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Coming Out unter die Lupe genommen

Coming Out - das ist doch alles kein Problem mehr, oder? Muss man sich denn heute überhaupt noch outen? Über 5000 LGBT-Jugendliche gaben in einer Online-Befragung - der größten, die es in Deutschland je dazu gab -, interessante Antworten auf diese Fragen.

Foto: Kris Krüg, CC-BY-NC-ND

Von Karin Schupp

l-mag.de, 3.12.2015 - Wenn Jugendliche ihr Coming Out haben, sind sie meistens zwischen 13 und 16 Jahre alt. Ihre Haupt-Informationsquelle ist das Internet, und auch die Sichtbarkeit von LGBT-Personen in Film und Fernsehen hat im Coming Out-Prozess eine große Bedeutung.

Anderen gegenüber outen sie sich mit knapp 17 Jahren zum ersten Mal, meistens bei einer Person aus dem Freundeskreis, vor allem der besten Freundin. Junge lesbische und bisexuelle Frauen tun sich damit offenbar leichter: Zwischen ihrem inneren und äußeren Coming Out vergehen im Durchschnitt 1,7 Jahre, bei Männern sind es fast 3 Jahre. 

Coming Out - und dann...?!

Das ergab die groß angelegte Online-Befragung "Coming Out...und dann?!" des Deutschen Jugendinstituts (DJI), an der über 5000 lesbische, schwule, bisexuelle und trans* Personen im Alter von 14-27 Jahren teilnahmen. Bevor die Ergebnisse dieser ersten umfassenden LGBT-Jugendstudie in Deutschland 2016 ausführlich (und inklusive 40 qualitativer Interviews) als Buch erscheinen, wurden die wichtigsten Punkte vorab in einer Broschüre vorgestellt.

Die Antworten zeigen nicht nur, dass das innere Coming Out früher stattfindet, als viele glauben, sondern auch, dass die meisten Jugendlichen dabei auch heute noch weitgehend auf sich allein gestellt sind und ihre Ängste noch groß sind.

So befürchte(te)n drei Viertel eine Ablehnung im Freundeskreis, 69 % Ablehnung in der Familie und immerhin jede_r Fünfte körperliche Gewalt oder Bestrafung durch die Eltern.

Befürchtungen der Jugendlichen vor ihrem ersten äußeren Coming Out:

N=4.034, in Prozent (Mehrfachnennungen waren möglich) - Quelle: DJI-Studie Coming Out 2015

Und auch wenn die Mehrheit das Coming Out im Freundeskreis dann tatsächlich als eher unproblematisch erlebte, berichten vier von zehn Jugendlichen auch von negativen Situationen, etwa einer zu starken Betonung der sexuellen Orientierung oder unfreiwilligem Outing.

Häufig Probleme in der Familie und Ausbildung

Auch die Familie ist nicht diskriminierungsfrei: Fast zwei Drittel der Jugendlichen hatten (oder haben) das Gefühl, dort à la „Das ist nur eine Phase“ nicht ernst genommen zu werden. Und 17 % wurden von Familienmitgliedern beschimpft, beleidigt oder lächerlich gemacht.

Letzteres erlebten 55% der geouteten Jugendlichen auch an Schule, Uni oder Arbeitsplatz. Da erscheint es fast als Lippenbekenntnis, wenn etwas mehr als die Hälfte Lehrer_innen hat(te), die „schwul“, „lesbisch“ oder „trans“ nicht als Schimpfwörter dulden.

Viele ändern ihr Freizeitverhalten kaum

Interessant ist, dass viele Jugendliche nach dem Coming Out ihren Freundeskreis und ihr Ausgehverhalten nicht wesentlich ändern: Knapp drei Viertel haben mindestens zur Hälfte oder sogar ausschließlich heterosexuelle Freunde und Freundinnen. Und obwohl fast alle Befragten die LGBT-Infrastruktur in ihrer Umgebung - CSDs, Straßenfeste, Kneipenszene - kennen, besucht nur gut die Hälfte diese Orte und Veranstaltungen. Die sexuelle Orientierung ist also offenbar nicht mehr so identitätsstiftend, wie sie es einmal war.

Aus den Ergebnissen leitet das DJI mehrere Forderungen ab, etwa den Ausbau von Internet-Präsenzen, Freizeit- und Beratungsangeboten, die Sensibilisierung von Jugend-Einrichtungen und Fachkräften, die mit Jugendlichen arbeiten, und die rechtliche Gleichstellung von lesbischen, schwulen und trans* Lebensweisen. Man kann nur hoffen, dass die Regierung sich für die Ergebnisse interessiert - immerhin wurde das Projekt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Die DJI-Broschüre "Coming Out - und dann...?!" steht hier online.

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