L-Mag

La Roux: „Ich bin keine Aufreißerin“

La Roux gelang mit „Bulletproof“ ein Super-Hit. Nach ihrem ersten Album folgte eine lange Phase des Rückzugs und der Stille. Zum Start ihrer neuen Platte sprach sie mit L-MAG über Panikattacken, Verletzungen und sexuelle Identität

Andrew Whitton

Von Linus Volkmann

25.4.2020 – La Roux steht für hochästhetischen Retro-Sound, der tief in den 80ern verwurzelt ist. Ihr Hit „Bulletproof“ (2009) war ein Ohrwurm. Ihr Künstlerinnen-Name spielt auf ihre roten Haare an, mit bürgerlichem Namen heißt die Britin Eleanor Jackson, genannt Elly. Zuletzt blieb La Roux aber vor allem ein Gespenst. Beiden bisherigen Plattenveröffentlichungen 2009 und 2014 folgten Phasen des Rückzugs. Der sensiblen La Roux schien das Popbusiness nicht gut zu bekommen – bislang. 2020 gibt es ein neues Album und einen neuer Anlauf. L-MAG sprach noch vor der aktuellen Krise mit ihr über Pop, Panikattacken und sexuelle Identität.

L-MAG: Du bist nach einer langen Pause wieder zurück im Popbetrieb. Hast du nach dieser Entscheidung dein Leben wieder 
komplett im Griff?

La Roux: Total! Heute ging es den ganzen Tag um ein neues Outfit für das nächste Video, alles hat sich verzögert und wenn sich ein Look herauskristallisiert, dann muss der auch noch angefertigt werden, sonst wird man am Ende vor vollendete Tatsachen gestellt und hat etwas auf dem Bügel, das gar nicht der eigenen Idee entspricht. Ein Albtraum! Also natürlich nicht vergleichbar mit den Albträumen, durch die andere gehen müssen … einfach ein Fashion-Albtraum.

In dem neuen Stück „Gullible Fool“ – also „leichtgläubiger Narr“ – fällt auf, dass sich hinter dem vermeintlich leichtfüßigen Popsong eine sehr düstere Geschichte verbirgt.


Es stimmt, der Song beschreibt eine furchtbare Situation, in der ich mich befand. Ich hatte einer Person auf freundschaftlicher 
Basis mein Haus geöffnet und wurde dann sehr schlecht behandelt.

In der Info zur Platte steht, dass du in der Vergangenheit Opfer von Mobbing warst – ist „Gullible Fool“ auch die Verarbeitung dessen?

In der Geschichte des Songs geht es nicht so sehr um Mobbing als vielmehr um Manipulation. Ich will mir und anderen mit dem Text bewusst machen, wie so etwas passieren kann, um mich letztlich davor zu bewahren, dass es sich wiederholt. Man braucht Grenzen und ein geschärftes Bewusstsein, sonst lässt man – wie ich – zu leicht Leute an sich heran, die einem nichts Gutes wollen. Mir ist vor allem wichtig, dass meine Schlussfolgerung sich nicht darin erschöpft, geschockt darüber zu sein, wie sich Menschen verhalten können – sondern dass ich mich in Zukunft besser schütze.

Fühlst du dich jetzt „bulletproof“ – kugelsicher – oder lebst du mit der Angst, dass du wieder in so eine Situation gerätst?

Nein, das passiert mir nicht noch mal! Ich habe mich viel damit auseinandergesetzt und erkannt, dass es immer einen Initialmoment gibt, wenn man von jemanden manipuliert wird. Das ist der wichtige Punkt an dem man selbst erlaubt, dass es mit einem geschieht und das zieht alles andere nach sich. Vielen liegt der direkte Widerspruch einfach nicht, man sagt zu so vielen Dingen „ist schon okay“, die eben nicht okay sind.
Das habe ich erlebt. Dabei gibt es andere Bereiche, in denen es mir überhaupt nicht schwer fällt, „nein“ zu sagen – bei Fashion zum Beispiel. Da bin ich die Erste, die „das geht gar nicht!“ ins Telefon brüllt.

Hat die Funkstille nach deinem Album „Trouble In Paradise“ (2014) auch mit diesen negativen Erfahrungen zu tun?


Ja, daraus ergab sich, dass ich in den letzten Jahren nicht nur ein, sondern gleich zwei Alben fertig gestellt habe. Das eine allerdings entstand in einer Konstellation, in der ich mich letztlich sehr unwohl fühlte. Meine Angststörung wurde schlimmer und ich bekam wieder Panikattacken.
Die Reaktion der Außenwelt ist dann oft, man möge sich mit seiner Angst beschäftigen oder am besten gleich Valium schlucken – aber ich denke, Panikattacken sind ein Ausdruck davon, dass man etwas tut, mit dem man einfach nicht im Reinen ist. Also habe ich die Reißleine gezogen und ein fertiges Album in den Mülleimer verabschiedet, um noch mal ganz von Neuem mit „Supervision“ zu beginnen – und zwar nach meinen Vorstellungen.

Wie ist heute dein Verhältnis zur queeren Szene? Definierst du dich eher als willkommener Gast oder hast du eine eigene Rolle darin für dich gefunden?

Willkommen fühle ich mich auf jeden Fall, meine Musik hat sehr viele Fans in der Gay-Szene. Auf mich persönlich bezogen ist das schon komplizierter … Rückblickend hatte ich das Glück, dass ich mich mit meiner Sexualität in meinem familiären Umfeld und Freundeskreis sehr aufgehoben fühlte. Es gab für mich daher nicht, wie für viele andere, diese große Sehnsucht nach einer neuen Familie, nach der Queer Family, um mich angenommen zu fühlen.
Außerdem bin ich nicht so der Typ, der auf andere zugeht – und, wenn ich es recht überlege, mag ich genauso wenig, wenn andere den ersten Schritt machen. Ich bin also überhaupt keine Aufreißerin, kein Szenetyp ... Ich muss sogar gestehen, dass ich noch nie in einer Lesbenbar war. Es gab einfach keine Veranlassung – ich war in einer zehnjährigen Beziehung. Es hat mich nicht dorthin gezogen.

Man hört an deinen Formulierungen auch, dass du dich bedeckt hältst bei dem Thema deiner Sexualität.

Ich bin offensichtlich eine sehr androgyne Person und ich verliebe mich in Frauen. Ich besitze auch bisexuelle Neigungen, aber ich habe mich noch nie in einen Mann verliebt. Ich bin einfach keine Freundin von Zuschreibungen, ich benutze sie bloß, damit man nicht denken muss, ich kann nicht zu mir und meiner Sexualität stehen.
Da ich aber auch ein sehr privater Mensch bin, kommt immer wieder das Missverständnis auf, dass ich mich möglicherweise für meine Sexualität schäme. Dabei ist das Gegenteil der Fall, ich schäme mich nicht für sie, ich nehme mich komplett an.

Was gibt man von sich preis, wo will man sich schützen – das ist auch ein großes  Thema der neuen Platte.

Das stimmt – und weil die neuen Stücke so nah an meinen emotionalen Situationen und Beziehungen dran sind, ist es mir wichtig, darüber zu sprechen. Nicht ganz freiwillig, aber es wäre ein viel größer Aufwand, jetzt um all diese persönlichen Themen immer drum herum zu reden oder andere über mich spekulieren lassen.

www.laroux.co.uk

Dieses Interview erschien zuerst in der März/April-Ausgabe, hier bestellbar als E-Paper.

 

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