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Filmtipp „Zu schön um wahr zu sein: Die JT LeRoy Story“ - Queerer Hoax mit Perücke

Eine wahre Geschichte: In „Die JT LeRoy Story“ spielt Kristen Stewart die Frau, die sich jahrelang als der queere – und erfundene - Bestsellerautor JT LeRoy ausgab. Freuen können wir uns auch auf Diane Kruger, die sich in JT verliebt.

Koch Media Kristen Stewart (l.) und Diane Kruger in „Die JT LeRoy Story“

Von Karin Schupp

10.8.2021 - Ende der 1990er Jahre wurde ein junger Ex-Stricher mit seinen semiautobiografischen Romanen zum Shooting-Star der Literaturszene. Jeremiah Terminator – oder kurz: JT – LeRoy, so hieß er, war so schüchtern, dass er zunächst nur per Telefon oder E-Mail mit der Außenwelt kommunizierte.

Als er aber ab 2001 begann, öffentlich aufzutreten, wurde er begeistert aufgenommen, von Stars wie Madonna, Bono, Winona Ryder, Liv Tyler und Courtney Love (die in dem Film eine kleine Rolle spielt) umgarnt, und seine Affäre mit der italienischen Regisseurin und Schauspielerin Asia Argento, die seinen Roman Das Herz ist eine hinterlistige Person verfilmte, ging damals durch die Medien.

Perücke, Hut und Sonnenbrille: JT LeRoy gab es gar nicht 

Die Sache war nur die: JT LeRoy gab es gar nicht. Der queere Autor, der sich nach und nach auch als HIV-positiv, Junkie und trans* outete, war die Erfindung der Musikerin, Telefonsexarbeiterin und verhinderten Schriftstellerin Laura Albert, damals Mitte 30. Und hinter Perücke, Hut und Sonnenbrille verbarg sich in Wirklichkeit Alberts damalige Schwägerin, die queere Künstlerin Savannah Knoop.

Als die beiden im Jahr 2005 aufflogen – ein Journalist des New York Magazine hatte das jahrelange Gerücht untersucht und bestätigt – ging die Geschichte als größter „Hoax“ der Literaturgeschichte ein und das Publikum mokierte sich über die doofen Promis, die unkritisch jeden Hype mitmachen.

TIFF Laura (Laura Dern, l.) und Savannah als JT (Kristen Stewart)

Die Verfilmung des Hoax basiert auf Knoops Enthüllungsbuch

Würde die Verfilmung ihrer Story auf Alberts Erinnerungen basieren, die als das eigentliche Mastermind die Romane schrieb und sich am Telefon als JT ausgab, wäre sie sicherlich besser weggekommen.

Doch Justin Kelly (der zuvor die Schwulenfilme I am Michael und King Cobra drehte) basierte sein Drehbuch auf Knoops Enthüllungsbuch Girl Boy Girl: How I Became JT LeRoy (Knoop ist auch Ko-Produzent:in) und erzählt die Geschichte aus Sicht der damaligen Modedesignerin, die mit Mitte 20 nach San Francisco zog, wo ihr Bruder und Laura lebten, und dort von ihr überredet wurde, die Rolle „JT“ zu übernehmen.

Zwischen Spaß am Versteckspiel und verletzter Eitelkeit

In dieser Version ist Albert, mit viel Verve gespielt von Laura Dern (Marriage Story, Big Little Lies), eine manipulative Exzentrikerin, die fast schon pathologisch in andere Rollen schlüpft und zwischen Spaß am Versteckspiel und verletzter Eitelkeit – sie würde ja schon gerne als das eigentliche Genie hinter den Romanen gewürdigt werden – changiert.

Kristen Stewart hat als Savannah, die eher passiv daherkommt, keine große Herausforderung erwischt, verkörpert beide Seiten ihrer Rolle jedoch überzeugend. Savannah lässt sich nach anfänglichem Zögern mit einer Mischung aus achselzuckendem „Warum nicht?“ und zunehmender Routine auf das Abenteuer ein, und man kann sich gut vorstellen, wie sie JTs öffentliche Persona prägte: JT wirkte dank Savannahs Unsicherheit in der Rolle so schüchtern, und nur durch ihr Äußeres wurde JT als androgyn (und dann wohl auch als trans) erlebt.

Flirt mit der sexy Herzensbrecherin Eva wird zum Rückgrat des Films

Und während Laura es kaum erträgt, dass Ruhm und Bewunderung dem falschen JT zufallen, und als LeRoys „britische Managerin Speedie“ allen gehörig auf die Nerven geht, wird Savannah selbstbewusster und durch ihren Flirt mit der Schauspielerin Eva (Diane Kruger) zum Weitermachen motiviert.

Diese Liaison, die es mit Asia Argento so ähnlich tatsächlich gab, wird auch dank einer absolut überzeugenden Kruger zum Rückgrat des Films. Und ohne Savannahs Gefühle - sie ist offen queer, hat zu diesem Zeitpunkt aber einen Freund - für die sexy Herzensbrecherin würde ihm gänzlich der Spannungsbogen fehlen. Die JT LeRoy Story plätschert fast ein wenig dahin, es gibt keine Eskalation zwischen Savannah und Laura, selbst ihre Enttarnung am Ende wird nur kurz, ja, fast nebenbei erzählt, und wie die beiden in diesem Moment damit umgehen – Panik? Sorge? Erleichterung? -, erfährt man gar nicht. Ob Knoop all das tatsächlich so unspektakulär und sprachlos erlebt hat?

Spannende Story, aber verschenktes Potenzial

Der Film erzählt eine spannende Story mit guten Schauspielerinnen und vergibt dabei aber leider einiges an Potenzial. Aus dem Stoff hätte man viel mehr rausholen können. Den Aspekt der Genderfluidität (für den es damals noch keinen Begriff gab) beachtet Kelly kaum, obwohl sich Knoop, heute Künstler:in in New York, seit einiger Zeit definiert und 2019 rückblickend sagte: „Meine Genderneutralität war schon immer da, und JT hat mir dabei geholfen, sie zum Ausdruck zu bringen.“

Und auch mit der Frage, wie verwerflich es eigentlich ist, sich hinter einer Kunstfigur zu verstecken beschäftigt sich der Film nicht weiter – offenbar heute ohnehin kein größeres Problem mehr, wie Albert 2016 in der New York Times behauptete: „Ich treffe viele junge Leute, die schockiert sind, dass es ein Problem war, einen Avatar zu haben. Weil sie heute damit aufwachsen, mehrere komplette Avatars zu haben.“

Sehenswert ist Zu schön um wahr zu sein - Die JT LeRoy Story trotzdem, und der Lesbenwelt wird er ohnehin als der Film, in dem Kristen Stewart und Diane Kruger einen Quickie am Gartenzaun haben, in Erinnerung bleiben!

Zu schön um wahr zu sein - Die JT LeRoy Story, USA 2018, Regie: Justin Kelly, Buch: Justin Kelly/ Savannah Knoop, mit: Kristen Stewart, Laura Dern, Diane Kruger, Jim Sturgess u.a., 108 min., auf DVD und bei Streamingdiensten (Amazon, Chili, Magenta, iTunes, Maxdome, Sky Store)

 

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