L-Mag

Ein Roadtrip auf der Suche nach sich selbst

Mit „bestenfalls alles“ schließt Tania Witte ihre Trilogie über die queer-lesbische Szene in Berlin ab. In unserem Interview spricht die Autorin, die auch für die "L-MAG" und die "Siegessäule" schreibt, über ihren Roman und ihre neuen Projekte.

© Jens Gyarmaty, www.jensgyarmaty.com

Von Malte Göbel

l-mag.de 27.9.2014 - „bestenfalls alles“ erzählt vor allem von den guten Freundinnen Nicoletta und Tekgül, die gemeinsam auf einen Roadtrip in die Vergangenheit aufbrechen: Nicoletta auf der Suche nach ihrer Ex-Freundin, der Liebe ihres Lebens, die sie fast verdrängt hatte. Und Tekgül wird mit einer Erbschaft konfrontiert, die ihre Identität als Deutsche mit irisch-türkischen Wurzeln zu zerstören droht.

Mit dem Roman schließt Tania Witte ihre Trilogie über die queer-lesbische Szene in Berlin ab, die sie mit „beziehungsweise liebe“ 2011 begonnen und „leben nebenbei“ 2012 fortgeführt hatte. Im Vorfeld ihrer Buchpremiere am 28. September in Berlin (Infos: s. unten) gab sie uns ein Interview.

Deine ersten beiden Bücher haben viele Fans gefunden. Haben dich ihre Erwartungen beim Schreiben belastet?

Beim zweiten Buch hab ich mich weit mehr unter Druck gefühlt, weil das erste sehr gut angekommen ist, und jede*r bestimmte Vorstellungen davon hatte, wie es weitergehen sollte. Bei „bestenfalls alles“ dominierte für mich aber wieder der Spaß am Schreiben und an der Sprache.

„bestenfalls alles“ verlässt Berlin über weite Strecken, es spielt in Unna und dann als Road-Trip über Friedrichshafen am Bodensee nach Zürich. Ist Berlin zu klein geworden für die Handlung?

Berlin ist nicht die Welt und mir ist es wichtig, über den Tellerrand der gehypten Metropole zu schauen. Mein eigenes Leben findet nicht nur in Berlin statt, und das bereichert mich sehr. Die Welt wird immer kleiner, wir reisen, sind hier und dort vernetzt und verwurzelt ... Aber trotzdem ist Berlin noch der Ort, an dem Stränge zusammenlaufen.

Du erzählst nur noch aus der Sicht von Nicoletta und Tekgül, in den Büchern vorher waren es bis zu sechs Blickwinkel. Wieso die Verknappung?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen hat dieser große Pool an Perspektiven an einem gewissen Punkt verhindert, Figuren auszuformen, sie psycho-logisch zu vertiefen. Zum anderen war es mir ein Anliegen, Tekgül endlich mal zu selbst Wort kommen zu lassen, da sie bisher nur von außen gespiegelt wurde und damit immer etwas distanziert blieb. Und auch Nicolettas Geschichte beginnt eigentlich erst am Ende des zweiten Buches. Darüber hinaus, und das war vielleicht der drängendste Grund, hatte ich wenig Lust, mich zu wiederholen, das Schreiben muss schließlich auch für mich selbst spannend bleiben. Und die anderen Protagonist*innen sind ja weiterhin da, nur die Perspektiven haben sich verschoben.

Einen großen Teil des Buches macht Tekgüls Suche nach ihrer „wahren“ Identität aus...

Identität ist immer eins meiner Themen gewesen. Das geht bis zum dem Hund, Rutherford, der in jedem Buch einen anderen Stammbaum hat. Bisher hat es keine*r meiner Leser*innen bemerkt. Weil es nicht wichtig ist. Aber bei Menschen scheint die Herkunft, die Hautfarbe, das Gender so elementar, dass wir irritiert sind, wenn Dinge anders sind, als sie scheinen. Spannend, oder?

Du bist selbst in der Berliner queeren Szene sozialisiert. Wie sehr bildest Du mit Deinen Büchern Deine eigene Realität ab?

Auch wenn meine Bücher in keinster Weise autobiographisch sind, ist meine Realität natürlich Teil des Schreibens, ich lebe und liebe innerhalb queerer Kontexte, und das macht die Bücher echt. Aber wirkliche Referenzen an reale Situationen gibt es wenige. Ein Satz, den ein Mensch regelmäßig sagt, eine Eigenschaft, die er oder sie hat, einen Blickwechsel, dessen Zeugin ich in einem Café werde, oder ein Telefonat, das ich in der U-Bahn mitzuhören gezwungen bin – was ich sehe und erlebe, ist die Wolle, aus der ich meinen Teppich webe. Das Muster und die Farbwahl allerdings entstehen nur in meinem Kopf.

Wie schreibst Du? Chronologisch oder springst Du zwischen den Kapiteln? Und weißt Du, wie es ausgehen wird, oder entwickelt sich die Geschichte beim Schreiben?

Auch das ändert sich. Bei „bestenfalls alles“ bin ich anders vorgegangen als bei den beiden anderen Büchern. Das lag daran, dass eine Schlüsselszene des dritten Buches bereits geschrieben war, ehe ich überhaupt mit dem zweiten Band begonnen hatte. Das heißt, ich wusste schon lange um das Hauptthema des letzten Teils und auch, wohin es gehen wird. Deshalb habe ich in weiten Teilen chronologisch geschrieben. Andere Muster ergeben sich dann beim Schreiben, je nach Ideenlage meiner eigenen Muse, den Bedürfnissen des Plots und denen meiner Protagonist*innen.

Ist jetzt nach drei Büchern Schluss? Oder geht es weiter?

Es ist Schluss. Zumindest ist das gerade der Plan. Ich möchte andere Seiten meines Schreibens ausleben, mich ausprobieren und weitergehen. Ich bin nicht der Typ, der ein ganzes Leben lang dasselbe macht, ich brauche Herausforderungen, um zu wachsen. Als nächstes werde ich wohl ein Jugendbuch schreiben. Der Plot steht und ich habe große Lust, anzufangen. Auch mein künstlerisches Projekt nullachtfünfzehn, das ich gemeinsam mit Risk Hazekamp mache und das mir sehr am Herzen liegt, geht weiter. Und dabei spielt Spoken Word eine große Rolle, denn es ist ein wichtiger Aspekt meines künstlerischen Ausdrucks.

bestenfalls anders, Querverlag 2014, 14,90 €

Buchpremiere: Sonntag, 28. Sept., um 19 Uhr, Südblock, Admiralstr. 1-2, Berlin-Kreuzberg, mit musikalischen Einlagen von Christiane Rösinger

Mehr Infos: www.taniawitte.de

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