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Die Lust, so männlich wie weiblich zu sein

Drag King-Ikone Diane Torr ist letzte Woche im Alter von 68 Jahren gestorben. Ein Nachruf auf eine Performerin, Körper-Aktivistin und Feministin, die mit ihren „A Man for a Day“-Workshops auch hierzulande Spuren hinterließ.

Doku "A Man for a Day" Diane Torr (1948-2017)

Von Gudrun Fertig

l-mag.de, 4.6.2017 – „A Man for a Day“, ihr berühmter Workshop, führte sie von Nordamerika durch Europa bis nach Neu-Delhi. Frauen kleiden sich wie „Männer“, kleben sich einen Bart an und versuchen in Körpersprache, Mimik und Gestik als „Männer“ zu agieren.

Nach zwei Tagen Training endet alles im großen Finale: ein Ausflug als „Männer“ in die reale Welt. Dianes Motivation zu diesen Workshops, die sie über 20 Jahre lang unterrichtete, war ursprünglich eine feministische, gepaart mit ihrer Lust am Spiel mit Rollen und Körperausdrücken. Verhaltensweisen zu sezieren, die gesellschaftlich als „weiblich“ oder „männlich“ definiert sind, war ihr ein lebenslanges Fest.

 Dass ihre Workshops damit – gerade auch in Berlin Anfang der 2000er Jahre – für eine aufblühende lesbische Drag-King-Szene in vielen Städten sorgten und etlichen Transmännern als spielerische Probebühne dienten, war ihr dennoch sehr recht. Unvergessen auch das godrag! Festival, das sie 2002 zusammen mit Bridge Markland im damals noch existierenden Tacheles organisierte.

Als "Mann" das immerwährende weibliche Lächeln ablegen

In einer feministischen und alternativen Szene verhaftet, die keine „Markenschutzrechte“ kennt, gab Diane nicht nur selbst viele dieser Workshops, sondern inspirierte auch viele andere dazu. „Don't smile so much“ – ihre steter Hinweis an Frauen, die das immerwährende Lächeln auch als „Mann“ nicht ablegen konnten – und ihre geniale Fähigkeit „männliche“ und „weibliche“ Körpersprache punktgenau darzustellen, ist vielen ihrer Schülerinnen in bleibender Erinnerung. Denn was wir auch tun, welche „non-binäre“ Welt wir uns auch erträumen, die meisten von uns sind als „Männer“ oder „Frauen“ sozialisiert und tragen mehr Spuren davon in sich, als den meisten bewusst ist.

Erkenntnisse jenseits von Theorie und Bücherwissen

Diese Erkenntnis, die in Dianes Workshop am eigenen Leibe – jenseits von Theorie und Bücherwissen – erfahrbar war, prägte viele ihrer „Men for a Day“ nachhaltig, auch die Autorin dieser Zeilen. Wieviel Platz und Zugeständnisse „Männer“ im Alltag erfahren – unfassbar. Wie aggressiv sich aber auch das Revier- und Konkurrenzverhalten anderer Männer gestaltet. Ein komplett neues Regelwerk an angemessenem oder unangemessenem Verhalten.

Neben ihren Workshops war Diane, geboren 1948 in Schottland, lange als Künstlerin, Tänzerin und Performerin aktiv. Im New York der 80er und 90er Jahre war sie Teil einer umtriebigen Underground-Szene. Als eine von etlichen Frauen ihrer Generation, die einen kompromisslosen Aufbruch wagten und ihre künstlerischen Ideale immer hoch hielten.

Wie bei anderen folgten daraus im Alter und während ihrer Krebserkrankung bittere finanzielle Probleme. In Dianes Fall aber auch große Solidarität von Menschen aus all den Orten auf dieser Welt, an denen sie aktiv war. Am letzten Mittwoch ist Diane in Glasgow gestorben.

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