Alex, Arizona, Annalise - lesbische Vielfalt in US-Fernsehserien
Wenn wir queere Frauen in TV-Serien sehen wollen, müssen wir Richtung USA schauen: Dort gibt es aktuell 329 LGBTQ-Charaktere, wovon etwa die Hälfte weiblich ist. Dies und mehr fand die US-Medienorganisation GLAAD in einer neuen Studie heraus.
Von Karin Schupp
l-mag.de, 19.12.2017 - Dr. Arizona Robbins und ihre Loverinnen in Grey’s Anatomy, die lesbischen Mütter Stef und Lena in The Fosters, die bisexuelle Anwältin Annalise in How To Get Away With Murder, Knast-Butch Big Boo in Orange is the New Black und – der jüngste Neuzugang – das Frauenpaar in der Westernserie Godless: In der laufenden TV-Saison zeigen US-Fernsehserien 168 queere Frauenfiguren in Haupt- und Nebenrollen, genauer: 93 Lesben und 75 bisexuelle Frauen – und damit weitaus mehr, als es in Deutschland in den letzten fünf TV-Jahrzehnten zusammengerechnet gab!
Wer das so genau gezählt hat? Die US-Organisation GLAAD, die sich für die Sichtbarkeit von LGBTQ in den Medien einsetzt, macht sich jedes Jahr im Herbst die Mühe und wertet das komplette TV-Serienpersonal nach sexueller Identität aus.
329 LGBTQ-Seriencharaktere - mit Aufwärtstrend
Insgesamt gehören 329 Charaktere der TV-Saison 2017/ 2018 dem LGBTQ-Spektrum an, davon sind die Hälfte lesbische oder bisexuelle Frauen und 45% schwule oder bisexuelle Männer, die restlichen 5% verteilen sich auf asexuelle Charaktere, Personen ohne eindeutige Zuordnung und heterosexuelle Transmenschen.
A propos Transidentität: Insgesamt wurden 13 Trans-Charaktere und – erstmals in der Geschichte des Fernsehens - vier „non-binary“ Figuren (= fühlen sich keinem Geschlecht zugehörig) gezählt.
Auch wenn rund ein Drittel aller LGBTQ-Charaktere nur Nebenrollen sind, zeigt sich doch ein Aufwärtstrend gegenüber den Vorjahren - und zwar in allen drei Fernsehmärkten: dem klassischen „Network TV“ (den großen Sendern, die die meisten Haushalte empfangen), dem „Cable TV“ (vergleichbar mit unseren Digital- und Pay TV-Angeboten) und den eigenproduzierten Serien der Streamingdienste.
Die großen Mainstream-Sender hinken hinterher
Zu verdanken ist der Aufschwung vor allem den Cable-TV-Sendern und Streaminganbietern mit ihren spitzen und meist auch jüngeren Zielgruppen: Rund drei Viertel der LGBTQ-Charaktere tummeln sich dort, während die großen fünf Sender (ABC, CBS, The CW, Fox und NBC), die das breite Mainstream-Publikum im Visier haben, deutlich heterosexueller daherkommen.
Zum Vergleich: Bei den Network-Sendern steht The CW (Supergirl, Legends of Tomorrow) mit 13 LGBTQ-Rollen auf Platz 1 des Regenbogen-Treppchens, der „Klassenbeste“ im Cable-TV, Freeform (The Fosters, Pretty Little Liars), bietet 25 Rollen, und Netflix überstrahlt mit über 40 Rollen (davon allein 11 queere und trans* Frauen in Orange is the New Black!) alle anderen Anbieter.
Streamingserien haben den größten Anteil an queeren Frauen
Zwei interessante Beobachtungen innerhalb des Buchstaben-Spektrums: Schwule Männer sind mit Abstand am stärksten vertreten, was vor allem den großen Mainstream-Sendern zu verdanken ist. Im Cable-TV ist das Verhältnis hingegen ausgeglichener, und bei Netflix, Amazon & Co. sind sogar zwei Drittel der LGBTQ-Charaktere weiblich.
Und: Eine fließende Sexualität ist in der Fernsehwelt vor allem ein Frauending: 80 % der bisexuellen Charaktere sind weiblich.
LGBTQ-Charaktere: oft isoliert und dadurch entbehrlich
Mit puren Zahlen allein ist es aber nicht getan. GLAAD schaue auch genau hin, „wessen Geschichten erzählt werden, welche Bedeutung LGBTQ-Charaktere innerhalb eines Casts haben, und welche Serien-Genres LGBTQ-Charaktere zeigen (und welche uns erkennbar ausschließen)“, schreibt GLAAD-Vorstand Sarah-Kate Ellis in der Broschüre und weist darauf hin, dass viele Ensembles nur eine queere oder trans* Figur in ihren Reihen haben, die dann häufig „als entbehrlich empfunden [wird], wenn die Serie einsparen muss“ – wie das auffällige Lesben-Sterben in den vergangenen zwei Jahren zeigte (siehe K-Word #161).
"Chance, die Menschen in ihren Wohnzimmern zu erreichen"
Zudem kritisiert Ellis, dass es „am ehesten weiße, schwule Männer auf den Bildschirm“ schaffen, wo doch in den USA mehr Frauen als Männer lebten, und Bisexuelle die Mehrheit der LGBTQ-Community ausmachten. Und wieso nicht auch mal eine behinderte Bisexuelle, eine muslimische Transfrau oder einen schwarzen Schwulen? „Wenn die Regierung in Washington aktiv daran arbeitet, die Rechte aller Minderheiten zurückzufahren und Angst benutzt, um uns zu spalten, hat die Unterhaltungsbranche die einmalige Chance, Menschen in ihren Wohnzimmern zu erreichen“, appelliert Ellis an die Sender. „Diese Geschichten erlauben es dem Publikum, Erfahrungen mit Menschen zu teilen, von denen sie vorher glaubten, dass sie mit ihnen nichts gemeinsam hätten.“
GLAAD wertet die Charaktere auch nach Geschlecht, Behinderungen und ethnischer Herkunft aus. Der gesamte Bericht "Where We Are On TV '17-'18" steht als PDF hier.
Lest auch unseren Artikel zum GLAAD-TV-Report 2016: "Gutes TV-Jahr für LGBT, wenn sie nicht lesbisch sind" und den GLAAD-Report zum Kinojahr 2016: "Hollywood - So hetero wie eh und je"
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