L-Mag

Lesbisches Kinderkriegen über Umwege

Eine Möglichkeit Kinder zu kriegen, ist die künstliche Befruchtung. Doch die ist gar nicht so unkompliziert. Reproduktionsmedizinerin Dr. Manja Krause erklärt, wie es geht.

Illustration: Barbara Ott Bloß nicht den Faden verlieren: Wer als lesbisches Paar ein Kind kriegen will, muss meist gut planen

Wenn Frauen in lesbischen Beziehungen, oder Menschen in queeren Konstellationen, Eltern werden wollen, kommen viele Fragen auf. Im Gespräch mit L-MAG beschreibt die Reproduktions­medizinerin Dr. Manja Krause vom Fertility Center Berlin die Herausforderun­gen, auf die ihre Patientinnen in der Kinderwunschbehandlung treffen.

L-MAG: Es gibt viele Möglichkeiten für lesbische Frauen, schwanger zu werden. Wann kommst du ins Spiel? Dr. Manja Krause: Alleinstehende Frauen oder lesbische Paare, die einen bekannten Spender haben, sind erst einmal nicht auf die Hilfe einer Reproduktionsmedizinerin angewiesen. Wenn sich ein lesbisches Paar mit ihrem Freund zu Hause einigt, dann können sie unabhängig von einer medizini­schen Samenspendebehandlung versuchen, schwanger zu werden. Sie kommen erst dann zu mir, wenn es zu Hause nicht geklappt hat, auch um zu untersuchen, ob es dafür medizinische Gründe gibt. Für die Befruchtung nimmst du Spermien aus der Samenbank, die du in die Gebär­mutter spritzt oder im Reagenzglas mit der Eizelle verbindest.

Kommen da bei deinen Patientinnen auch ethische Fragen auf? Viele fragen sich schon, wie viel medizinischer Aufwand gerechtfertigt ist, und haben große Vorbehalte vor dem Eingriff in natürliche Prozesse. Ein Teil meiner Arbeit ist es, zu verdeutlichen, dass wir im besten Fall der Natur eine Hand reichen können, aber leider nicht bestimmen können, wer schwanger wird und wer nicht. Das verursacht das meiste Leid: Obwohl reproduktionsmedizinische Behandlungen sehr intensiv und aufwendig durchgeführt werden, sind die Behandlungs­aussichten überschaubar. Selbst unter Aufbringung der technischen Möglichkeiten, ist bei einer Frau, die sich einer Reagenzglas­befruchtung unterzieht, die Chance, schwanger zu werden pro Behandlungsversuch maximal 40 Prozent. Die Mehrzahl der Behandlungen führt also nicht zu einer Schwangerschaft. Auch der damit einhergehende Kontrollverlust, dass ihre Eizellen an uns übergeben werden, und das Kind auf diesem "technischen" Weg entsteht, ist ein großes Thema. Viele Paare gehen daher am Ende diesen Schritt nicht.

Früher mussten viele lesbische Paare noch ins Ausland reisen, um eine Samenbank zu finden. Das lag auch an den unklaren Regelungen zu Unterhaltszahlungen. Ist das mittlerweile einfacher geworden? In andere Länder muss man von Deutschland aus schon lange nicht mehr reisen. Wenn die Frau jedoch außerhalb von Berlin, Hamburg oder München behandelt werden möchte, ist es nach wie vor nicht unkompliziert. Vorher gab es durch die Bundesärztekammer standesrechtliche Beschränkungen, die Behandlung durchzuführen. Das ist 2018 entfallen. Aber die Veränderungen der Kinderwunschpraxen im Land sind sehr langsam. Die Kollegen haben nach wie vor keine Erfahrung mit der Behandlung oder wollen sie nicht durchführen. Auch die einzelnen Landesärztekammern verhalten sich unterschiedlich.

Welche persönlichen Herausforderungen kommen auf eine Frau zu, wenn sie eine reproduktionsmedizinische Praxis und eine Samenspende gefunden hat? Die Kinderwunschbehandlung ist emotional und körperlich anstrengend. Die Unsicher­heit, ob es klappt, schwanger zu werden, und die Frage, wie lange es dauert, sind belastend. Es hängt ein hoher Erwartungs- und Erfolgsdruck an einem Zyklus, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten. Außerdem ist die Behandlung mit vielen Terminen, wie Ultraschallkontrollen und Blutuntersuchungen, verbunden. Und wer geht schon gerne zur Frauenärztin? Viele Patientinnen müssen sich im Rahmen einer Reagenzglasbefruchtung (IVF) mehrfach Hormone spritzen. Die Auswirkungen dieser Therapie sind individuell verschieden. Die meisten Frauen sind überrascht, wie gut sie alles vertragen aber einige sind emotional dünnhäutig, es drückt und zieht im Bauch und sie sind weniger belastbar. Wenn das eine Frau oder ein Paar mehrere Monate lang begleitet, ist das anstrengend.

Mit welchem zeitlichen und finanziellen Aufwand ist das verbunden? Das hängt stark von den medizinischen Grundvoraussetzungen der Frau ab. Je jünger die Frau ist, besonders unter 30 Jahren, desto höher ist die Fruchtbarkeit und desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sofort nach ein, zwei, drei Versuchen schwanger wird. Für diese Frauen ist es zeitlich und auch finanziell nicht so aufwendig. 2.000 bis 3.000 Euro muss man aber in jedem Falle veranschlagen. In der Realität sind die Frauen oft eher Mitte oder Ende 30. Da ist die Wahr­scheinlichkeit, durch eine Behandlung mit Samenspende schwanger zu werden, pro Zyklus circa 10 bis 15 Prozent. Das heißt, dass nach vier bis sechs Versuchen ungefähr die Hälfte der Frauen erfolgreich schwanger geworden ist. Bei vier bis sechs Insemina­ti­onsversuchen ist man circa ein dreiviertel Jahr beschäftigt. Wenn es dann nicht geklappt hat, kommt noch eine Reagenzglas­befruchtung infrage, und das ist sehr teure Medizin. Da kostet ein Behandlungszyklus mit Medikamenten zwischen 5.000 und 6.000 Euro. Die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, liegt da bei 30 bis 40 Prozent. Das heißt aber auch nicht, dass es beim ersten Versuch klappt, also ist man schnell 30.000 Euro los. Das ist die Realität vieler Paare. Sie machen mehrere Inseminationen oder greifen auch zur Reagenzglas­befruchtung.

Vor ein paar Jahren kam aus einer australi­schen Forschungsgruppe die unglaubliche Nachricht, dass ein Embryo auch ohne Spermien, ausschließlich mit Eizellen, entstehen könnte ... Das ist medizinwissenschaftliche Theorie und daran wird tatsächlich gearbeitet, aber in absehbarer Zeit wird das in der Realität nicht möglich sein.

Schade eigentlich. Was ich aber in den letzten Jahren verstärkt wahrnehme, ist, dass sich lesbische Paare im Ausland in Behandlung begeben und die Elternschaft biologisch teilen, in dem Sinne, dass eine Frau die biologische und eine die genetische Mutter ist. Da entscheiden sich lesbische Paare aus sozialen oder medizi­nischen Gründen für eine Reagenz­glasbefruchtung, wobei eine Partnerin die Eizelle gibt und die andere den Embryo austrägt, der aus der Eizelle ihrer Partnerin und einem Spendersamen entstanden ist.

Was empfiehlst du unseren Leserinnen in Bezug auf Kinderwunsch grundsätzlich? Es ist viel wichtiger, sich diesem Thema früh im Leben zu widmen, als der perfekten Konstellation hinterherzulaufen. Viele Frauen gehen das Thema Kinderwunsch zu spät im Leben an. Die biologische Herausforderung, Eltern zu werden, ist dann viel größer. Es fällt einem auf die Füße, auf die perfekten Umstände oder die perfekte Situation in der Partnerschaft zu warten. Auch unter Aufwendung aller technischer Raffinessen steigt mit zunehmendem Lebensalter die Warscheinlichkeit, dass man ungewollt kinderlos bleibt.

Interview: Clara Woopen

Mehr lesbische Themen findest du in der aktuellen Ausgabe!

© Fertility Center Berlin Reproduktions­medizinerin Dr. med. Manja Krause

Aktuelles Heft

Metamorphosen - queeres Leben und Sterben

Genderneutrale Erziehung - Elizabeth Kerekere, Aktivistin aus Neuseeland - Internationales FrauenFilmFestival - LGBTIQ* Community in Armenien mehr zum Inhalt




Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!

Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!
x