L-Mag

Gutes TV-Jahr für LGBT, wenn sie nicht lesbisch sind...

Noch nie gab es so viele LGBTQ-Charaktere in US-Serien wie in diesem Jahr. Die Lesben haben wir aber vor allem Netflix & Co. zu verdanken - die klassischen TV-Sender bevorzugen Schwule und bisexuelle Frauen, wie eine aktuelle Studie ergab.

Freeform/ Adam Taylor Zwei von derzeit 69 Lesben in US-Serien: Stef (Teri Polo, l.) und Lena (Sherri Saum) in "The Fosters"

Von Karin Schupp

l-mag.de, 22.11.2016 - In der aktuellen Staffel von Supergirl gibt es zwei lesbische Charaktere, und auch Navy CIS: New Orleans führte gerade einen lesbischen Special Agent ein – ein Hoffnungsschimmer, nachdem das bisherige Jahr 2016 in den USA als Lesbenfriedhof in die Geschichte eingegangen ist: The 100, Orange is the New Black, The Walking Dead und so weiter - bis Oktober mussten schon 25 queere Frauen sterben, was einen unüberhörbar lauten Aufschrei der Fans zur Folge hatte (wir berichteten in L-MAG Sep./ Okt. 2016).

Und wie sieht es in der neuen TV-Saison aus? Die US-Organisation GLAAD, die sich für die Sichtbarkeit von LGBTQ in den Medien einsetzt, zählt seit 2005 jedes Jahr alle lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender und queeren Charaktere sämtlicher TV-Serien. Für die laufende Saison 2016/ 2017 gibt es gute Nachrichten, für Lesben aber auch einige schlechte.

 

So viele LGBTQ-Charaktere gab's im US-Fernsehen noch nie

278 LGBTQ-Haupt- und Nebenfiguren zeigen die US-Serien zurzeit – mehr als je zuvor! (2015/16: 271)

The CW/ Diyah Pera "Sind da drüben die anderen Lesben?" - Alex (Chyler Leigh, l.) und Maggie (Floriana Lima) in "Supergirl", übrigens ein seltener Fall von zwei Lesben in einer Serie, die (noch!) kein Paar sind!

- Am besten schneiden die Cable-TV-Sender* ab: Ihre Serien haben 92 Haupt- und 50 Nebenfiguren aus dem LGBTQ-Spektrum.

- Bei den fünf großen Broadcast-TV-Sendern* sind 43 der festen 895 Seriencharaktere LGBTQ (=4,8%), dazu kommen 28 wiederkehrende Nebenfiguren.

- Fast genauso gut stehen die drei Streamingdienste Netflix, Amazon und Hulu da - trotz deutlicher weniger Formate: Sie bieten 45 LGBTQ-Figuren im Haupt- und 20 im Nebencast (2015/16: insgesamt 59).

  •  * Broadcast-TV (= die großen 5 Sender ABC, CBS, CW, FOX, NBC) sind die Grundversorgung aller Zuschauer, die Cable-TV-Sender kauft man im Paket oder einzeln (z.B. Showtime oder HBO) dazu. Während Broadcast-Serien mainstreamiger und „familienfreundlicher“ sind, bedient das Cable-TV auch spitzere Zielgruppen und muss nicht „jugendfrei“ sein.

 

Netflix ist der Diversity-Primus

- Netflix ist mit 40 Rollen der Diversity-Primus – allein Orange is the New Black hakt mit elf Charakteren jeden einzelnen Buchstaben des LGBTQ-Alphabets ab.

- Im Broadcast-TV hat der Sender ABC die meisten LGBTQ-Charaktere (z.B. Grey’s Anatomy, Modern Family, How to Get Away With Murder). Bei den Cable-TV-Sendern führt Freeform (z.B. The Fosters, Pretty Little Liars). 

Lesben bei den TV-Sendern in der Minderheit

213 LGBTQ-Charaktere im Fernsehen und 65 bei Streamingdiensten – da müsste doch eigentlich für alle was dabei sein! Der genauere Blick zeigt aber eine ungleiche Verteilung:

- Betrachtet man die reinen Fernsehserien (also nicht die der Streamingdienste), sind - wie so oft - die Schwulen überrepräsentiert. Mit 100 der 213 Charaktere sind sie am stärksten vertreten. Damit geht die Hälfte des LGBTQ-Kuchens geht an sie.

- Dem stehen nur 41 Lesben gegenüber (2015/16: 54), und auch wenn die Zahl der bisexuellen Frauen auf 51 stieg (2015/16: 44), ist die Gesamtzahl der queeren Frauen gegenüber dem Vorjahr gesunken.

- Zudem zeigt die Verteilung, dass TV-Sender Frauen lieber bisexuell als lesbisch sein lassen und b) Bisexualität offenbar eher als “Frauending” verstehen, denn im US-Fernsehen gibt es zurzeit nur 10 bisexuelle Männerfiguren.

- Bei den Streaminganbietern sieht es für Lesben besser aus: Dort gibt es 28 lesbische Charaktere, aber nur 15 schwule. Und auch hier sind die bisexuellen Rollen eher weiblich (13) als männlich (4).

 

Das TV-Lesben-Sterben muss aufhören

Insgesamt 133 queere Frauen - das sind sogar 5 Rollen mehr als im Vorjahr! Zu verdanken ist das allerdings allein den Streamingdiensten, denn bei den klassischen TV-Sendern sind es 6 Charaktere weniger!

In diesem Zusammenhang erwähnt GLAAD das lesbische TV-Sterben (in den USA “Lesbian Death Trope” genannt): “2016 war bisher das tödlichste Jahr für lesbische und bisexuelle Charaktere.” Besonders enttäuscht zeigt sich der Verband, weil er im letztjährigen Report "die Sender nach den überflüssigen Sterbefällen in Chicago Fire und Supernatural dazu aufgefordert hat, es besser zu machen.” Der “jahrzehntelange Trend, LGBTQ-Charaktere zu töten – oft einzig, um die Storyline eines heterosexuellen Charakters weiterzuentwickeln”, müsse endlich aufhören.

Ebenso fordert GLAAD insgesamt mehr LGBTQ-Hauptrollen statt “Nebenfiguren, die nur sporadisch in einzelnen Folgen auftauchen.”

Netflix Transfrau Nomi (Jamie Clayton, l.) und Amanita (Freema Agyeman) in "Sense8" - Ende Dezember soll bei Netflix die 2. Staffel starten

Trans-Charaktere im Aufwind

Vorsichtig positiv bewertet GLAAD den Aufwärtstrend bei Trans-Charakteren:

- Insgesamt sind es 16 (2015/16: nur 7). Auch hier sind die Streamingserien Vorreiter (OITNB, Transparent, Sense8), während es im Mainstreamfernsehen des Broadcast-TV nur 3 Transrollen gibt (2015/16: 0!).

- Besonders interessant: 12 dieser 16 Charaktere sind weiblich (2 davon lesbisch), Transmänner sind - wie auch in der öffentlichen Wahrnehmung - weniger sichtbar.

Der gesamte GLAAD-Report mit noch mehr Ergebnissen - u.a. zählt er auch den Anteil anderer Minderheiten (Hautfarbe, Ethnie oder Behinderung) aus - steht als PDF hier

Aktuelles Heft

Metamorphosen - queeres Leben und Sterben

Genderneutrale Erziehung - Elizabeth Kerekere, Aktivistin aus Neuseeland - Internationales FrauenFilmFestival - LGBTIQ* Community in Armenien mehr zum Inhalt



Anzeige

About Pop 2024 - Festival & Convention - 17.-18.05.

Zwei Tage für aktuelle Themen und Trends rund um Pop-Kultur und Pop-Musik in Stuttgart mit Strahlkraft auf das ganze Land.
Mehr >>


Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!

Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!
x