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Karin Hanczewski: „Queere Geschichten mit Selbstbewusstsein erzählen"

Die neue Serie „Call My Agent Berlin“ (Disney+) nimmt die deutsche Filmwelt aus Sicht einer Schauspielagentur unter die Lupe. Mit dabei: Karin Hanczewski als knallharte, lesbische Agentin. Wir haben mit der queeren Schauspielerin gesprochen.

Disney Sascha (Karin Hanczewski, r.) mit ihrem Chef und Iris Berben

Erschienen in der L-MAG-Ausgabe 5-2025 (Sep./ Okt.)

Von Kerstin Rudat

Bei Disney+ startete am 12. September Call my Agent Berlin, das deutsche Remake der französischen Serie Dix pour cent. In zehn Folgen geht's um das Überleben der Schauspielagentur Stern, nachdem ihr Gründer unerwartet gestorben ist. Hochkarätige Gaststars wie Moritz Bleibtreu, Katja Riemann, Iris Berben oder Frederick Lau spielen sich selbst, im Zentrum stehen jedoch die Mitarbeitenden, die ihren privaten Alltag um die Extrawünsche ihrer Klient:innen herumjonglieren müssen. Dazu gehört auch die knallharte, lesbische Agentin Sascha, gespielt von Karin Hanczewski (bekannt aus dem Dresdner Tatort). Wir haben mit der queeren Schauspielerin gesprochen.

L-Mag: Karin Hanczewski, das französische Original der Serie lief sehr erfolgreich über mehrere Staffeln, unter anderem auf Netflix, und wurde mit einem Emmy für die beste Comedy-Serie ausgezeichnet. Was hat dich bewogen, beim deutschen Remake mitzumachen?

Karin Hanczewski: Ich finde das französische Original toll! Die Serie ist humorvoll und unterhaltsam, und ich habe mich total in die Figuren verliebt! Ich mag, mit welcher Leidenschaft die Agent:innen mit dem Alltagschaos in der Agentur umgehen, während sich in jeder Folge Stars auf die Schippe nehmen. Es geht um große Emotionen, Glamour - dann aber auch das „piefig“ Kleine, die Eitelkeit, die Lüge, das Scheitern. Denn oftmals sind die Dinge überhaupt nicht so glamourös in der Filmbranche. Und ich fand meine Rolle extrem spannend und vielschichtig. Sie ist so wunderbar angriffslustig und leidenschaftlich. Es ist lustig und sexy zugleich.

Wie wichtig ist dir dabei, dass die Rolle auch lesbisch angelegt ist?

Was ich an Sascha mag, ist, dass sie frei mit ihrer Lust umgeht. Sie hat Affären, sie findet Frauen toll und geht damit so selbstverständlich um, wie es nur geht. Über die Folgen hinweg entwickelt sich auch eine Liebesgeschichte. Ich finde es wichtig, dass das selbstverständlich stattfindet und nicht problematisiert wird. Nicht von ihr und auch nicht von anderen. Wenn ich selbst Filme oder Serien gucke, freue ich mich, wenn queere Liebe ganz selbstverständlich erzählt wird, nicht aus der Perspektive des Schmerzes, sondern wie in diesem Fall sogar aus der Perspektive der Lust. Sascha hat Lust an Frauen, sie hat Lust, Frauen zu verführen und von Frauen verführt zu werden.

Es gibt Drehbuchautor:innen und Regisseur:innen, die sagen, die klassische Coming-out-Geschichte müsse auch nicht mehr erzählt werden. Würdest du dem zustimmen?

Ich glaube, es braucht beides. Man muss auch die anderen Geschichten erzählen, weil es immer noch Gewalt gegen queere Menschen gibt, auch hier in Deutschland. Trotzdem findet das queere Leben ja auch ganz normal statt – man geht seinem Alltag nach, kümmert sich um seinen Beruf, die Kindererziehung – so wie alle anderen auch. Wenn wir Queersein immer als Problem darstellen, uns als Opfer, das Leben nur schmerzhaft dargestellt wird, dann produzieren und reproduzieren wir dieses Schmerzhafte. Wir müssen Geschichten mit Selbstbewusstsein erzählen. Ohne Scham für die eigene Identität und das eigene Begehren. Und genau das tut Sascha. Sie setzt sozusagen den Status Quo: Das hier ist genauso normal wie alles andere.

Aber das hat doch auch mit Macht zu tun. Sascha ist beruflich in der Position, dass sie entsprechend agieren kann.

Das ist die Frage. Sie ist trotzdem eine Frau innerhalb der Filmbranche. Da hat sich zwar einiges gewandelt, aber nicht ohne Grund gibt es Quoten, weil auf vielen Macht-Positionen weiterhin Männer sitzen.

Disney No Spoiler, aber auf diesem Cast-Foto befindet sich auch Saschas Love Interest...

Da sind wir bei Act Out, das du vor vier Jahren mit initiiert hast: ein kollektives, öffentliches Coming-out von 184 Schauspieler:innen. Haben sich die Dinge in der Branche danach verbessert?

Direkt danach gab es schon eine Öffnung und Projekte, die diverser produziert und erzählt waren. Aber ich höre auch viel von anderen, dass es sich teils zurückdreht, gemäß des gesellschaftlichen Backlash, den wir gerade haben. Also dass etwa gesagt wird, jetzt haben wir diese ganzen queeren Geschichten erzählt, was wollt ihr denn noch? Bei mir gab es im ersten Jahr fast nur Anfragen für lesbische Rollen, was ich überraschend fand. Auf der einen Seite schön, auf der anderen Seite auch komisch. Ich dachte: Okay, unsere Initiative wurde teilweise falsch verstanden. Das hat sich in der Zwischenzeit wieder verändert. Was auch passiert ist: Manche Filmemacher:innen haben Diversität in ihren Plan aufgenommen, um einem bestimmten Bild zu entsprechen. Nicht alle waren davon überzeugt. Du musst aber davon überzeugt sein, um wirklich nachhaltig eine Veränderung zu schaffen. „Act Out“ ist auf jeden Fall weiterhin politisch tätig.

Call My Agent Berlin, 10 Folgen, Disney+, seit 12. Sept. 2025

 

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