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Academy Awards: Queere Oscar-Gewinnerinnen und –Nominierte von Marlene Dietrich bis Kristen Stewart

Kristen Stewart und Ariana deBose sind in diesem Jahr die ersten offen queeren Schauspielerinnen, die für einen Oscar nominiert sind - aber sie haben viele Vorgängerinnen, die sich später (oder auch nie selbst) outeten. Hier stellen wir sie vor.

Im Uhrzeigersinn ab oben links: Ariana deBose, Kristen Stewart, Jodie Foster, Cynthia Erivo, Marlene Dietrich (Fotos: Jimmy Kimmel Live/ John Bauld, CC-BY/ Screenshots YouTube, Public Domain)

Von Karin Schupp

27.3.2022 - Bei den Academy Awards heute Abend in Los Angeles sind zum ersten Mal zwei offen queere Schauspielerinnen nominiert! Kristen Stewart könnte für Spencer (unsere Filmkritik) als „Beste Schauspielerin“ ausgezeichnet werden, Ariana DeBose für West Side Story als „Best Supporting Actress“. Während ersterer nur Außenseiter-Chancen eingeräumt werden, geht DeBose (die auch in der lesbischen Netflix-Musicalverfilmung The Prom mitspielte) als Favoritin ins Rennen: Sie gewann für ihre Rolle schon den Golden Globe, den Screen Actor Guilds Award, den britischen Filmpreis BAFTA und etliche weitere Preise.

Auch wenn vor den beiden noch nie eine nominierte Schauspielerin mit ihrer Liebsten über den roten Teppich ging – wie es hoffentlich Kristen mit ihrer Verlobten, der Drehbuchautorin Dylan Meyer, und Ariana mit ihrer Lebensgefährtin, der Kostümbildnerin Sue Makkoo, tun - , so sind sie bei weitem nicht die ersten queeren Filmstars im Oscar-Rennen.

Screenshots/ YouTube Jodie Foster (l.) bei ihrem zweiten Oscar-Gewinn 1992, Linda Hunt mit ihrem Oscar 1984

Lesbische, bisexuelle, queere Oscar-Gewinnerinnen:

Die bekannteste und erfolgreichste lesbische Oscar-Gewinnerin des Gegenwart-Kinos ist natürlich Jodie Foster: Sie war vier Mal nominiert - zum ersten Mal mit 14 für ihre Rolle in Taxi Driver (1977) - und gewann zwei Oscars: für ihre Hauptrollen in Angeklagt (1989) und Das Schweigen der Lämmer (1992). Jodie outete sich erst 2013 in einer Dankesrede bei den Golden Globes, ihre (damals schon beendete) Beziehung mit Cydney Bernard, Co-Mutter ihrer zwei Söhne, war aber zuvor schon ein offenes Geheimnis gewesen. Seit 2014 ist Jodie mit Alexandra Hedison (The L Word) verheiratet.

Linda Hunt, heute vor allem aus Navy CIS: Los Angeles bekannt, gewann 1983 den Academy Award als beste Nebendarstellerin für Ein Jahr in der Hölle. In dem australischen Drama spielte sie übrigens eine Männerolle, die weder trans noch Drag war - Regisseur Peter Weir fand sie einfach am geeignetsten. Die heute 76-Jährige ist seit 1978 mit ihrer Frau Karen Kline zusammen und seit 2008 mit ihr verheiratet.

Screenshot/ CNN Tatum O'Neal 2014 bei Larry King und nach ihrem Oscar-Gewinn 1974

Tatum O’Neal ist bis heute die jüngste Oscar-Gewinnerin aller Zeiten: Sie war 10, als sie für Paper Moon (1973) gewann. 2015 erklärte die Ex-Frau von Tennisstar John McEnroe, dass sie „in letzter Zeit definitiv vor allem Frauen“ date, sich aber nicht labeln wolle: „Ich bin weder das eine noch das andere.“

Auch Anna Paquin war erst 11, als sie für ihre allererste Filmrolle in Das Piano (1994) einen Oscar bekam (dessen Regisseurin/ Drehbuchautorin Jane Campion bekam übrigens in diesem Jahr für ihren homoerotischen Film The Power of the Dog 12 Nominierungen). 2010 outete sie sich im Rahmen einer LGBTQ-Akzeptanz-Kampagne als bisexuell, war damals aber schon mit ihrem True Blood-Ko-Star und heutigen Mann Stephen Moyer zusammen.

Streng genommen war auch Angelina Jolie zum Zeitpunkt ihres Oscar-Gewinns „out“: Im Jahr 2000 wurde sie für Durchgeknallt als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet, 2009 bekam sie eine weitere Nominierung für Der fremde Sohn. Doch schon damals war weitgehend in Vergessenheit geraten (oder nicht ernst genommen worden), dass Jolie sich als bisexuell identifiziert und in den Neunzigern wohl eine Affäre mit dem Model Jenny Shimizu hatte. Vermutlich liegt das daran, dass sie seitdem - inzwischen seit 25 Jahren - offenbar nur (sehr öffentliche) Heterobeziehungen hatte.

Paramount/ Universal/ Miramax V.l.n.r.: Lily Tomlin in „Nashville“, Cynthia Erivo in „Harriet“ und Queen Latifah in „Chicago“

Lesbische, bisexuelle, queere Nominierte:

Lily Tomlin hat in ihrer Karriere schon Emmys, Grammys und Tony Awards gewonnen – nur der Oscar fehlt ihr noch zum EGOT. Ihre bisher einzige Chance dazu hatte sie 1975, als sie für ihre Rolle in Nashville nominiert war. Die heute 82-Jährige verheimlichte ihre Beziehung mit ihrer Frau und Schreib-Partnerin Jane Wagner nie – sie sind seit 1971 zusammen und seit 2013 verheiratet –, öffentlich spricht sie aber erst in den letzten Jahren darüber. „Ich war nicht ganz offen“, sagte sie 2015 rückblickend. „Aber jeder in der Branche wusste es und sicherlich jeder, mit dem ich gearbeitet habe.“

Cynthia Erivo war 2020 für Harriet als erste queere Person of Color für einen Hauptrollen-Oscar nominiert, zudem stand sie für den Titelsong „Stand Up“, den sie während der Verleihung live sang, auf der Liste. „Ich bin queer... Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich unbedingt outen muss, weil mich einfach niemand wirklich danach gefragt hat“, sagte sie im August 2021 der Zeitung Standard. Das Gerücht, dass sie mit der lesbischen Produzentin/ Schauspielerin Lena Waithe zusammen sei, hat sie bisher nicht bestätigt.

Dass Queen Latifah, 2002 nominiert für Chicago, nicht hetero ist, galt jahrelang als offenes Geheimnis, zu dem sie sich dezidiert nicht äußern wollte. Im vergangenen Juni aber outete sie sich am Ende ihrer Dankesrede bei den BET Awards indirekt, indem sie ihrer Lebensgefährtin Eboni Nichols und ihrem gemeinsamen Sohn Rebel dankte: „Eboni, my love. Rebel, my love. Peace! Happy Pride!“ (K-Word #410).

In der Kategorie „Best Actress“ war 2007 auch Elliot Page nominiert, der sich 2014 als lesbisch und Ende 2020 als nichtbinärer, trans Mann outete (wir berichteten). In diesem Jahr wird er als Präsentator auf der Oscar-Bühne stehen.

Lady Gaga war 2019 für ihre Hauptrolle in A Star Is Born nominiert und gewann den Oscar für den Titelsong „Shallow“. (Sie auf diese Liste zu packen, ist für manche eine recht großzügige Auslegung, aber auch wenn von ihr keine Frauenbeziehungen bekannt sind: Sie bezeichnete sich in Interviews wiederholt als bisexuell).

Public Domain/ Universal Pictures V.l.n.r.: Marlene Dietrich in „Marokko“, Ethel Waters (1938) und Eva Le Gallienne mit ihrer Film-Enkelin Ellen Burstyn in „Der starke Wille“

Marlene Dietrich stand 1931 in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ zur Wahl: für Marokko, den ersten Film, in dem sich zwei Frauen - Dietrich und eine Statistin - küssten. Die Berlinerin machte keinen Hehl aus ihren Affären mit Männern und Frauen, unter anderem mit der umtriebigen lesbischen Schriftstellerin Mercedes de Acosta und der Sängerin Edith Piaf.

Auch Eva LeGallienne (1899-1991), die 1980 für Der starke Wille nominiert war, verheimlichte in der Branche nicht, dass sie lesbisch war, was wohl auch daran lag, dass sie hauptsächlich an Theatern engagiert war und ihre erste Filmrolle erst mit Mitte 50 spielte. Die Britin war mit etlichen weiblichen Filmstars liiert, darunter Alla Nazimova und Tallulah Bankhead und fünf Jahre mit der bereits erwähnten Womanizerin Mercedes de Acosta.

Die erste Schwarze Oscar-Nominierte war 1949 Ethel Waters (1896-1977), die neben ihrer Kino-Karriere auch eine bekannte Jazz- und Broadway-Sängerin war. Waters war drei Mal verheiratet (und geschieden) und hatte in den 1920er Jahren, zwischen Ehe Nr.1 und Ehe Nr. 2, eine Beziehung mit der Tänzerin Ethel Williams. „Die zwei Ethels“, wie sie genannt wurden, lebten zusammen in Harlem und traten auch zusammen auf, bis Williams sich trennte und beide wieder Männer heirateten.

 

Gerüchte und offene Geheimnisse:

Im frühen Hollywood ging’s bekanntlich sehr lesbisch zu, und häufig verhielten die Stars so wenig diskret, dass die Gerüchte sogar an die breite Öffentlichkeit drangen. Da die Schauspielerinnen aber oft heterosexuell verheiratet waren und nur wenige „Spuren“ hinterließen, konnte die Homo- oder Bisexualität nur manchmal posthum anhand von Briefen und Aufzeichnungen bestätigt werden.

Public Domain/ Warner Bros. V.l.n.r.: Greta Garbo 1931, Katharine Hepburn 1941 und Sandy Dennis 1966 in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“

Dazu gehört auch Greta Garbo (1905-1990), die 1930/31 für gleich zwei Filme, Anna Christie und Romanze, nominiert war und 1950 den Oscar-Ehrenpreis „Governor Award“ bekam. Auch sie war in den 1930ern mit Mercedes de Acosta zusammen, was in eine Freundschaft mündete, die sie erst beendete, als die in ihrer 1960 erschienenen Autobiografie darüber schrieb.

Janet Gaynor (1913-1990), die allererste Gewinnerin eines Schauspiel-Oscars - sie wurde 1927/28 für ihre Performances in drei Stummfilmen ausgezeichnet -, war mit dem offen schwulen Kostümdesigner Adrian Greenburg verheiratet („lavender marriage“ nannte man das), ihre eigentliche „Ehefrau“ aber soll die Sängerin und Schauspielerin Mary Martin gewesen sein.

Claudette Colbert (1903-1996) gewann 1935 den Oscar für ihre Rolle in Es geschah in einer Nacht und wurde später noch zwei weitere Male nominiert. In den 1950er Jahren soll sie außerehelich mit der Künstlerin und reichen Erbin Verna Hull zusammen gewesen sein, die sogar das Nachbarhaus kaufte, um in ihrer Nähe zu leben. Colbert, deren politisch konservative Gesinnung allgemein bekannt war, dementierte allerdings eine romantische Natur ihrer Freundschaft.

In die Kategorie „Offenes Geheimnis“ fällt auch Katharine Hepburn (1907-2003), die vier Oscars gewann - für Morgenrot des Ruhms (1933), Rat mal, wer zum Essen kommt (1967), Der Löwe im Winter (1968) und Am Goldenen See (1981) – und zwölf weitere Male nominiert war. Sie soll mit der American Express-Erbin Laura Harding zusammen gewesen sein.

Die Gerüchte über Sandy Dennis (1937-1992), die 1966 für Wer hat Angst vor Virginia Woolf? gewann, wurden nach ihrem Tod von ihrem zeitweiligen Lebensgefährten Eric Roberts bestätigt: Ja, sie sei bisexuell gewesen und habe „viele lesbische Beziehungen“ gehabt, zitierte ihn Dennis' Biograf Peter Shelley. Dennis spielte auch eine der beiden lesbischen Hauptrollen in dem frühen Lesbenfilm The Fox (1967), in dem sie – wenig überraschend für die damalige Zeit – am Ende stirbt.

Public Domain/ Warner Bros./ Columbia Pictures V.l.n.r.: Barbara Stanwyck in dem Drama „Stella Dallas“ (1937), für das sie ihre erste Oscar-Nominierung bekam, Joan Crawford in „Mildred Pierce“ und Spring Byingtong in „Lebenskünstler“

Barbara Stanwyck (1907-1990) war vier Mal nominiert und bekam 1982 einen Ehren-Oscar. Die höchstbezahlteste Schauspielerin im Hollywood der 1940er Jahre galt als eine der größten Schrank-Lesben der Branche und soll Liaisons mit Tallulah Bankhead, Marilyn Monroe und Marlene Dietrich gehabt haben.

Dünn ist die Beweislage auch bei Joan Crawford (1905-1977), die drei Mal nominiert war und die Trophäe 1945 für Mildred Pierce – Solange ein Herz schlägt gewann. Ihr wurden unter anderem Affären mit Barbara Stanwyck und der lesbischen Regisseurin Dorothy Arzner nachgesagt.

Spring Dell Byington (1886-1971) ist trotz ihrer Oscar-Nominierung für die Komödie Lebenskünstler (1938) heute völlig in Vergessenheit geraten. Die Schauspielerin soll lesbisch gewesen sein und eine langjährige Beziehung mit der Schauspielerin/ Sängerin Marjorie Main gehabt haben.

Über Paulette Goddard (1910-1990), die sechs Jahre mit Charlie Chaplin verheiratet war, heißt es, dass sie bisexuell gewesen sei und unter anderem Affären mit Frida Kahlo und deren Ehemann gehabt habe. 1944 war sie für ihre Rolle in Mutige Frauen nominiert.

Die Academy Awards 2022, moderiert von der lesbischen Comedienne Wanda Sykes, Regina Hall und Amy Schumer, werden in der Nacht vom 27. zum 28. März von ProSieben live übertragen.

 

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