Eine lesbische Drillingsschwangerschaft und andere Enthüllungen
Ab heute im Kino: „The Party“ mit Kristin Scott Thomas, Patricia Clarkson und Cherry Jones ist ein vergnüglicher Film über sieben Freunde - darunter ein Lesbenpaar -, deren Dinnerparty heiter beginnt, aber rasant zum einem Debakel wird.
Von Karin Schupp
l-mag.de, 27.7.2017 - Im Sommer bringt Hollywood traditionell seine gigantomanischen Action-Blockbuster ins Kino, die mit Materialschlachten in 3-D und Dolby-Surround wuchern. Dazwischen aber versteckt sich in diesem Jahr ein britisches Kammerspiel in Schwarzweiß, das mit seiner Länge von nur 71 Minuten selbst Woody Allen-Filme weitschweifig wirken lässt.
Dass Sally Potter (Orlando) darauf verzichtete, The Party künstlich auf die Standardlänge aufzublasen, war eine gute Entscheidung: Rasant und dicht erzählt erleben wir quasi in Echtzeit eine Dinnerparty, die noch vor dem Servieren der Canapés zum Debakel wird, womöglich in einer Katastrophe endet und dennoch mehr Komödie als Drama ist.
Da sprühen die Funken schon beim Smalltalk
Die Politikerin Janet (Kristin Scott Thomas) hat etwas zu feiern: Ihr winkt ein Ministerinnenposten in der neuen Regierung. Und während sie Anrufe von Gratulanten und – zwischendurch – ihrer Affäre annimmt, sitzt ihr Mann Bill (Timothy Spall) mit düsterer Miene im Wohnzimmer und dreht die Musik auf.
Die Gäste kommen: Janets beste Freundin April (Patricia Clarkson), eine zynische Nihilistin, die ihren Lover Gottfried (Bruno Ganz) ständig augenrollend für seine esoterischen Platitüden abkanzelt, Bills beste Freundin Martha (die lesbische Schauspielerin Cherry Jones als feministische Professorin, die ihrer Figur in der Serie Transparent ähnelt), die von ihrer schwangeren Frau Jinny (Emily Mortimer) mit der Nachricht überrumpelt wird, dass sie Drillinge erwartet, und der hypernervöse Banker Tom (Cillian Murphy), dessen Frau sich verspäten wird und doch eine heimliche Hauptrolle spielt.
Da sprühen die Funken schon beim Smalltalk, und dass Tom zugekokst ist und heimlich eine Pistole bei sich trägt, lässt Schlimmes befürchten. Zunächst aber gibt der Sektkorken, der eine Fensterscheibe zerbricht, den Startschuss für eine Enthüllung nach der anderen, und in schneller Folge geht es um Demokratie, Kapitalismus, Feminismus, das britische Gesundheitssystem, Liebe, Betrug, Verrat und Tod.
"Eine erstklassige Lesbe, aber zweitklassige Denkerin"
Dinnerpartys des Grauens - das ist ja fast ein eigenes Genre von Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (1966) über Thomas Vinterbergs Das Fest (1998) bis hin zu Lars Kraumes Familienfest (2015), und Sally Potter fügt den klassischen Zutaten sicherlich keine neue Facette hinzu. Aber in ihrem Film, für den sie selbst das Drehbuch schrieb, sitzt jede Szene und jeder Satz, und wenn April, die durchweg die besten Zeilen hat, Martha als „erstklassige Lesbe, aber zweitklassige Denkerin“ bezeichnet und die Verkündung der Drillingsschwangerschaft mit einem „War das jetzt Prahlerei oder ein Hilferuf?“ kommentiert, möchte man sich Stift und Zettel zurechtlegen, um beim nächsten Abendessen selbst ein wenig Munition zu haben.
Ihr Film sei ein „politisches Statement“ und ein „liebevoller Blick auf den Zustand Englands, eines zerbrochenen Englands“, sagte Potter nach der Weltpremiere auf der Berlinale 2017, auch mit Blick auf den Brexit. In erster Linie aber ist The Party ein höchst unterhaltsames Kleinod, das so queer ist, wie wir es uns von Mainstream-Filmen wünschen – bis hin zur überraschenden Schlusspointe übrigens!
The Party (GB, 2017), Buch/ Regie: Sally Potter, mit Kristin Scott Thomas, Patricia Clarkson, Cherry Jones, Emily Mortimer, Bruno Ganz u.a., 71 min., Kinostart: 27. Juli
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