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DVD-Tipp "Gemini": Hollywoods dunkle Seiten

Ein Starlet wird ermordet, und zu den zahlreichen Verdächtigen gehören auch ihre Assistentin und engste Vertraute und ihr Ex – war er etwa eifersüchtig auf ihre neue Loverin? Ein Thriller Noir, der nebenbei die Homophobie Hollywoods thematisiert.

Sony Pictures Heather (Zoë Kravitz, l.), bald tot, und Jill (Lola Kirke), bald unter Mordverdacht

Von Anja Kümmel

10.9.2018 - Gemini - Falsches Spiel beginnt mit einer banalen Verwechslung – doch die gibt den Ton an für das folgende Spiel rund um Begehren und Identität: Jill (Lola Kirke), die persönliche Assistentin der aufstrebenden Schauspielerin Heather (Zoë Kravitz), wartet im Auto auf ihre Arbeitgeberin. Als deren Telefon klingelt, geht sie ran. Es ist Heathers erboster Ex-Freund, dem zu Ohren gekommen ist, dass Heather neuerdings mit einer Frau liiert sein soll. Nachdem er gecheckt hat, dass Jill nicht Heather ist, trägt er ihr auf: „Sag ihr, ich werde sie verdammt nochmal umbringen!“

Keine zwei Minuten später lässt sich Heather mit den Worten „Du wirst mich umbringen!“ neben Jill ins Auto gleiten. Denn sie hat gerade beschlossen, ein wichtiges Filmprojekt platzen zu lassen – und Jill darf diese Neuigkeit nun dem Regisseur überbringen.

"Zwei beste Freundinnen bringen sich oft gegenseitig um"

Kurz: Es gibt eine Menge Leute, die nicht besonders gut auf Heather zu sprechen sind. Als sie am nächsten Morgen erschossen in ihrem Anwesen aufgefunden wird, mangelt es jedenfalls nicht an Verdächtigen – und Jill steht ganz oben auf der Liste. „Ihr wart zwei verrückte beste Freundinnen, solche Leute bringen sich oft gegenseitig um!“, so der zynische Kommentar des sitzen gelassenen Regisseurs.

Ein Blick in die Filmgeschichte bestätigt: Von Rebecca über All about Eve bis Ingrid goes West wurden die homoerotisch aufgeladenen Rivalitäten zwischen zwei Frauen, von denen die eine im Rampenlicht steht und die andere zwei Schritte daneben, bereits in vielen Varianten erzählt.

Den Trailer gibt es leider nur in der englischen Originalversion:

Indie-Regisseur Aaron Katz und seinen beiden großartigen Hauptdarstellerinnen gelingt es in Gemini durchaus, dieser Dynamik neue Nuancen abzugewinnen. Mal muss Jill die Drecksarbeit erledigen, dann wieder albern die beiden Frauen auf Augenhöhe herum wie beste Freundinnen.

Einerseits ist das Machtgefälle zwischen ihnen offensichtlich, andererseits scheinen sie eine lange Vorgeschichte und echte Intimität zu teilen. Hinzu kommt, dass Heather tatsächlich neuerdings mit einer Frau zusammen ist: der undurchschaubaren Tracy (Greta Lee), die eine ganz eigene Agenda zu verfolgen scheint. Und dann ist da noch ein aufdringlicher Fan, der Heather zum Verwechseln ähnlich sieht …

Heather lebt in ständiger Angst, mit Tracy erwischt zu werden

Gekonnt spielt Katz das Zwillings-Motiv auf mehreren Ebenen durch – und thematisiert ganz nebenbei die latente Homophobie Hollywoods: So lebt Heather in ständiger Angst, mit Tracy erwischt zu werden, und versucht das hartnäckige Gerücht abzuwehren, Jill und sie könnten ein Paar sein.

Als Psychogramm funktioniert Gemini ausgezeichnet, als Thriller etwas weniger gut. Zu ungeschickt stellt sich Jill in ihren Ermittlungen an, zu unglaubwürdig sind einige Wendungen.

Über kleine Schwächen des Plots tröstet jedoch die düster-unterkühlte Ästhetik hinweg, die den Film zu einer echten Perle des Neo Noir macht. Schonungslos lotet Gemini die dunklen Seiten der Traumfabrik aus – ähnlich wie David Lynchs Mulholland Drive oder Nicolas Winding Refns The Neon Demon, allerdings ohne deren surreale Schockeffekte. Stattdessen setzt Katz ganz auf die Chemie zwischen seinen Figuren, und zitiert zugleich mit verspieltem Humor einige Meilensteine des Film Noir: Ein Fest für Cineasten.

Gemini – Falsches Spiel (USA 2017), Regie: Aaron Katz, mit Lola Kirke, Zoë Kravitz, Greta Lee, John Cho u.a., 89 Min. - jetzt auf DVD

 

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