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ARD-Serie „In aller Freundschaft“: „Wir erzählen das so wie jede andere Liebesgeschichte auch“

Seit einigen Monaten gibt's in der Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ (ARD) ein Frauenpaar – und das ganz ohne Coming Out-Drama. Wir unterhielten uns mit Christina Petersen und Liza Tzschirner, die Miriam & Rieke mit viel Engagement spielen.

MDR/ Saxonia Media/ Wernicke Rieke (Lisa Tzschirner) und Miriam (Christina Petersen)

Von Meike Lockhorst

5.5.2020 - Lesbische Paare findet man in deutschen Serien - wenn überhaupt – vor allem im Vorabendprogramm. In der Hauptsendezeit tun sich dagegen die deutschen Fernsehsender immer noch schwer mit der Darstellung von Vielfalt. Mit In aller Freundschaft hat sich nun eines der Flaggschiffe der deutschen Serien-Unterhaltung aus der Deckung gewagt.

Im vergangenen August lernte Schwester Miriam Schneider - eine der Hauptfiguren der Serie, die in der fiktiven Leipziger Sachsenklinik spielt - die Sportlehrerin Rieke Machold kennen, als die ihre kranke Großmutter in die Klinik begleitete.

Die beiden waren sich schnell mehr als sympathisch, doch in den folgenden Wochen ging Miriam durch ein Wechselbad der Gefühle. Zunächst meldete sich Rieke nicht mehr bei ihr, und dann stellte sich heraus, dass sie eine Freundin hatte - was sie aber nicht daran hinderte, mit Miriam zu flirten. Schließlich machte Miriam Rieke eine klare Ansage. Rieke trennte sich von ihrer Freundin, und Miriam und Rieke wurden ein Paar.

L-MAG hat mit Christina Petersen (Miriam) und Liza Tzschirner (Rieke) über „Mieke“ - ein Fan-Name, der sich inzwischen auch bei den Schauspielerinnen eingebürgert hat - gesprochen.

 

Die Geschichte von Miriam und Rieke läuft seit letztem Sommer. Es hat ein wenig gedauert, aber inzwischen sind sie zusammen. Wie sind die Reaktionen, die bisher bei euch angekommen sind?

Christina: Erstmal haben die Fans sehr viel Geduld bewiesen. Ich fand es aber schön, dass da ein Prozess erzählt wurde und es Konflikte gab – so ist es im echten Leben ja auch öfter mal. Und die Reaktionen, die ich mitbekommen habe, waren fast ausschließlich positiv. Es gibt natürlich zu jedem Thema Leute, die sich querstellen oder denen das nicht gefällt, aber die meisten Reaktionen waren wirklich wunderschön, ob von alt oder von jung.

Liza: Was mich persönlich erreicht hat, war durch die Bank positiv. Ich habe mal bei Facebook gelesen „Ach Mensch, müssen bei der ARD denn jetzt auch die Mädchen miteinander“, das ist aber auch schon das Schlimmste und das hat mich wahnsinnig gefreut. Ich finde auch, dass die Autoren das sehr intelligent gemacht haben. Miriam ist eben keine neue Figur, bei der das auftaucht, sondern sie hat schon einen Identifikationsfaktor für die Zuschauer, also auch für eine Zielgruppe, die sich jetzt mit dem Thema gleichgeschlechtliche Liebe vielleicht noch nicht so identifizieren kann.

Gerade wenn etablierte Serienfiguren, die bisher nicht ausdrücklich als queer bezeichnet wurden, sich in jemanden des gleichen Geschlechts verlieben, wird das häufig sehr intensiv thematisiert. Darauf wurde hier verzichtet. Nicht einmal Miriam selbst schien davon überrascht gewesen zu sein, sich in eine Frau verliebt zu haben. Welche Überlegungen sind da in die Entwicklung der Geschichte eingeflossen?

Christina: Darüber konnte ich viel mit den Machern sprechen und wir waren alle der Meinung, dass wir das genau so erzählen wollen wie jede andere Liebesgeschichte auch. Wir hatten schon in der Webserie [Nachts in der Sachsenklinik - Anm. d. R.] eine Episode, in der Miriam eine Frau küsst (siehe unten). Ich bin mir ziemlich sicher, dass man mit Mitte/ Ende 20 mitbekommen hat, ob man vielleicht Interesse an beiden Geschlechtern hat oder nur an einem, und deswegen habe ich das auch nicht so groß gespielt beziehungsweise haben wir das auch nicht so groß reingeschrieben. Natürlich ist es eine neue Situation, eine Beziehung mit einer Frau, aber ich fand ganz schön, dass es nicht der komplette „out of control“-Moment für Miriam war. Die Unsicherheit von Miriams Seite wird ja trotzdem erzählt, nicht nur, weil Rieke so sprunghaft ist, sondern auch weil Miriam in dem Moment diejenige von den beiden ist, die nicht ganz so schnell vorprescht und erstmal nachdenkt, vielleicht sogar ein bisschen zu viel.

Liza: Die Entscheidung, es selbstverständlich zu behandeln, mochte ich auch. Weil es auch was erzählt. Zu Casting-Zeiten gab es noch die Idee, dass Rieke mit einem Mann zusammen ist und sie dann aus der Bahn geworfen wird, weil sie sich auf einmal in eine Frau verliebt. Und als das dann in eine Frau geändert wurde, dachte ich erst: „Oh, okay, jetzt wird der Konflikt da rausgenommen, dass sie quasi komplett umdenken muss“, aber dann habe ich mich gefreut. Rieke ist eine Frau, die schon seit Jahren in einer lesbischen Beziehung lebt, das ist ihre sexuelle Identifikation. Wir hinterfragen das nicht, wir kritisieren das nicht, wir stellen das einfach hin, so wie es im echten Leben sein sollte.

Was in der Geschichte bisher auch noch gar nicht adressiert wurde, ist das Thema Homophobie. So entspannt, wie das Umfeld von Miriam und Rieke darauf reagiert, dass die beiden ein Paar sind, ist es in der Realität ja leider nicht immer.

Christina: Darüber sprechen wir auch viel. Es ist uns auch wichtig, dass man die Realität natürlich nicht komplett außen vor lassen darf. Es ist aber schwierig – wie setzt man das jetzt um, ohne dass man homophoben Leuten noch irgendwie ein Sprungbrett gibt? Und deswegen muss man da mit Sensibilität vorgehen und darf das nicht übers Knie brechen. Ich persönlich würde es aber sehr begrüßen, wenn man so was auch mal zeigen würde.

Liza: Man möchte natürlich auch keine der schon bestehenden, gut erzählten Figuren bei In aller Freundschaft beschädigen, indem man ihnen quasi eine homophobe Gesinnung reinschreibt. Das müsste also über eine Episodenrolle erzählt werden. Darüber sind wir tatsächlich im Gespräch, weil Christina und ich beide angemeldet haben, dass wir das schön fänden, wenn das mal thematisiert werden würde.

Es wird deutlich, dass ihr euch beide viele Gedanken über die Entwicklung der Geschichte macht, auch worauf geachtet werden sollte und wo Klischees lauern könnten. Worauf stützt ihr das? Habt ihr euch z.B. auch damit beschäftigt, wie lesbische Liebesgeschichten bisher erzählt wurden?

Liza: Da kommt sehr viel aus dem Alltag, sehr viel aber auch „Was für Geschichten gibt es jetzt gerade im deutschen Fernsehen?“ Wenn man sich das anschaut – es ist wahnsinnig wenig und immer sehr stark problematisiert. Und das ist auch wichtig, weil es die Realität ist. Aber wenn du es nur problematisierst im Fernsehen, wird es auch immer als Problem wahrgenommen. Das ist ja auch eine Form von Sozialisation, von Denkmustern, die gestrickt werden. Und die Entscheidung, davon wegzugehen, hat ganz viel damit zu tun.

Christina: Wir haben beide einen recht großen Freundeskreis, in dem es natürlich auch schwule Männer und lesbische Frauen gibt, da kommt man an dem Thema nicht vorbei. Das ist nicht so, als hätten wir noch nie davon gehört, was für Probleme man haben kann, wenn man als gleichgeschlechtliches Paar Händchen haltend über die Straße geht. Was ich auch spannend finde, ist, dass es selbst in Berlin, wo immer gesagt wird, dass hier alles so offen ist und jeder sein kann, wie er ist, ein Problem sein kann. Das sind dann die Punkte, wo wir sagen „Darüber habe ich, ehrlich gesagt, noch nicht nachgedacht, ob ich jetzt die Hand von meinem Partner nehmen darf oder nicht.“ Und das ist halt schon irre.

Liza: Meine beste Freundin ist lesbisch. Durch sie habe ich mich schon immer damit auseinandergesetzt, aber seit ich diese Rolle habe, ist das noch mal viel intensiver. An wie vielen Orten, auf wie viele Arten in meinem Leben ich nicht diskriminiert werde, weil ich eine weiße, heterosexuelle Frau bin. Ich bin mir bewusst, dass das ein Privileg ist und dass das nichts Normales ist. Und das haben diese Dreharbeiten bei mir ausgelöst.

Zum Abschluss noch eine Frage für die Fans, die – wie du am Anfang schon einmal sagtest, Christina – bisher sehr viel Geduld bewiesen haben. Ohne zu viel zu verraten: Wird es zukünftig mehr von Miriam und Rieke zu sehen geben?

Liza: Ja. Ich denke das dürfen wir sagen: Die kommende Staffel steht sehr im Zeichen von „Mieke“.

 

In aller Freundschaft läuft dienstags gegen 21:00 Uhr im Ersten.

Heute (5. Mai) in der Folge „Bombenstimmung“: Miriam möchte mit Rieke zusammenziehen, aber die reagiert auf ihren Vorschlag anders als erhofft. 

 

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