L-Mag

Buch: Von der „Ultra-Homophobie“ ihrer Kindheit schreibt Luise F. Pusch in „Gegen das Schweigen“

In ihrer Autobiografie „Gegen das Schweigen“ fassst die lesbische Feministin und Linguistin Luise F. Pusch ihre Kindheit und Jugend in den homophoben 1950er und 1960er Jahren in authentische Worte – herzzereißend, aber niemals wehleidig.

Sabine Wunderlin Luise F. Pusch (*1944) ist Mitbegründerin der feministischen Sprachwissenschaft in Deutschland, wurde 2004 als „BücherFrau des Jahres“ geehrt und 2016 mit dem „Luise-Büchner-Preis für Publizistik“ ausgezeichnet

Von Susanne Lück

7.3.2023 - „Eine todeswürdige Untat kosmischen Ausmaßes“ habe sie in den Augen der Gesellschaft der 1950er- und 60er-Jahre begangen, indem sie sich in eine Mitschülerin verliebte. So erlebt Luise F. Pusch ihre Kindheit und frühe Jugend in Westfalen in einem andauernden Gefühl des Verfolgtwerdens und Sichversteckenmüssens. Umso entschlossener wird sie später für sich und für die Frauen kämpfen: als (Mit-)Begründerin der feministischen Linguistik, als Verfechterin von Binnen-I, Genderpause und generischem Femininum und Verfasserin des Standardwerkes Deutsch als Männersprache.

Den Weg dorthin aber beschreibt Luise F. Pusch in ihrem neuen autobiografischen Buch Gegen das Schweigen als einen mühevollen immerwährenden Kampf gegen innerlich wucherndes Schuldgefühl und von außen unterdrückten Entfaltungsdrang.

„Quälerei weitgehend unter der Oberfäche“

„Wie das meiste im damaligen Lesbenleben spielte sich diese Quälerei weitgehend unter der Oberfläche ab“, schreibt sie über ihre nie ausgesprochenen Gefühle. Menschen, die offen mit ihr darüber gesprochen hätten, die sie aufgefangen und gestärkt hätten, vermisst sie während ihrer prägenden frühen Lebensjahre schmerzlich. Weder die ängstlich den sozialen Status verteidigende Familie noch die indoktrinierten Seelsorger ihrer Zeit können dem verunsicherten Mädchen helfen.

Davon zu lesen ist herzzerreißend. Der niemals wehleidige Ton des Buches, oftmals von Luise F. Puschs trockenem Humor getragen, macht es uns leicht authentisch mitzufühlen. Wir können uns mit ihr zurückerinnern, wenn sie Zuflucht bei Lilli Palmer, Greta Garbo und klassischer Musik findet, und ihr applaudieren, wenn sie sich schwört es später einmal allen zu zeigen. Dass es dafür zunächst jahrelanger Psychotherapien bedurfte, ist schwer zu ertragen. Aber nach der Lektüre nicht mehr so überraschend.

Künftigen queeren Generationen die Tortur ersparen

Es gibt nicht viele lesbische Stimmen aus dieser Zeit, die hör- oder lesbar wären. Luise F. Puschs dringlichstes Anliegen ist heute: „Wir müssen uns zu Wort melden und sichtbar sein, damit künftigen Generationen von Lesben und Schwulen die Tortur erspart bleibt und sie als gleichwertige Menschen in unserer Gesellschaft aufwachsen können.“ Ein klarer Appell: Bleibt laut, bleibt kämpferisch, bleibt offen! Lasst Anlaufstellen, Ansprechpartner, Vorbilder für queere Jugendliche nicht verschwinden.

Ein Buch, das gefehlt hat, denn es erinnert uns daran, dass wir uns des Erreichten nicht allzu sicher wähnen sollten. Dass diese spezielle Tortur im eigenen Land noch nicht einmal ein Menschenleben zurückliegt. Mädchen im Iran oder in Qatar, in Russland, Polen, Ungarn oder in afrikanischen Ländern aber erfahren sie jetzt in diesem Augenblick.

Luise F. Pusch, Gegen das Schweigen. Meine etwas andere Kindheit und Jugend,AvivA-Verlag 2022 (22,- €)

Hör-Tipp: Luise F. Pusch war im August 2022 in Maren Kroymanns Podcast „War's das?“ zu Gast - gibt's in der ARD-Audiothek und auf vielen Podcast-Plattformen

 

Die aktuelle Ausgabe der L-MAG  jetzt an jedem Bahnhofskiosk, im Abo, als e-Paper und bei Readly erhältlich.

Aktuelles Heft

Metamorphosen - queeres Leben und Sterben

Genderneutrale Erziehung - Elizabeth Kerekere, Aktivistin aus Neuseeland - Internationales FrauenFilmFestival - LGBTIQ* Community in Armenien mehr zum Inhalt




Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!

Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!
x