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"Gesellschaftliche Verhältnisse nicht als gegeben hinnehmen" – Lesben-Preis an Politologin

Der Augspurg-Heymann-Preis für couragierte Lesben wurde umgetauft: Mit dem neu konzipierten CouLe-Preis ehrt die LAG Lesben in Nordrhein-Westfalen heute die Professorin María do Mar Castro Varela, die sich für Gerechtigkeit und gegen Rassismus engagiert.

CouLe 2017 María do Mar Castro Varela

Von Susanne Lück

l-mag.de, 21.5.2017 – Eine engagierte Forscherin und Wissenschaftlerin bekommt 2017 den neu konzipierten Preis der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in NRW e.V. (LAG).

Am 21. Mai verleiht die LAG in Bochum die Auszeichnung „CouLe – Preis für couragierte Lesben“ an Prof. Dr. María do Mar Castro Varela. Die Jury ehrt die Politologin, Psychologin und Pädagogin (Jg. 1964) für ihre streitbare und ertragreiche Arbeit in der internationalen Frauen- und Genderforschung mit den Schwerpunkten Diskriminierung, Rassismus und Queer Studies.

Sie ist mit ihrer Forschung oftmals für die Rechte von Frauen mit Migrationserfahrung eingetreten, unter anderem an Universitäten in Melbourne, Costa Rica und Südkorea. Seit 2007 ist Castro Varela Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule in Berlin.

Gerechtigkeit bedeutet, die Verletzlichsten im Blick zu haben

Gegenüber L-MAG sieht die neue Preisträgerin ihre Aufgabe als Intellektuelle darin, „die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht als gegeben hinzunehmen, sondern in diese zu intervenieren. Wenn also lesbische Personen Ausgrenzung oder Stigmatisierung erfahren, muss ein Reflex in Gang gesetzt werden, der diese Ungerechtigkeit anprangert.“

Castro Varela meint dabei ausdrücklich auch szeneeigene Bereiche wie LSBTI*-Beratungsstellen, die viele für vorurteilsfrei halten. Auch wir Lesben sollten „die eigene Position selbstkritisch reflektieren. In einer rassistisch strukturierten Gesellschaft sind queere Räume nicht per se geschützte Räume – immer wieder kommt es in diesen zu Praxen, die andere verletzen. Bei der Frage um Gerechtigkeit geht es immer darum, insbesondere die im Blick zu haben, die maximal verletzlich sind", sagt sie im L-MAG-Interview.

Lesbische Immigrantinnen sind mehrfach angreifbar

Und das sind bei uns oft die Frauen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind. Denn lesbisch zu sein und als nicht-deutsch wahrgenommen zu werden, macht mehrfach angreifbar. Schon 2004 hat María do Mar Castro Varela einen Forderungskatalog zur „Pluralität lesbischer Lebenserfahrungen“ entwickelt. Darin verfasste sie Forderungen etwa nach mehrsprachiger Beratung und rassismuskritischen Fortbildungen für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende in deutschen Beratungsstellen. Der Katalog hat letztlich dazu geführt, dass sich mehr Beratungseinrichtungen für Lesben mit anderer Muttersprache und mit Rassismuserfahrung geöffnet haben.

Nachdenken, eigenes Gewaltpotenzial erkennen, Courage zeigen

Castro Varela setzt sich seit vielen Jahren für die Anerkennung von Verfolgung aufgrund einer lesbischen Lebensweise als Asylgrund ein – heute aktueller und notwendiger denn je.

Viel selbst nachzudenken, auch über uns – das ist es, was die diesjährige Preisträgerin der „CouLe“ uns vor allem ans Herz legen möchte. Der mittlerweile verbreiteten anti-intellektuellen Einstellung will sie ein klares Signal entgegensetzen: „Eine ethisch-politische Praxis verlangt von uns, das eigene Gewaltpotential zu erkennen und uns für die einzusetzen, die weniger kraftvolle Handlungsmacht entwickeln können. Courage ist dabei ebenso wichtig wie theoretisch-abstraktes Denken.“

Aus „Augspurg-Heymann-Preis“ wurde „CouLe“

Die „CouLe“ wird in diesem Jahr erstmals unter neuem Namen vergeben. Den vorherigen Augspurg-Heymann-Preis haben seit 2009 öffentlich engagierte Vorbild-Lesben aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern erhalten, die zur positiven lesbischen Sichtbarkeit beigetragen haben.

Zu den couragierten Preisträgerinnen gehören auch die L-MAG-Verlegerinnen Gudrun Fertig und Manuela Kay (wir berichteten), die Kabarettistin Maren Kroymann, die Bundesverfassungsrichterin Susanne Baer und die Ex-Fußballerin Tanja Walther-Ahrens.

Dass die Auszeichnung mittlerweile namentlich abgelöst wurde, hängt mit Aussagen von Lida Gustava Heymann aus dem Jahr 1907 zusammen, die 2015 publik wurden und mit der Zielsetzung des Preises nicht vereinbar sind (mehr dazu hier). Die Jury möchte den Preis mit seinem neuen Konzept gleichzeitig aktueller an der politischen Lage ausrichten.

Mehr Informationen: www.couragierte-lesben-preis.nrw

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