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Alaaf! Helau! Corona! – Fasching in Zeiten der Pandemie

Auch viele LGBT-Jecken sind traurig, dass die fünfte Jahreszeit coronabedingt ausfallen muss. Wir haben lesbische Närrinnen gefragt, wie sie (sonst) Karneval feiern. Und eine gute Nachricht gibt's: Die Kölner Röschensitzung sendet online.

vgg-köln „Schnitten schmieren, dekorieren, hamm, hamm“: Der Karnevalruf der Schnittensitzung wird wohl erst 2022 wieder erschallen

Von Michael Lenz

30.1.2021 - Der Corona-Winter ist megaöde. Im Rheinland aber fällt auch noch der „Fastelovend“ aus. Deprimierend für die Jecken. So manch andere werden vielleicht denken: Gut so! Karneval ist eh nur eine blöde Veranstaltung für besoffene Machos, mit der keine Lesbe etwas gemein hat. Weit gefehlt.

Die Wirklichkeit der fünften Jahreszeit zwischen Düsseldorf und Mainz sieht anders aus. Lesbisch-schwule Karnevalsveranstaltungen sind längst fester Bestandteil des Jeckentums, genauso wie lesbisch-schwule Karnevalsvereine, die bunt kostümiert in den Rosenmontagszügen mitziehen.

„Am 11.11. haben wir fast geheult“

Jule (43) und Tanja (46) Schäfer sind zwei lesbische Karnevalistinnen, die im Koblenzer queeren Karnevalsverein NarrenbunT aktiv sind. Sie treten bei Sitzungen in der Kulturfabrik mit auf und jubeln ganz selbstverständlich dem offiziellen Koblenzer Prinzenpaar zu, wenn es samt Gefolge bei der NarrenbunT-Sitzung einzieht. Normalerweise. Wegen Corona fallen in der Session 2020/21 alle Sitzungen aus.

„Am 11.11. haben wir fast geheult“, geben Jule und Tanja beim Gespräch mit L-MAG am Küchentisch zu. Aber auch wenn zum Karnevalsauftakt in den Straßen nicht das „Trömmelche“ zu hören war, stand das Ehepaar dann doch parat. „Wir haben spontan mit Freunden eine WhatsApp-Gruppe aufgemacht, uns geschminkt, kostümiert, etwas getrunken, Karnevalsmusik gespielt und halt auf diese Weise gefeiert“, erzählt Tanja alias Tani van de Tulpjes schmunzelnd. Als waschechte Rheinländerinnen haben die Physiotherapeutin und die Vollstreckungsbeamtin den Karneval im Blut.

Auch Zugezogene können Frohsinn

Bei Nicole Sperrmann und Karolin Balzar in Köln war das nicht so. Beide Frauen sind „Immis“, wie man in Köln Zugezogene nennt. „Ich bin so eine angeschrappte Westfälin“, sagt Nicole (49) und gibt zu, dass ihr der Karneval zunächst sehr suspekt war. Über Freundinnen aus dem Handballverein habe sie dann zum rheinischen Frohsinn gefunden. Mit ihrer Band „Abends mit Beleuchtung“ gehört die Bassistin inzwischen zum Ensemble der „Röschen-Sitzung“, die normalerweise im Kulturbunker Köln-Mülheim acht Mal über die Bühne geht.

„Privat-Karneval feiern geht nicht mehr. Man kann nicht ausgehen und am nächsten Abend wieder auf der Bühne stehen“, erzählt sie und erinnert sich, wie öd und leer der Chlodwigplatz in Kölns feierlustiger Südstadt am 11. November war. „Normalerweise geht es hier zu Karneval richtig ab.“

Lesbische Schnittchen in Köln-Nippes

Karolin Balzar hat es vor vielen Jahren aus Haan bei Mettmann nach Köln verschlagen. „Ich bin erst hier in Köln zum Karneval gekommen und war von Anfang an zum Alternativen hingezogen“, sagt sie. Seit 2007 ist die 58-Jährige als Mitbegründerin der lesbischen „Schnittchen-Sitzung“ selbst Teil der alternativen Karnevalsszene.

Das Label „lesbisch“ passt allerdings nicht ganz, denn zu den Sitzungen im Altenberger Hof in Köln-Nippes sind einfach alle willkommen. „Das hat zunächst so manchen Lesben gar nicht gefallen“, erinnert sich die verheiratete Balzar, die im richtigen Leben für den Sozialdienst Katholischer Frauen arbeitet. Doch die Kritik hat sich mittlerweile gelegt. Wie die „Röschen-Sitzung“ oder die Veranstaltungen des NarrenbunT sind die „Schnittchen-Sitzungen“ als Highlights der Session immer ausverkauft.

„Wir machen uns niemals auf Kosten anderer lustig“

Die lesbisch-schwulen Sitzungen changieren zwischen Show, Revue, Comedy, aber auch sie kommen nicht ohne Elemente des traditionellen Karnevals aus. „Vor Beginn der Sitzung spielt unsere Liveband erst mal Karnevalslieder“, bestätigt Tanja Schäfer. Die Schnittchen warten mit einem Kamelle und Strüßje werfenden Dreigestirn auf, in dem Karolin Balzar der Bauer ist. Zu Beginn der Sitzung verteilen die lesbischen Funkemariechen vom Tanzcorps „Maria Laach“ – richtig – Schnittchen.

Die Darbietungen der lesbisch-schwulen Karnevalssitzungen sind witzig, satirisch, politisch und nehmen selbstkritisch die Gay-Community aufs Korn. Einen wesentlichen Unterschied zu den traditionellen Karnevalssitzungen benennt Tanja: „Wir machen uns niemals auf Kosten anderer lustig.“ Gemeinsam ist den lesbischen Karnevalistinnen, dass sie nach dem Motto „wir sind queer, wir sind hier“, auch im männerdominierten Frohsinn Flagge zeigen wollen.

Die Röschen-Sitzung kommt als Streaming-Show

In der Corona-Ära wird der Narrenruf „Kowelenz Olau-Warm“ des NarrenbunT nicht erschallen, die Schnittchen lassen keine Raketen mit dem Ruf „Schnittchen schmieren, dekorieren, hamm, hamm“ steigen.

Nur das „Aloha“ der „Röschen-Sitzung“ wird digital erklingen. Unter dem Motto „EUROSAVISION – die Röschen-TV-Show“ wird es die Sitzung als „Stream on Demand“-Event geben. Bleibt die Vorfreude auf den hoffentlich coronabefreiten 11.11.2021, wenn „dat Trömmelche“ wieder live in den Straßen für eine fast normale jecke Session geschlagen wird.

EUROSAVISION - Die Röschen-TV-Show, 30. Jan. - 27. Feb. 2021, Tickets ab 15 Euro - alle Informationen auf der Webseite der Röschen-Sitzung

 

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