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Auswirkungen der Pandemie: Viele LGBTI* haben Kontakt zur Community verloren

Verlust von sozialen Kontakten, Isolationsgefühle und Distanzierungsmaßnahmen, die auf heteronormative Beziehungen ausgerichtet sind: Eine neue Studie zeigt, dass queere Menschen überdurchschnittlich oft unter den Folgen der Pandemie leiden.

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as, 13.3.2021 - Eine neue Studie der Sigmund-Freud-Universität Wien weist auf Schwierigkeiten hin, die queere Menschen in der Corona-Krise erleben. Das von Dr. Barbara Rothmüller geleitete Projekt „Intimität, Sexualität und Solidarität in der COVID-19 Pandemie“, für das Menschen in Österreich (78%) und Deutschland (22%) befragt wurden, erforscht, wie die Bevölkerung mit den Distanzierungsmaßnahmen umgeht und wie sich diese auf Freundschaften, familiäre und berufliche Beziehungen, Liebesbeziehungen, Dating und sexuelles Verhalten auswirken. Es läuft noch bis zum November 2021.

Zweiter Lockdown problematischer als der erste

Erste besorgniserregende Ergebnisse zum Schwerpunkt LGBTI* wurden bereits Anfang März veröffentlicht. Sie beziehen sich auf eine Ende 2020 geführte Online-Befragung. Besonders problematisch ist demnach, dass für einige LGBTI* die Kontakte zur Community und zu Vertrauenspersonen weggefallen sind – im zweiten Lockdown im Herbst 2020 noch mal mehr als im Frühjahr. Auch erleben einige der queeren Befragten in der Corona-Krise mehr Diskriminierung als sonst.

Alternative Beziehungsformen nicht mitgedacht

14% der queeren, bi-, pan-, homosexuellen und kinky Befragten gaben an, in der Pandemie Ausgrenzungserfahrungen aufgrund ihrer Sexualität gemacht zu haben. Auch rund ein Viertel der trans* und nicht binären Personen erlebten Diskriminierung.

Als Grund wurde am häufigsten Homofeindlichkeit genannt, aber auch die Moralisierung sexueller Kontakte in der Pandemie spielte eine Rolle. Ebenso wurden die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als diskriminierend erlebt, da sie auf heteronormative Beziehungskonzepte ausgerichtet seien. Andere Beziehungsformen - wie polyamore Partnerschaften oder die sozialen Netzwerke von Singles - seien nicht mitgedacht worden.

Spazierengehen & Co: Queere Paare haben es schwerer

Laut der Studie sei in der Pandemie auch die erhöhte Sichtbarkeit von queeren Personen im öffentlichen Raum relevant, etwa bei Spaziergängen. Dies könne mit einer erhöhten Diskriminierungsbetroffenheit und -erwartung einhergehen. Während 94% der heterosexuellen Befragten angaben, im zweiten Lockdown angstfrei als Paar händchenhaltend auf der Straße gehen zu können, bestätigten das 81% der LGBQ*-Befragten und nur 59% der trans* und nicht binären Befragten.

Kontakt zur queeren Peergroup verloren

Viele der LGBTI*-Befragten gaben an, im zweiten Lockdown keinen Kontakt mehr zu einer Community zu haben, die sich zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt austauscht. Jede dritte der befragten trans* oder nicht-binären Personen und 39% der lesbischen und schwulen Befragten hatten den Kontakt zu ihren queeren Peers verloren.

Bei einer Pilotstudie im April 2020 hatten 14% der lesbischen und schwulen Teilnehmer*innen angegeben, vor der Pandemie keinen Kontakt zu Personen der queeren Community zu haben. Bereits im ersten Lockdown war diese Zahl auf 31% angestiegen.

Weniger Kontakt zu Vertrauenspersonen

Auch den Kontakt zu Vertrauenspersonen verloren Queers häufiger: Ein Fünftel der heterosexuellen Befragten sagte, im Lockdown mit Vertrauenspersonen weniger in Kontakt zu stehen, während es unter den queeren, lesbischen, schwulen und bisexuellen Personen rund ein Drittel waren.

Insgesamt gaben 60% der LGBQ* an, sich stark isoliert zu fühlen. 39% waren während des Lockdowns von Einsamkeit betroffen. Fast 90% machten sich große Sorgen, dass benachteiligte Bevölkerungsgruppen in der Pandemie vergessen werden.

Aber viele zeigen auch Unterstützungsbereitschaft

Zugleich zeigte die Umfrage aber auch, das sich viele Queers nach wie vor für ihre Community oder für Bekannte engagieren, die sozial oder finanziell von der Krise betroffen sind.

Befragt wurden 377 LGBTI*-Personen, das waren 23% der 1.600 Studienteilnehmenden: 44% identifizierten sich als bisexuell, 16% als homosexuell, 14% als pansexuell, 12% als queer, 5% als kinky, 9% gaben eine andere Sexualität an. 3% waren trans* oder nicht binär; weitere 38 Personen gaben eine asexuelle Identität an. In der gesamten Studie waren Cis-Frauen mit einem Anteil von 71% im Vergleich zur Normalbevölkerung überrepräsentiert.

Neue Broschüre mit ähnlichen Ergebnissen

Ähnliche Ergebnisse zeigt eine Broschüre, die die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, der Bundesverband Trans*, der Verein Intergeschlechtliche Menschen e. V. und der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland am Donnerstag veröffentlicht haben.

Sie beschäftigt sich ebenfalls mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf LGBTI* und beruht auf Fachgesprächen mit 255 queeren Initiativen und Institutionen aus allen Bundesländern.

LGBTI*-Organisationen fordern, Lösungsansätze zu erarbeiten

Die queere Community sei in der Pandemie mit besonderen Herausforderungen und Härten konfrontiert, heißt es darin. Dazu gehören finanzielle Schwierigkeiten, eine politische „Retraditionalisierung“ der Gesellschaft u. a. durch die Fokussierung auf die Kleinfamilie, oder auch eine Zunahme von Gewalterfahrungen im privaten und öffentlichen Raum. Entscheidungsträger*innen in Politik und Verwaltung werden aufgefordert, die Auswirkungen der Krise auf unterschiedliche Gruppen in den Blick zu nehmen und gemeinsam mit Vertreter*innen der Community Lösungsansätze zu erarbeiten.

Hier gibt's die Broschüre als PDF

 

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