hütten von der Außenwelt abgesondert. Selbst in meiner atheistisch geprägten Jugend hieß es, die Sahne wird nicht steif, wenn man seine Tage hat. Oder die Milch wird sauer und die Dauerwelle hält nicht. Daher finde ich es jetzt gut, wenn das kulturelle Tabu aufgekratzt, die monatlichen Umtriebe der Gebärmutter wieder sichtbarer werden. Es ist nur Blut. Komm drüber weg, Patriarchat!
Wie öko sind Binden und Co.?
Ökologisch sind herkömmliche Hygieneartikel die Hölle: Die Watte für Tampons, Slipeinlagen und Binden ist aufwendig gebleicht, deren Baumwollanteil mit Pestiziden behandelt. All diese Produkte sind mit dünnem Kunststoff aus Erdöl überzogen, dazu meist plastikverpackt. Nichts davon ist in den nächsten 500 Jahren biologisch abbaubar. Jeder Tampon, den ich im Laufe meines Lebens verwendet habe, gammelt noch irgendwo vor sich hin. Der Fall ist klar: Es muss mehr Nachhaltigkeit ins Höschen. Inzwischen gibt es glücklicherweise eine Reihe von Angeboten, die genau das versprechen. Mehrere Freundinnen und Freunde von mir schwören auf auswaschbare Cups, vom Transmann bis zur Cis-Lesbe (Personen, deren Geschlechtsidentität mit dem bei Geburt zugeordneten Geschlecht übereinstimmt, Anm. d. Red.). "Du wirst sie lieben!", heißt es von allen Seiten. Die Vorteile: Im Idealfall halten die gummiartigen Becherchen länger als ein Tampon, sie trocknen die Schleimhäute nicht aus und bestehen aus körperfreundlichem Material wie Latex oder medizinischem Silikon.Und kein Faden schaut irgendwo raus.
Sport, Sauna, Schwimmen - alles kein Problem. Nur ein wenig Übung gehört dazu, sagen mir alle, und das steht auch im Begleitheftchen der formschönen pinken Silikontasse von Fun Factory, meinem ersten Testobjekt. Optisch erinnert sie etwas an ein Sextoy, was mir sofort Lust aufs Ausprobieren macht. Ich knautsche den Fun Cup wie vorgeschrieben zusammen und setze die Tasse ein. In der Vagina entfaltet sie sich und bildet ein bombensicheres Vakuum, an dem kein Tröpfchen Blut vorbeikommt. Alles super. Bis ich den Cup irgendwann herausholen möchte. Denn der sitzt - tja, bombensicher. Nun hält der optisch ansprechende Fun Cup keinen Stiel oder Ring zum Herausziehen bereit, sondern nur einen zart vorstehenden Nippel, den es zu greifen gilt. Durch das leichte Eindrücken soll sich angeblich das Vakuum lösen, die Tasse manövrierbar werden.
Übung macht die Meisterin
Gar nicht so leicht, wenn das Ding gefühlt direkt vorm Muttermund festklebt. Nach langem Stochern mit zwei Fingern, intensivem Zerren und tiefem Atmen überm Badewannenrand erscheint mir der Name "Fun Cup" doch recht euphemistisch gewählt. Am nächsten Tag lasse ich mich im Sexshop meines Vertrauens beraten und erfahre, dass der Fun Cup dort eher fortgeschrittenen Nutzerinnen empfohlen wird. Entschlossen greife ich nun zum Ruby Cup, einer durchsichtigen Glocke mit langem, gut geriffeltem Stiel. Auch hier ist der Weg in den Unterleib kein Problem. Nur zurück ans Tageslicht will Ruby nicht. In der Anleitung steht: entspannen und Bauchmuskeln benutzen. Was ich nach Kräften versuche. Irgendwann gibt die Tasse mit einem lauten "Plopp!" auf. Ich musste sowieso mal wieder die Badewanne putzen.
Weil ich diesen unbefriedigenden Testverlauf aber nicht auf mir sitzen lassen will, gebe ich dem Ruby Cup noch zwei weitere Chancen. Leider mit dem gleichen Ergebnis. Ich empfinde es außerdem als sehr gewöhnungsbedürftig, mir außerhalb eines sexuellen Kontextes Dinge mit einem gewissen Durchmesser aus dem Vaginalkanal zu "rupfen". Aber: Jeder Körper ist anders. Wie leicht oder schwer ein Cup zu benutzen ist, hängt mit der Länge und Beschaffenheit des Kanals zusammen, mit der umliegenden Muskulatur, mit der Größe, Form und Festigkeit der jeweiligen Mens-Tasse. Jede Gebärmutterbesitzende muss das am eigenen Leib ausprobieren. Ich ziehe mich vorerst mit folgender Erklärung aus der Affäre: Nach zehn Jahren Pilates ist meine Beckenbodenmuskulatur zu gestählt, um einen Cup einfach so wieder herzugeben - zu viele Muschi-Muckis.
Für solche Fälle gibt es ja waschbare Binden, wiederverwendbare Soft Tampons oder Naturschwämme. Die von mir getesteten Stofftampons der schwedischen Firma ImseVimse sind so was wie die selbstgedrehte Zigarette unter den Hygieneartikeln. Mit Blumen und Vöglein bedruckte Stoffbahnen werden aufgerollt und wie reguläre Tampons verwendet, komplett mit Rückholbändchen. Während selbst entworfene Stofftampons und -binden in vielen Weltregionen für Frauen ohne Zugang zu teuren Hygieneprodukten die einzige Lösung sind, verströmen sie hier ein stark alternatives Do-it-yourself-Flair. Der Stoff fühlt sich beim Einführen etwas rau an, die Saugkraft begrenzt, danach müssen die Röllchen ausgewaschen und getrocknet werden. Für unterwegs sind die Eigenbau-Tampons nicht wirklich praktisch, auch der reine Tragekomfort war bei den Cups zuvor eindeutig besser.
Free bleeding: einfach laufenlassen?
Bleibt noch die sogenannte "Period Panty" namens ooshi, ein Schlüpfer mit saugfreudiger Stoffzone im Schritt. Das Menstruationshöschen gibt es in Schwarz und mit oder ohne Spitze. Eine Butch-kompatible Boxershorts-Variante steht noch aus. Ooshi verspricht bis zu drei Normaltampons an Flüssigkeit schlucken zu können. Ich teste sie beim mehrstündigen Sonntagsspaziergang, vorsichtshalber ziehe ich dazu eine schwarze Leggins an. Was klug war. Denn es kann schon sein, dass ooshi einiges klaglos geschluckt hat, dem Heimweg auf dem Fahrradsattel hat sie nicht standgehalten. Das Prinzip "Periodenschlüppi" ist zwar prima, aber nur, wenn die Tage nicht mehr allzu stark sind und man nicht ausgerechnet Radrennen fährt. Was mich zur letzten Variante für Menschen mit Menstruationshintergrund bringt. Free Bleeding - Freies Bluten. 2015 ging die Musik-Produzentin und feministische Aktivistin Kiran Gandhi beim London-Marathon an den Start und ließ es einfach laufen. 42 Kilometer gegen das Menstruationstabu.
Ich weiß nicht, ob ich mich irgendwann noch einmal an die Cups wagen werde, die mir in der Theorie so gut gefallen haben, in der Praxis leider nicht. Was ich aber vorhabe: Bio-Tampons anschaffen. Die sind stressfrei und zum großen Teil kompostierbar. Und auch gut tragbar für Leute mit ultragestählten Vulva-Muckis.
//Kittyhawk
Fun Cup:
www.funfactory.com
Ruby Cup:
www.rubycup.com
Wiederverwendbare Tampons:
www.imsevimse.de
Bio-Tampons:
www.thefemalecompany.com
Periodenunterwäsche:
www.ooshi-berlin.de
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