L-Mag

Mit Kunst den Kopf verdrehen – Die 10. Berlin Biennale beginnt

In Berlin startet heute die 10. Ausgabe der Berlin Biennale. L-MAG traf Kuratorin Gabi Ngcobo zum Gespräch über die Ausstellung, Widersprüche in der Geschichte und ihren persönlichen Anspruch an ihre Arbeit

Foto: Sabelo Mlangeni Gabi Ngcobo wirft einen kritischen Blick auf Geschichte und die zeitgenössische Künst

Alle zwei Jahre präsentiert die Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst wortwörtlich den „State of the Art“ der internationalen zeitgenössischen Kunst. Die künstlerische Leitung, das gemeinsame Konzept und die Ausstellungsorte werden jeweils neu bestimmt. Vom 9. Juni bis zum 9. September findet die 10. Berlin Biennale unter dem Titel „We don’t need another hero“ statt. Die diesjährige Kuratorin Gabi Ngcobo hat bereits andere Biennalen in São Paulo und Kapstadt co-kuratiert. Im Interview mit L-MAG sprach sie darüber, wie sie mit Kunst Menschen den Kopf verdrehen will.

 

 

Mit dem Titel der diesjährigen Biennale, dem Lied „We don’t need another hero“ in der Version von Tina Turner von 1985, schaut dein Kurationsteam in der Zeit zurück. Was verbindest du mit dem Lied?

Gabi Ngcobo: Es ist ein schönes Lied (lacht). Die Leute können viele verschiedene Dinge darin lesen. Seitdem wir es als Titel der Biennale festgelegt haben, bietet es die Möglichkeit zu verschiedensten Interpretationen. Das betrifft auch den Film „Mad Max – jenseits der Donnerkuppel“, in dem Tina Turner dieses Lied nicht nur singt, sondern selbst mitgespielt hat. Natürlich kann man es historisch verorten, aber uns interessiert es vor allem, den Text des Liedes so zu lesen, als ob er heute geschrieben worden wäre. Es ist wie ein Kreislauf in der Geschichte: Vielleicht ist es unmöglich, daraus zu entkommen. Oder was passiert, wenn wir doch entkommen?

 

 

Kreisläufe in der Geschichte, Widersprüche, Unsinn – das sind Themen, die deine Arbeit prägen. Was fasziniert dich daran?

Das ist unsere Realität! Interessant ist, dass wir nur so tun, als ob es diese Widersprüche nicht gäbe. Aber ich finde sie spannend, weil sie Fragen aufwerfen, über die wir noch nicht nachgedacht haben. Sie können produktive Spannungen schaffen. Natürlich denke ich über die Sprache und Grammatik von Ausstellungsräumen nach, und wie sie vom Publikum erfahren werden. Ich möchte zwar, dass Menschen etwas mitnehmen, aber ich mag die Vorstellung eines Publikums, dem man unbedingt etwas geben müsste, nicht.

 

 

Also bewegst du dich irgendwo dazwischen?

Ja. Es war gut und faszinierend, den Leuten ein Lied in den Kopf zu setzen, das sich von ganz alleine auf den Weg macht. So etwas können wir nicht kontrollieren. Mit unserer Ankündigung und dem Lied hat die Biennale gewissermaßen schon angefangen. Du gibst etwas, und es stellt das Leben der Leute auf den Kopf. Das ist es, was ich will (lacht). Mich reizt der kontinuierliche Prozess. Ich erwarte auch nicht, dass das Publikum hier an einem Tag alles verstanden hat. Für mich sind die erfolgreichsten kreativen Arbeiten jene, zu denen man immer wieder zurückkehren kann – sei es ein Roman oder ein Lied, das zu jeder Zeit wieder berührt.

 

 

Das Persönliche ist auch ein Ausgangspunkt deiner Gesellschafts­kritik.

Mit sich selbst zu beginnen, ist entscheidend, weil man sonst nichts ändern kann. Ich bin Leuten gegenüber skeptisch, die das als Job sehen, aber nicht als Teil ihres Lebens. Deswegen kuratiere ich. Denn es ermöglicht mir, etwas zu tun, während man schläft oder isst oder mit Freunden spricht. Kritik ist keine Sache, die nur von 9 bis 17 Uhr passiert. Man geht nicht zur Arbeit und dekolonisiert ein bisschen, dann geht man nach Hause und spricht mit seinen Kindern auf eine ganz andere Art. Aber genau darin liegt die Gefahr von Schlagworten und finanzierbaren Themen. Wir brauchen einen Ort, an dem wir über diese Dinge reden können. Man kann nicht in die Welt hinaus­gehen und alles geben, wenn man sich nicht auch um sich selbst sorgt. Ich denke, dass die Idee von Selbstfürsorge ein Akt von politischer Kriegsführung ist. Denn wir sind im Krieg und müssen uns schützen, während wir vorwärtsgehen.

// Clara Woopen

 

10. Berlin Biennale – "We don't need another hero"
9. Juni bis 9. September
www.berlinbiennale.de

 

Das komplette Interview erschien in der L-MAG Mai/Juni-Ausgabe. Erhältlich im Bahnhofsbuchhandel oder einfach im Abo.


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