L-Mag

Late Bloomers: „Ich möchte ihnen die Angst nehmen, ihren Weg zu gehen“

Frauen zu lieben, das „gehört“ sich nicht: Diesen Glaubenssatz musste Frieda Eckhoff selbst erst hinter sich lassen. Heute bietet sie als Coachin einen Coming-out-Begleitservice für Frauen an, die spät im Leben ihr lesbisches Coming-out haben.

Romina Marino Frieda Eckhoff

Erschienen in der L-MAG-Ausgabe 1-2025 (Jan./ Feb.)

Von Jana Schulze

Ab 2025 werden sich all ihre Visionen erfüllen, sagt Frieda Eckhoff: Das Haus, der neue Job in Selbstständigkeit, die Beziehung. Die richtige Frau sei bereits seit wenig mehr als zwei Jahren an ihrer Seite. Wer Frieda zuhört, der will ihr in allem glauben.

„Ich folge meiner Herzensvision und habe mir das seit Jahren genau vorgestellt, wie es einmal werden wird“, sagt sie und meint damit: Bald wird sie vom Allgäu, wo sie derzeit noch lebt, in die Schweiz zu ihrer Lebenspartnerin ziehen, weil dort das frisch gekaufte, gemeinsame Haus steht. Dann wird sie ihre langjährige feste Anstellung im Außendienst bei einem internationalen Konzern aufgeben – und stattdessen hauptberuflich Frauen begleiten, die sich mit ihrem Coming-out als lesbische oder queere Frau schwertun. „Ich halte für euch die Lampen; den Weg geht ihr allein“, lautet dabei ihr Motto als angehende Coachin.

Friedas spätes Coming-out: „Ich war damals allein“

Als Frieda, die heute 52 ist, sich selbst als lesbisch outete, habe niemand ihr den Weg gezeigt, sie an die Hand und ihr vor allem die Angst genommen. „Ich war damals allein – anfangs, weil ich nicht wusste, welcher ist der richtige Weg, und dann, ob ich dazu stehen werde. Ich habe es nicht einmal meiner besten Freundin erzählt, da war immer diese Angst, nicht richtig zu sein!“, berichtet sie am Telefon im Gespräch mit LMAG.

Als Kind habe sich ein Satz in ihrem Kopf festgehakt: „Ich muss eine gute Tochter sein – und Frauen zu lieben, das gehört sich nicht!“ Der Satz blieb kleben, auch als sie schon lange kein Kind mehr war. Wenn Frieda Eckhoff heute von diesem „Hirnkleber“ erzählt, sind ihre Worte immer noch voller Emotionen. Sie kam in Ostfriesland zur Welt, wuchs dort bei Eltern auf, die sehr konservativ dachten und lebten. „Ich habe damals Fußball gespielt und ein Mädchen aus dem Team hat sich als Lesbe geoutet“, erinnert sich Frieda. „Da hat mein Vater gleich geprustet, das sei doch nicht normal!“

Als brave Tochter habe sie sich dem Glaubenssatz der Eltern gebeugt und Beziehungen mit Männern geführt, obwohl sie sich immer wieder zu Frauen hingezogen fühlte. Zwei Mal verlobte sie sich sogar mit einem Mann, einmal mit 23 und einmal mit 28 Jahren. „Aber so richtig habe ich mich damit nie wohlgefühlt“, sagt Frieda heute.

„Frauen machten mir Schmetterlinge im Bauch“

Vor zehn Jahren, erzählt sie, habe sie sich sehr zu einer Kollegin hingezogen gefühlt, sei „komplett verwirrt“ gewesen und vor allem unsicher, welchen Weg sie nun gehen sollte.

„Frauen machten mir Schmetterlinge im Bauch und verunsicherten mich zugleich“, sagt Frieda und lacht, wie oft in diesem Gespräch. Neben Traurigkeit über negative Erfahrungen klingen bei ihr auch immer wieder Optimismus und Freude durch: über die Schritte, die sie gemeistert hat. Dann, eines Abends, sie hatte ein harmonisches Frauenpaar in einem Fernsehfilm gesehen, siegte die Sehnsucht nach der lesbischen Liebe – und Frieda machte Nägel mit Köpfen: Sie meldete sich bei einer Dating-Plattform für lesbische Frauen an.

Es funktionierte: Die erste Frau, der erste Kuss, die erste Beziehung, auf die eine zweite folgte. „Bei allen Erfahrungen, die ich ab da machte, habe ich immer gedacht: Es war die richtige Entscheidung!“, sagt Frieda heute. Ihre beste Freundin habe auch wunderbar reagiert. Sie fragte, warum Frieda sich ihr gegenüber denn nicht längst geöffnet hätte. Ihr Vater war zum Zeitpunkt von Friedas Coming-out bereits verstorben. Ihre Mutter aber sagte: „Hauptsache, DU bist glücklich!“ Da, erzählt Frieda, sei ihr ein Stein vom Herzen gefallen, auch noch nach all den Jahren.

Ihre Erfahrungen gibt sie in ihrem Coming-out-Begleitservice weiter

Genau dieses Vertrauen möchte Frieda Eckhoff nun den Frauen mitgeben, denen sie ihren Coming-out-Begleitservice anbietet. Dafür hat sie auf Facebook die Gruppe „Gemeinsam frei sein – Dein Coming-out für erfüllte Liebe“ gegründet. Zwanzig Frauen sind mittlerweile bereits dabei. Die ersten Beratungsgespräche fanden auch schon online statt: mit einer 58-jährigen Frau, die zuvor noch nie Erfahrungen in einer lesbischen Beziehung gesammelt, aber sich jetzt erstmals in eine Frau verliebt hat; mit einer 48-jährigen Frau, die sich nach vielen Jahren mit einem Partner geoutet hat und deren Sohn darunter leidet; und mit einer Frau, die plötzlich Gefühle für ihre (vermeintlich) heterosexuelle Kosmetikerin hat, die sich ebenfalls in sie verliebt habe, sich aber den eigenen Gefühlen nicht stellen wolle.

Was sie alle unisono sagen: Frieda sei sehr empathisch und einfühlsam. „Sie kann sich aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen sehr gut in uns reinversetzen, weil sie das eine oder andere selbst durchgemacht hat. Keine kann das besser, nicht mal eine Therapeutin!“, schreibt eine Klientin auf Nachfrage von L-MAG.

„Ich möchte, dass diese Frauen keine Angst haben, ihren Weg zu gehen oder sich gegenüber ihren engen Freunden zu äußern“, sagt Frieda zum Schluss und lacht wieder einmal. „Ich gebe ihnen meine Erfahrungen mit – die guten wie die schlechten!“

 

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