LGBTIQ*- und Frauenrechte in Namibia: „Wir brauchen Solidarität!“
Seit in Namibia Homosexualität 2024 legalisiert wurde, hat sich die Lage von LGBTIQ* verschlechtert, sagt Florence Khaxas, lesbische Aktivistin des feministischen Verbands Y-Fem im L-MAG-Interview. Auch Frauenrechte sieht sie im Abwärtstrend.
Y-Fem Erschienen in der L-MAG-Ausgabe 6-2025 (Nov./ Dez.)
Von Dana Müller
2024 wurde Homosexualität in Namibia legalisiert. Der Oberste Gerichtshof des Landes kippte das Verbot, das noch aus der deutschen Kolonialzeit stammte. Armut, Hitze und eine der höchsten HIV-Raten weltweit bleiben große Probleme in dem südafrikanischen Land. Um besonders Frauen und LGBTIQ* zu helfen, gründete Florence Khaxas 2009 – mit gerade mal 21 Jahren – „Y-Fem – The Young Feminist Movement Namibia“. L-MAG traf sie zu einem Videocall.
L-MAG: Florence, wie bist du zu deinem Aktivismus gekommen?
Florence Khaxas: Das begann schon als Jugendliche. Mit siebzehn hatte ich mein Coming-out. Es gab damals eine öffentliche Debatte in meiner Schule über die Legalisierung von Homosexualität in Namibia. Eine Gruppe war dagegen, eine dafür. Ich stand vor 500 Mitschüler:innen auf und sagte, niemand verdiene es, aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert zu werden, auch nicht in der Schule, denn die namibische Verfassung schütze Kinder vor Diskriminierung und Gewalt. Und dann sagte ich: Nehmt mich als Beispiel. Ich bin Schülerin und stolz darauf, lesbisch zu sein. Danach kamen andere Kinder zu mir, umarmten mich und sagten, dass ich so mutig sei und ihnen Mut gegeben habe.
Letztes Jahr hat der Oberste Gerichtshof Namibias das Verbot gleichgeschlechtlicher Beziehungen aufgehoben. Was hat sich seitdem verändert?
Ich würde sagen, dass es schlimmer geworden ist! Das hat uns viel Gegenwind gebracht. Früher waren wir nicht in der Öffentlichkeit und die Politik hat nicht viel Aufhebens darum gemacht, aber jetzt wenden sich sogar kirchliche Gemeinschaften an die Regierung und fragen, wie sie das zulassen konnte. Ich glaube, die meisten verstehen nicht, welche Auswirkungen dieser Hass hat. Religiöse Gruppen sehen in uns Menschen, die verloren sind, die ein sündiges Leben führen. Wir müssen gute Gegenargumente finden … damit die Menschen erkennen, dass wir hier alle Afrikaner:innen und in unserer Vielfalt schön sind.
Y-Fem Florence Khaxas, Gründerin von „Y-Fem - the Young Feminist Movement Namibia“Und wie ist die Lage für Frauen im Land? Hat sich seit der Gründung von Y-Fem im Jahr 2009 etwas verbessert?
Die Lage ist auch eher schlimmer geworden. Der Klimawandel hat große Auswirkungen auf Geschlechtergerechtigkeit – und Namibia ist eines der Länder, in denen die Klimakrise besonders gravierend ist. Die Menschen ziehen vermehrt vom Land in den urbanen Raum. Und wir haben es nicht geschafft, unsere dunkle Vergangenheit, die wir mit Deutschland haben, hinter uns zu lassen. Das ist eine der Ursachen, warum manche Gemeinden noch heute extrem arm sind. Wenn man sich zum Beispiel die Nama und Herero ansieht, die vom Völkermord durch die deutsche Kolonialmacht (1904 bis 1908, Anm. der Redaktion) betroffen waren, dann leben in diesen Gemeinschaften heute die ärmsten aller LGBTIQ*-Personen. Westliche Regierungen werden immer konservativer und rechter – in letzter Zeit sind die Finanzmittel massiv zurückgegangen, die von diesen Regierungen zur Verfügung gestellt werden. Organisationen mit HIV-Programmen und Gesundheitsfachkräfte sind davon besonders betroffen. Der zivilgesellschaftliche Raum schrumpft rapide, das macht mir Sorgen.
Ihr gebt trotzdem nicht auf. Was ist euer Ziel?
Wir kämpfen für eine gerechte Welt, in der jede Form von Gewalt gegen Frauen und Kinder beendet ist, in der es keine Armut mehr gibt und in der jeder Mensch respektiert und anerkannt wird.
Was ist eure Strategie?
Stimme, Körper und Geld. Fangen wir mit der Stimme an: Die Menschen hier begreifen zum Beispiel Gewalt gegen Frauen als ein privates Thema, über das man nicht sprechen sollte. So gehen wir auch an kleinen Orten auf die Straße, um Bewusstsein zu schaffen. Dann Körper: Wir klären Frauen auf, über sexuelle und reproduktive Gesundheit, über ihre Rechte. Es war uns von Beginn an wichtig, sichere Räume zu schaffen, in denen junge Frauen über die Dinge, die sie beschäftigen, offen sprechen können.
Und was ist mit dem dritten Punkt – Geld?
Wir können keine feministische Bewegung aufbauen, wenn wir nicht über Geld sprechen. Dabei meinen wir nicht nur unsere persönlichen Budgets, sondern auch den Staatshaushalt und wie dieser unser Leben beeinflusst. Wir müssen Frauen stärken, damit sie ihr eigenes Geld verdienen und nicht von Männern abhängig sind. Nur dann können sie eine Beziehung, in der sie das Gefühl haben, dass dieser Mensch nicht gut für sie ist, einfach beenden.
Wie kann man euch unterstützen?
Wir brauchen vor allem Solidarität! Wir brauchen unsere Schwestern in Deutschland, damit sie Einfluss auf Entscheidungsträger:innen in europäischen Staaten nehmen. Denn diese sollten gegenüber den Ländern, die sie einst kolonisiert haben, Rechenschaft ablegen. Ihr dürft die Unterstützung Namibias nicht als eine lästige Pflicht sehen. Stattdessen sollte es ein Ziel sein, diesen Ländern für den Schaden, der ihnen zugefügt wurde, etwas zurückzugeben. Alle können sich dafür einsetzen: Sei es durch technische Hilfe, durch Bildung oder einfach, indem eigene Talente genutzt werden. Ladet Künstler:innen aus Namibia ein, nehmt Studierende auf oder gebt uns die Gelegenheit, über unser Leben zu schreiben. Tretet mit uns in Kontakt!
Y-Fem – The Young Feminist Movement Namibia auf Facebook
Die Partnerorganisation von Y-Fem in Deutschland ist FLiP – FrauenLiebe im Pott
Düsseldorf, 19. Jan. 2026, 19 Uhr: Vorführung des lesbischen Films „Uno & Hatago“ (Namibia 2024), Filmkunstkino Bambi

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