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DVD-Tipp "Die feurigen Schwestern": Roadtrip voller erotischer Eskapaden

Einem lesbischen Paar schließen sich auf ihrer Reise durch Argentinien weitere Frauen an - eine wilde Mischung aus Roadmovie, Sex und Lust, unkonventionellem Porno, unterschiedlichen Körpern und Selbstfindung.

Von Anja Kümmel

30.4.2019 - Auch wenn der deutsche Titel „Die feurigen Schwestern“ ein bisschen nach 70er-Jahre-Softporno klingt: Konventionell oder kitschig ist das jüngste Werk der argentinischen Regisseurin Albertina Carri ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Die wilde Mischung aus Roadmovie, Porno, autofiktionalem Essay und Selbstfindungstrip sprengt nicht nur Genre-Grenzen, sondern stößt auch in ästhetischer und politischer Hinsicht in ganz neue Territorien vor.

Am Anfang trifft sich ein lesbisches Paar nach längerer Trennung in Ushuaia an der Südspitze Argentiniens wieder. Die Leidenschaft zwischen den beiden ist ungebrochen, dennoch liegt Veränderung in der Luft. Ein treibender Motor hierfür ist das neue Projekt, das Violeta verfolgt: Sie will einen Porno drehen.

Den Rest erledigt der Zufall: À la „Thelma und Louise“ werden die beiden in einer Bar von einer sowohl verbal als auch physisch äußerst schlagfertigen Frau vor einer Gruppe pöbelnder Männer gerettet. Zu dritt begeben sie sich auf einen Roadtrip voller erotischer Eskapaden, dessen einzig erklärtes Ziel die Flucht vor patriarchalen Zwängen und einengenden Beziehungsstrukturen ist.

Weit mehr als Frischfleisch für neue Sex-Konstellationen

Schon bald schließen sich ihnen weitere Frauen an, deren Vorgeschichten lediglich angerissen werden, und die dennoch weit mehr sind als Frischfleisch für neue Sex-Konstellationen.

Besonders glaubwürdig sind nackte Körper vor schneebedeckten Bergkuppen oder Orgien auf dem Altar einer offensichtlich wenig besuchten Kirche natürlich nicht – aber nun ja, die Aufhebung der Logik gehört nun mal zum Porno-Genre.

Auf der DVD hat der Film - anders als hier im Trailer - deutsche Untertitel

 

Ganz nebenbei unterwandert sie auf subtil ironische und sinnliche Weise immer wieder das traditionelle Bild der Frau als (Blick-)Objekt. So wird etwa aus der ertrinkenden Ophelia eine lustvoll handelnde Akteurin inmitten einer queeren Orgie. Das Geschlecht ihrer Figuren erscheint fluide und wandelbar; Paarstrukturen lösen sich auf und finden sich neu in polyamoren Beziehungsgeflechten.

Tastendes Erforschen des eigenen Begehrens

Dafür gelingt es Carri, mit anderen Konventionen der Gattung radikal zu brechen: Anstatt Eroberung, Penetration und 08/15-Stellungswechsel zeigt sie ein tastendes Erforschen des eigenen Begehrens sowie der Lüste und Grenzen der anderen.

Ohne daraus eine explizite Message zu machen, zeigt Carri ganz verschiedene Körper – kurvige und androgyne, dicke und dünne, hell- und dunkelhäutige –, nicht in ihrer Abweichung von der Norm, sondern in ihrem Genießen und Sein.

Zugleich verhandelt Violeta im Voice-Over immer wieder die Frage, was Porno eigentlich ist oder sein kann: „Das Problem ist nicht die Darstellung von Körpern, sondern wie sich diese Körper vor der Kamera in Landschaft verwandeln.“

Spirituelle Verbindung zur Natur

Folglich ist bei Carri die raue, karge Landschaft Argentiniens nicht nur malerischer Hintergrund, sondern wird selbst zum agierenden Körper. Zentral sind dabei die Wurzeln der Figuren in Feuerland und ihre spirituelle Verbindung zur Natur – Themen, die der Originaltitel Las Hijas del Fuego (= „Die Töchter des Feuers“) weitaus besser erfasst.

Einige Längen hat der Film in seinen durchweg ruhigen, kontemplativen Einstellungen. Doch ist diese Herangehensweise vielleicht die einzig angemessene für eine ergebnisoffene Erkundungsreise, in der alte Grenzziehungen über den Haufen geworfen und neue Bilder und Begriffe für alternative Begehrens- und Beziehungsformen erst einmal gefunden werden müssen.

Die feurigen Schwestern (Las Hijas del Fuego), Argentinien 2018, Regie: Albertina Carri, mit: Érica Rivas, Cristina Banegas, Carolina Alamino Barthaburu u. a., 115 Min., spanisch mit deutschen Untertiteln, DVD (Al!ve)

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