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Gruppe „Golden Girls“: „Wir wollen dem lesbischen Alter ein Gesicht geben“

Andrea Bothe

Von Nina Süßmilch

10.11.2022 - In der US-amerikanischen Fernsehserie „Golden Girls“ verkörperte Betty White viele Jahre lang die fiktive Figur Rose. Rose war Unterstützerin von LGBTIQ*-Rechten und Feministin, ohne sich selbst so zu bezeichnen. Auch vielen aus der jüngeren Generation ist die legendäre Serie um die vier älteren Freundinnen in Florida ein Begriff. Die „Golden Girls“ unter dem Dach der Kölner Organisation rubicon wünschen sich genau das: Sichtbarkeit und als lesbische Gruppe im Alter 50+ fest in der queeren Szene verankert zu sein. Seit Jahren zeigt die Gruppe sich deshalb auf dem CSD. Betty Thie und Brigitte Häder sind beide seit vielen Jahren aktiv bei den „Golden Girls“. Den CSD und den Dyke March bezeichnen sie als die wichtigsten jährlichen Events, bei denen sie ganz vorne mitlaufen.

„Wie eine Ersatzfamilie“

In diesem Jahr feiern die „Golden Girls“ bereits ihr 20-jähriges Jubiläum. Alles fing im Januar 2002 auf Initiative einer Kölner Lesbe an, die zu einem Stammtischtreffen an jedem zweiten und vierten Montag im Monat aufrief. Die Treffen sind seitdem konstant geblieben. Selbst durch die Zeit der Pandemie hindurch hielten die Frauen Kontakt, riefen einander an oder trafen sich per Zoom. Sie unterstützen sich bei Krankheit und in schwierigen Situationen, unternehmen gemeinsame Ausflüge und Kinoabende. „Für mich sind die Golden Girls wie eine Ersatzfamilie. Sie sind die wichtigste Bezugsgruppe, die ich habe“, beschreibt Brigitte Häder ihre Verbindung zu den anderen. Sie ist seit dem ersten Treffen dabei, eine „Frau der ersten Stunde“. Viele der insgesamt 45 Frauen sind heute Anfang 70. Sie gehören damit zur Generation der ersten großen Emanzipationsbewegung in Deutschlands jüngerer Geschichte, die bis heute für lesbische Sichtbarkeit kämpft.

Andrea Bothe

Im Alter wird es für viele der Frauen, die für ihr Outing damals zum Teil noch juristische Konsequenzen fürchten mussten, wieder schwieriger. Manche verlieren ihre Partnerin, andere haben sich erst spät geoutet und vielleicht keine eigene Familie. Altern, Pflege und Wohnen wird im Normalfall vonder Mehrheitsgesellschaft ausgedacht und bietet queeren Menschen kaum Platz. Deshalb sucht das rubicon Kontakt zu Trägern, Gruppen und Vereinen der Altenhilfe, sensibilisiert Pflegeeinrichtungen für die Bedarfe der Communitys und organisiert Workshops.

Der älteren Lesbengeneration haben wir viel zu verdanken

Den „Golden Girls“ geht es inzwischen auch darum, daran zu erinnern, was man der älteren Lesbengeneration zu verdanken hat. Auch hier fordern sie Sichtbarkeit ein. „In den aktuellen LGBTIQ*-Debatten finde ich es oft undurchsichtig und man hat das Gefühl, dass die einen gegen die anderen kämpfen. Die Lesben werden so ein bisschen weggedrückt. Das geht nicht. Wir müssen zusammenhalten“, findet Betty Thie. Auch Andrea Bothe, Netzkoordinatorin bei rubicon findet, dass es mehr Schnittpunkte zwischen der jüngeren und der älteren Generation geben könnte.

Es braucht mehr gemeinsame Treffpunkte

Seit 2003 existiert kein Schwulen- & Lesbenzentrum mehr in Köln. So fehlen heute gemeinsame Treffpunkte. „Auch wenn das trivial ist, aber es ist ein wichtiger Faktor: Wir brauchen einen Ort,an dem alle zusammenkommen können“, erklärt Andrea Bothe. Perspektivisch will man sich stärker auf den Austausch zwischenden Generationen konzentrieren. Eines der bereits gut etablierten Formate ist das „Erzählcafé“, das immer wieder an verschiedenen Orten stattfindet, kürzlich im Jugendzentrum „anyway“. Und eben auch der CSD bleibt ein wichtiges Event. Denn es ist einer der wenigen Orte, an dem die verschiedenen Generationen aufeinandertreffen könnten.

Kündigungsgrund: lesbisch?

Rubicon bespielt inzwischen einen acht Meter großen Stand auf dem CSD. Die Frauenvon den „Golden Girls“ sind ein fester Bestandteil. Auch bei Veranstaltungen des internationalen Frauentages oder bei „One BillionRising“ sind sie stets mit dabei. Oftmals fehle es an Vorbildern, und die „Golden Girls" leisteten hier einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarkeit, erklärt Andrea Bothe. „Ich wollte wissen, wie das Altern geht“, beschreibt Brigitte Häder ihren Wunsch nach Austausch. Sie erinnert sich an das ersteTreffen vor 20 Jahren. Fünf Personen seien sie damals gewesen. Die studierte Sozialpädagogin war eine zeitlang bei einem katholischen Orden. Danach hat sie bei einem Kirchenträger gearbeitet. „Die durften nicht wissen, dass ich lesbisch bin. Das wäre ein Kündigungsgrund gewesen“, berichtet Brigitte Häder.

Niemand wird allein gelassen

Nachdem sie in Rente ging, war dann plötzlich Zeit für mehr soziale Kontakte und sie musste niemandem gegenüber mehr ihre sexuelle Orientierung verschweigen. Der Ruhestand als Zeit der Befreiung oder als Zeit, die mit der Gefahr von Einsamkeit und mit Rückzug verbunden ist? Beim Stammtisch der „Golden Girls“ können ältere Lesben Halt und Gemeinsamkeiten finden. Auch bei finanziellen Schwierigkeiten hilft man sich untereinander. Altersarmut ist bei den Frauen kein seltenes Thema. „Es wird keine alleine gelassen“: So lautet nicht umsonst der Wahlspruch von Betty Thie.

 

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