L-Mag

Exzentrische Tänzerin und Lichtgestalt

Jetzt im Kino: „Die Tänzerin“ mit Soko als Loïe Fuller, der Wegbereiterin des modernen Tanzes, ist sehenswert, blendet aber leider bewusst aus, dass die bahnbrechende Künstlerin und ungewöhnliche Frau offen lesbisch lebte.

PROKINO Filmverleih Loïe Fuller (Soko) und Gabrielle Bloch (Mélanie Thierry): Im echten Leben über zwanzig Jahre lang ein Paar, im Film nur enge Freundinnen

Von Manuela Kay

l-mag.de, 3.11.2016 - Loïe Fuller (1862-1928) war die berühmteste und bestbezahlte Tänzerin ihrer Zeit und in jeder Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Damals wurde die außergewöhnliche Künstlerin verehrt wie ein Popstar, heute kennen sie nur noch wenige Fans des modernen Tanzes. Umso dankenswerter, dass die französische Filmemacherin Stéphanie Di Giusto in ihrem ersten Spielfilm die exzentrische Tänzerin aus der Versenkung hervorholte und die Rolle mit der gleichsam exzentrischen Schauspielerin und Sängerin Soko besetzte. Die Frau mit den fesselnden, traurigen Augen verkörpert die bahnbrechende Künstlerin fast so, als wäre ihr die Rolle auf den Leib geschrieben.

Faszinierende Wegbereiterin des modernen Tanzes

Die Tänzerin ist kein Biopic im herkömmlichen Sinne, sondern ein Ausschnitt aus dem bewegten Leben einer Frau, die es auf jeden Fall lohnt, sie wiederzuentdecken! Nicht nur erfand sie, obwohl sie nie eine Tanz-Ausbildung und auch nicht den geeigneten grazilen und sportlichen Körper dafür hatte, den Tanz völlig neu, sie erfand auch gleich die von ihr benötigte und damals absolut neuartige Bühnen- und Beleuchtungstechnik dazu.

PROKINO Filmverleih

Unerfüllte Liebe zur Über-Tänzerin Isadora Duncan

In ihrem Heimatland USA fühlte sich die junge Tänzerin nicht genügend gewürdigt und ging nach Frankreich, weil sie ihre Entwürfe und technischen Neuheiten dort patentieren lassen konnte.

Im Laufe ihrer Karriere etablierte sie ein eigenes, weibliches Tanz-Ensemble, mit dem sie um die Welt reiste, und sie gilt als Mentorin und Entdeckerin der bis heute weitaus berühmteren Tänzerin Isadora Duncan (gespielt von Lily-Rose Depp, der Tochter von Vanessa Paradis und Johnny Depp), mit der sie zumindest in der Filmversion eine leidenschaftliche, zerstörerische und unerfüllte Liebe verband. Fast möchte man an Sokos Liaison im realen Leben mit einer der bekanntesten Schauspielerin unserer Zeit, Kristen Stewart, denken. Die Parallelen sind unübersehbar.

Fullers Homosexualität leider bewusst nicht thematisiert

Ein großer Wermutstropfen ist sicherlich die Aussage der Regisseurin im Pressetext zum Film: „Loïe Fuller war lesbisch, und mir war es wichtig, dass dies nicht zum Sujet des Films wird.“ Warum, fragt man sich, musste dieser Aspekt bewusst so kurz kommen? Was ist so wenig berücksichtigenswert an dieser Tatsache, dass man sie in einem Film über das Leben der Künstlerin „nicht zum Sujet“ machen will? Nicht nur war Fuller offen lesbisch und über 20 Jahre lang bis zu ihrem Tod mit Gabrielle Bloch (Mélanie Thierry) - im Film nur ihre Vertraute und Assistentin - zusammen, auch umgab sie sich im Rahmen ihrer Arbeit stets ausschließlich mit Frauen.

Im Film wird all dies nicht erwähnt, im Gegenteil wird Loïe ein männlicher, wenn auch platonischer Liebhaber, Freund und Mentor an die Seite erfunden, ohne dessen finanzielle und ideelle Unterstützung die echte Loïe allerdings gut im Leben ausgekommen zu sein scheint. Die weder schöne noch grazile, weder sportliche noch feminine Königin des Ausdruckstanzes bleibt in Die Tänzerin allein und einsam – glücklicherweise schien es ihr im wahren Leben doch besser ergangen zu sein.

Die Tänzerin (La Danseuse), Frankreich 2015, Regie/ Drehbuch: Stéphanie Di Giusto, mit: Soko, Lily-Rose Depp, Mélanie Thierry, Gaspard Ulliel u. a., 111 Min., Kinostart: 3. November

Hier verlosen wir 5 x 2 Freikarten für Die Tänzerin in einem Kino deiner Wahl.

Diese Filmkritik steht in einer ausführlichere Fassung - wie auch weitere  Rezensionen - in der aktuellen Ausgabe der L-MAG (hier erhältlich).

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