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Von fortschrittlich bis verstörend: Lesbischer Parteien-Check zur Bundestagswahl 2025

Zur Bundestagswahl am 23. Feb. werfen wir einen Blick in die Wahlprogramme der sieben größten Parteien. Wer setzt sich für queere, feministische und lesbische Rechte ein, und – ja, das droht auch! - wer will sie abschaffen?

Imago/ Markus Matzel

Von Dana Müller

12.2.2025 - Es wird eine wegweisende Wahl am 23. Februar! Wir haben uns die Wohlprogramme der sieben zentralen Parteien angeschaut: Was steht wirklich drin, vor allem mit Blick auf queere, feministische und lesbische Belange? Wir haben fortschrittliche bis schockierende Zielsetzungen entdeckt.

 

CDU: „Politikwechsel für Deutschland“*

Die CDU wirbt mit einem Politikwechsel: Atomstrom soll wieder her, das Lieferkettengesetz und Bürgergeld soll abgeschafft und die Wehrpflicht wieder eingeführt werden. In Bezug auf queere Themen ist vor allem das Selbstbestimmungsgesetz unter Beschuss. Denn hier sehen sie das Kindeswohl gefährdet und bei Erwachsenen eine „beliebige Identitätspolitik“. Immerhin halten die Christdemokraten explizit fest, unterschiedliche Lebensentwürfe zu respektieren, darunter auch gleichgeschlechtliche Beziehungen. Dennoch will die CDU das emanzipatorische Rad zurückdrehen: So setzen sie sich klar gegen Gendersprache im öffentlichen Raum ein, also ein Verbot an Schulen, Universitäten, im Rundfunk und der Verwaltung. Beim Thema Migration soll der subsidiäre Schutzstatus abgeschafft werden, was vor allem queere Geflüchtete betrifft, denen Tod, Gefängnis oder Folter in ihren Herkunftsländern drohen. Der Paragraf 218 StGB (Schwangerschaftsabruch) soll bleiben.

 

SPD: „Mehr für Dich. Besser für Deutschland.“

„Queere Familien sollen im Familien- und Abstammungsrecht vollständig gleichgestellt werden“, schreibt die SPD und fordert ein Ende der Stiefkindadoption. Auch sonst heißt es im Gegensatz zur CDU zur Queerpolitik: „Ein Zurück wird es mit uns nicht geben.“ Das gilt auch ganz klar für das Selbstbestimmungsgesetz. Ebenso soll der Aktionsplan „Queer leben“ der Ampelkoalition (wir berichteten) weiterentwickelt werden. Die Sozialdemokraten positionieren sich gegen Menschenfeindlichkeit in all ihren Formen und das beinhaltet Sexismus und Queerfeindlichkeit. Und so ist auch die Erweiterung des Artikel 3 des Grundgesetzes um die „sexuelle Orientierung“ und „geschlechtliche Identität“ ein klarer Programmpunkt. Auch feministische Themen wie der Kampf gegen Gender Pay Gap, eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik, sowie die endgültige Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen stehen auf dem Plan. Antifeminismus und Anti-Gender-Bewegungen will man entschlossen entgegentreten. Frauenrechte und Gleichstellung sollen bis 2030 verwirklicht werden.

 

Bündnis90/Die Grünen: „Zusammen wachsen“

Die Grünen stehen für „feministische Außenpolitik“ und die Gleichberechtigung von Frauen: „Unsere Priorität ist, das Leben für Frauen gerechter und besser zu machen.“ Dazu gehören gleiche Bezahlung, Schutz vor Gewalt, die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen (§218 StGB) und die Verbesserung der Frauengesundheit. In Sachen Queerpolitik wollen sie das Selbstbestimmungsgesetz schützen, der Aktionsplan „Queer leben“ soll mit einem Bundesförderprogramm finanzielle Unterstützung bekommen, Artikel 3 des Grundgesetzes wollen die Grünen um die „sexuelle“ und „geschlechtliche Identität“ erweitern. Hasskriminalität gegen LGBTIQ* soll durch die Erfassung von queerfeindlichen Straftaten entgegengewirkt werden, außerdem soll es mehr Unterstützungsangebote in Behörden und in der Justiz geben. Unter dem Leitbild „Familie ist, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen“ streben sie die Reform des Familienrechts an und wollen das Modell der Verantwortungsgemeinschaft einführen, in dem mehr als zwei Personen rechtliche Verantwortung für ein Kind übernehmen. Einzigartig: Krankenkassen sollen zukünftig die Kosten für medizinische Transitionsmaßnahmen übernehmen. Außerdem wollen die Grünen Lücken beim Verbot von Konversionstherapien schließen und nicht notwendige Operationen an intergeschlechtlichen Kindern verbieten.

 

Die Linke: „Alle wollen regieren. Wir wollen verändern.“

Für die Linken bedeutet Frauenpolitik: „Geschlechtergerechtigkeit herstellen – Arbeit umverteilen, Selbstbestimmung erwirken“. Zudem postulieren sie ein Selbstverständnis als „sozialistische und feministische Partei“ und fordern daher die ersatzlose Streichung des § 218 StGB; alle Verhütungsmethoden sollen von den Krankenkassen bezahlt werden und eine „Grundausstattung an Menstruationsprodukten“ soll in allen öffentlichen Einrichtungen kostenfrei bereitgestellt werden. Krankenkassen sollen unabhängig vom Beziehungsstatus oder der sexuellen Identität die Kosten einer künstlichen Befruchtung übernehmen. Beim Thema Gewaltschutz möchte Die Linke das Prinzip „Nur Ja heißt Ja“ gesetzlich verankern. Zum Thema „Queere Emanzipation“ findet sich im Programm die Erweiterung des Artikel 3 GG, die Stärkung von queerer Jugendarbeit, Verbesserung des Selbstbestimmungsgesetz (Streichung des Kriegsfalles), Finanzierung des Aktionsplans „Queer leben“, ein bundesweites Antidiskriminierungsgesetz und Verbesserung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Auch für die Reformierung des Abstammungsrechts und Abschaffung der Stiefkindadoption für lesbische Eltern setzt sich die Partei ein.

 

FDP: „Alles lässt sich ändern“

Mit ihrer liberalen Politik steht die FDP für eine „tolerante und offene Gesellschaft“. So fordern sie „die Gleichbehandlung aller“ und versprechen die Bekämpfung von „Diskriminierung gegenüber LSBTI“. Die Liberalen wollen den nationalen Aktionsplan „Queer leben“ umsetzen und die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld finanziell besser austatten. Artikel 3 GG soll um sexuelle Identität ergänzt werden. Die Polizei soll LSBTI-feindliche Hasskriminalität bundesweit einheitlich erfassen und verfolgen. Beim Thema Familien wollen sie das Abstammungsrecht modernisieren und die Verantwortungsgemeinschaft einführen. Für Lesben mit Kinderwunsch interessant: Die FDP will die Eizellspende und die Embryonenspende legalisieren. Dagegen für schwule Paare von Bedeutung: die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft soll ermöglicht werden. Bei der Frauengesundheit steht die intensive Erforschung von Krankheiten wie Endometriose, PCOS, Lipödem und Brustkrebs sowie die Untersuchung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Wahlprogramm.

 

AfD: „Zeit für Deutschland“

Auch wenn die lesbische Spitzenkandidatin der AfD, Alice Weidel, es selbst anders vorlebt, steht im Parteiprogramm klar: „Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern.“ Das bedeutet auch: Die AfD will die Ehe für alle abschaffen. Auch in Sachen Frauenpolitik sieht es bei den Rechtspopulisten rückwärtsgewandt aus. Paragraf 218 StGB soll bleiben. „Geschlechterquoten“ werden als willkürlich und diskriminierend ausgelegt und sollen abgeschafft werden, jegliche „Antidiskriminierungsgesetze“ werden konsequent abgelehnt. „Durch Trans-Gender-Hype, Frühsexualisierung (…) wird der Zusammenhalt in den Familien gefährdet“, heißt es im Programm. Auch Kinderrechte sollen nicht ins Grundgesetz. Sogar in der Filmförderung werden Einschnitte gefordert: „Ideologische Themen wie ,Gender’, ,Klimaschutz’ oder die ,Vielfalt’” sollen zukünftig nicht mehr finanziell unterstützt werden.

 

BSW: „Unser Land verdient mehr“

Die Partei von Sahra Wagenknecht wirbt vor allem mit Friedenspolitik und Mindestlohn. In Sachen Queer-Politik richtet sich der Fokus auf trans Personen. Im Selbstbestimmungsgesetz steht ein „diskriminierungsfreies ärztliches Gutachten“ im Programm und für den Sport soll gelten: „Biologische Männer, die sich als Frauen fühlen, in der Frauenkategorie antreten zu lassen, ist unfair“. Sexualstraftäter*innen soll der Wechsel des Personenstands untersagt werden, wohingegen Misgendering durch Medien und Opfer nicht als Straftat gelten sollen. Außerdem wird von „Cancel Culture und Konformitätsdruck“ gesprochen. Beendet werden sollen die Finanzierung von allen Programmen, die den „öffentlichen Diskurs beeinflussen sollen und für bestimmte politische Meinungen stehen.“ Das würde auch Aufklärungsprogramme für LGBTIQ* treffen. Unter dem Schlagwort „Frauenrechte statt Gender-Ideologie“ wird die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur 12. Woche versprochen, Gewaltschutz für Frauen und verschreibungspflichtige Verhütungsmittel sollen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden.

*Anmerkung: Die Überschriften zu den Parteien entsprechen den Titeln ihrer Parteiprogramme.

 

„Wähl Liebe“: Die deutschen CSDs rufen dazu auf, am 15. Februar um 5 vor 12 Uhr für Liebe statt Hass und Vielfalt statt Spaltung zu demonstriern. Die „Winter-CSDs“ finden in (mindestens) 55 deutschen Städten statt - alle Termine findet ihr hier.

 

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