All die aufregenden und verwirrenden Gefühle
Filmtipp: Paula ist heimlich in Charlotte verliebt, auch Charlotte denkt häufig an sie, und was will Lilli eigentlich von Paula? „Siebzehn“ erzählt - ganz ohne klassische Coming-Out-Szenen - authentisch vom Erwachsenwerden. L-MAG-Urteil: Sehenswert!
Von Isabel Lerch
l-mag.de, 12.4.2017 - Ein Dorf, irgendwo in Niederösterreich. Die 17-jährige Internatsschülerin Paula (Elisabeth Wabitsch) lebt zusammen mit ihrer älteren Schwester bei ihrem Vater. Die Sommerhitze legt sich über den Internatsalltag, und zum Glück sind bald Ferien. Mit ihren besten Freunden Marvin (Daniel Prem) und Kathrin (Vanessa Ozinger) teilt Paula alles - den neuesten Klatsch und Tratsch aus der Schule, aber vor allem die verwirrenden und aufregenden Gefühle. Paula spürt sie immer öfter. Denn sie ist heimlich in ihre Mitschülerin Charlotte (Anaelle Dézsy) verliebt, die allerdings mit Michael zusammen ist.
Und plötzlich drängt sich Lilli in den Vordergrund
Was Paula nicht weiß: Auch Charlotte denkt insgeheim oft an sie. Um ihre Unsicherheit und ihre Gefühle für Charlotte zu vergessen, lässt sich Paula auf ihren schüchternen Mitschüler Timo (Alexander Wychodil) ein, der in sie wahrhaftig verliebt ist. Und als ob die Lage nicht schon kompliziert genug wäre, spielt sich plötzlich die Lilli (Alexandra Schmidt) in den Vordergrund. Sie sehnt sich nach Aufmerksamkeit und provoziert Paula permanent auf frech-verführerische Weise.
Genug Stoff also für eine Menge Drama, das zeitgemäß und authentisch inszeniert wird: Siebzehn ist ein ästhetischer Film über die stürmische Zeit des Erwachsenwerdens und der ersten Liebe.
Elisabeth Wabitsch spielt mit klarer Natürlichkeit
Regisseurin Monja Art gelingt mit ihrem Debüt eine kluge Erzählung über das Alltägliche, das zwischen trister Schulroutine, öder Provinz, familiärer Verantwortung, den ersten Liebesgefühlen und sozialem Einzelgängertum manchmal beinahe unerträglich scheint. Denn Paula ist reifer als viele ihrer Schulkameraden, sie liebt französische Literatur und versinkt manchmal in ihrer Gedankenwelt. Hauptdarstellerin Elisabeth Wabitsch verleiht ihr mit einer starken Performance eine so klare Natürlichkeit, das man sich ihrer Präsenz kaum entziehen kann.
Das Schöne an Siebzehn ist, dass er ohne großes Pathos auskommt und stattdessen auf subtile Art viele emotionale Empfindungen touchiert. Mal kribbelt es wohlig im Bauch, mal wird einem warm ums Herz, und mal spürt man ein wenig von jener fast schon existenziellen Verzweiflung, die die Jugend oft charakterisiert. Es sind diese starken Szenen, die den Film tragen - trotz mancher eher spannungsarmen Phasen.
Ohne klassische Coming Out-Szenen
Eine ist jedoch nicht dabei: Die beliebte Szene, die sonst in solch einem Genre-Film den ersten magischen Kuss zweier junger Frauen in Zeitlupe zeigt. Siebzehn kommt ganz ohne sie aus. In einem Interview betonte Regisseurin Monja Art, dass es ihr wichtig war, dass es „kein Coming-Out Film ist.“ Denn es sei ganz egal, wer mit wem zusammen ist. Ob Coming-Out, Coming-Of-Age oder Coming-Out-Of-Niederösterreich: Siebzehn ist ein sehenswerter und kluger Film, den man nicht verpassen sollte.
Siebzehn läuft im April als queerfilmnacht-Preview in vielen deutschen Städten (alle Orte und Termine), Kinostart: 27. April.
Siebzehn (Österreich 2017), Buch/Regie: Monja Art, mit: Elisabeth Wabitsch, Anaelle Dézsy, Alexandra Schmidt, Alexander Wychodil, Christopher Schärf, Daniel Prem u. a., 104 Min.
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