Ampel-Aus: Kein Ende der „Stiefkindadoption“ für lesbische und queere Familien?
Die Ampel-Koalition hat Regenbogenfamilien unter anderem versprochen, die „Stiefkindadoption“ abzuschaffen. Doch vor den Neuwahlen scheint aus der Reform des Familien- und Abstammungsrechts nichts zu werden. Unser Überblick über den Stand der Dinge.
Von Sascha Suden/ fs
27.11.2024 - Die Ampelkoalition ist zerbrochen, am 23. Februar 2025 wird der Bundestag neu gewählt. Für Lesben und andere Queers ist das eine schlechte Nachricht - denn einige zentrale queerpolitische Vorhaben der Koalition sind noch nicht umgesetzt, darunter die Gleichstellung lesbischer und queerer Eltern. Was wird nun daraus?
SPD, Grüne und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, das Abstammungs- und Familienrecht zu reformieren. Im Januar 2024 veröffentlichte das Bundesministerium des Justiz hierzu ein „Eckpunktepapier“ (wir berichteten). Seitdem ist nichts weiter passiert. Bis heute gab es keine Hinweise darauf, dass die Reform noch vor den Neuwahlen umgesetzt wird.
Justizministerium: „Keine Aussage zum weiteren Vorgehen möglich“
Im November stellten wir eine entsprechende Anfrage an das Justizministerium. Die Antwort: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne man „keine Aussage zum weiteren Vorgehen der durch die derzeitige Bundesregierung geplanten Vorhaben“ machen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus antwortete nicht auf eine schriftliche Anfrage von L-MAG.
Worum es geht: Das derzeit noch geltende Abstammungsrecht benachteiligt lesbische und queere Familien. Wird ein Kind in eine Frau-Mann-Ehe geboren, gilt der Ehemann automatisch als rechtliches zweites Elternteil - unabhängig davon, ob er das Kind gezeugt hat. Auch außerhalb einer Ehe kann eine Vaterschaft anerkannt werden. Bekommt ein lesbisches Paar hingegen ein Kind, muss die Frau, die das Kind nicht ausgetragen hat, dieses nach der Geburt erst adoptieren (Stiefkindadoption). Dies betrifft auch Elternteile, die einen Geschlechtseintrag als „divers“ oder keinen Geschlechtseintrag haben.
Laut dem „Eckpunktepapier“ sollte es Co-Müttern in Zukunft möglich sein, ihre Elternschaft am Standesamt einfach anerkennen zu lassen – ohne die Stiefkindadoption.
Queere Verbände forderten weitergehende Regelungen
An dem Entwurf des damals noch FDP-geführten Justizministeriums gab es allerdings Kritik von queeren Organisationen: unter anderem fehle eine rückwirkende Regelung für vor der Reform geborene Kinder. Auch die Elternschaft von trans, inter und nicht binären Personen bliebe weiterhin ungesichert. Dies schrieben die Initiative von Regenbogenfamilien Nodoption, der LSVD+ - Verband Queere Vielfalt, der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwuler Jurist*innen (BASJ) im Oktober in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Christina Klitzsch-Eulenburg von Nodoption fordert nun, dass der Bundestag die Änderung noch vor den Wahlen zur Abstimmung bringt. „Die Reform MUSS sofort beschlossen werden!“, sagt sie gegenüber L-MAG. „Die Aufrechterhaltung der Verletzung der Grundrechte unserer Kinder, namentlich die fehlende rechtliche Absicherung unserer Kinder, darf keinen Tag mehr weiter gehen.“
Doch auch Sven Lehmann, der Queerbeauftragte der Bundesregierung, macht keine Hoffnung. Am 14. November richtete er sich in einem offenen Brief direkt an die queere Community. Darin schrieb er, bei noch ausstehenden Gesetzesvorhaben wie der Reform des Abstammungs- und Familienrechts sei die Regierung „auf einem sehr guten Weg“ gewesen. „Die ursprünglichen Planungen sind nun aber leider durch den Bruch der Ampel-Koalition über den Haufen geworfen.“
Bundesverfassungsgericht: Sechs Klagen von Zwei-Mütter-Familien
Und nicht nur die Politik hat die Reform zu lange aufgeschoben. Auch das Bundesverfassungsgericht kommt seiner Verantwortung nicht nach: Seit 2021 liegen dem Gericht sechs Verfahren von Zwei-Mütter-Familien vor. Mehrere Familien haben nun die Verzögerung ihrer Verfahren gerügt und gegen den Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Henning Radtke einen Befangenheitsantrag gestellt. Grund: Radtke äußerte öffentlich, dass er über das Verfahren nicht entscheiden wolle, da es alleinige Sache des Gesetzgebers sei.
Unverständnis bei den betroffenen Müttern: „Es ist für uns nicht verständlich, warum das Gericht die offenkundige Diskrimierung unserer Kinder nicht benennen will“, sagen zwei der Beschwerdeführerinnen, Christin G. und Catherine K. „Wir haben es satt, dass sich Gesetzgebung und das Bundesverfassungsgreicht über Jahre einen ‚Staredown‘ liefern, wer unsere Kinder endlich rechtlich absichert“, ergänzt Christina Klitsch-Eulenburg gegenüber L-MAG. Egal wer nach der Neuwahl im Februar die neue Regierung bilden wird: „Wir erwarten die vollständige Absicherung unserer Kinder und Familien.“
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