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Forscher finden kein "Homo-Gen" (suchen aber weiter)

Gibt es ein Gen, das Homosexualität vererbt? Auch eine riesige DNA-Studie aus den USA fand kein Chromosom, mit dem sich die sexuelle Orientierung vorhersagen ließe - schon gar nicht bei Frauen. Bleibt die Frage, wen das eigentlich interessiert.

Pixabay, CC0

Von Karin Schupp

25.10.18 - Seit über 25 Jahren suchen ForscherInnen nach dem "Homo-Gen“, mit dem Homosexualität vererbt wird – wurden bisher aber nicht fündig. Und dabei bleibt es auch nach der weltweit größten Studie zu diesem Thema, für die die DNA von über 490.000 Menschen in den USA, Großbritannien und Schweden untersucht wurde.

„Es gibt kein Homo-Gen“, erklärte der Genetiker Andrea Ganna, der die ersten Ergebnisse am letzten Freitag auf einer Tagung in San Diego vorstellte. „Nichtheterosexualität wird vielmehr von vielen winzigen genetischen Einflussfaktoren beeinflusst.“

"Wir wissen fast nichts über die Erbanlagen des Sexualverhaltens"

Seinem Team vom Broad Institute of MIT and Harvard gelang es lediglich, auf vier Chromosomen Genvarianten zu identifizieren, die häufiger bei Personen mit gleichgeschlechtlichen Sexualpartnern zu finden sind.

Zwei dieser Varianten traten auch bei Frauen auf, zwei nur bei schwulen Männern (und zwar auf Chromosomen, die mit der Glatzenbildung und den Geruchssinn - der als mitentscheidend bei der Partnerwahl gilt - in Verbindung gebracht werden).

Insgesamt erklären diese Unterschiede aber nur 8 bis 12 Prozent der Erblichkeit von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten.

„Sie haben keinerlei Vorhersagekraft“, sagte Ganna gegenüber der Fachzeitschrift Science und resümmierte: „Wir wissen fast nichts über die Erbanlagen des Sexualverhaltens.“

Erstmals auch weibliche Homosexualität miteinbezogen

Die Studie ist nicht nur die größte ihrer Art, sondern auch die erste, die einen - wenn auch geringen - Zusammenhang zwischen DNA und weiblicher sexueller Orientierung herstellt.

Bisherige Untersuchungen beschränkten sich auf Männer, die eher ausschließlich Sexualpartner nur eines Geschlechts haben (wie sich auch in dieser Studie zeigte). Bei Frauen, deren Sexualität als „fließender“ gilt, sind potenzielle genetische Unterschiede schlechter abgrenzbar und spielen, so die Vermutung, möglicherweise eine geringere Rolle.

Der Genetiker Dean Hamer vom National Cancer Insitute in Maryland glaubte 1993 als Erster, das „Homo-Gen“ gefunden zu haben: ein X-Chromosom, das bei Männern über die Mutter vererbt wird. Dafür fand Gannas Team allerdings keinerlei Beweise.

Anders als in früheren Forschungsprojekten wurden die Teilnehmenden nicht nach ihrer sexuellen Identität, sondern nach Geschlecht und Anzahl  ihrer Sexualpartner gefragt. Das Spektrum der „Nichtheterosexuellen“ war daher breiter als üblich und reichte von einmaligem „Experimentieren“ bis hin zu ausschließlicher Homosexualität.

Wollen wir dann auch wissen, wieso wir Morgenmuffel sind?

Trotz der bescheidenen Forschungsergebnisse kündigte Ganna an, die Suche nicht aufzugeben. Aber wen interessiert es eigentlich, wieso wir lesbisch oder bisexuell sind? Uns selbst etwa? Wollen wir dann auch wissen, wieso wir Linkshänderinnen, Morgenmuffel, Sportskanonen sind, wieso wir auf Blondinen stehen und lieber Herzhaftes als Süßes essen?

Ja, es gibt die Hoffnung, dass sich Homophobe mit dem Beleg, dass Homosexualität angeboren und nicht „erworben“ ist, umstimmen lassen. Dass aber gerade diesen Menschenschlag auch für bewiesene Fakten wenig offen ist, ist bekannt – und die Sorge, dass sie einen genetischen Unterschied zum „Gen-Defekt“ erklären, den es zu beseitigen gilt, klingt nicht zu weit herholt. Bleibt der Gedanke, dass es sinnvoller sein könnte, den Forschungseifer (und die damit verbundenen Gelder) lieber wichtigeren Themen, etwa der Heilung von Krankheiten, zukommen zu lassen.

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