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Hollywood ein kleines bisschen weniger hetero

Nach dem Flop-Jahr 2017 gab's im Hollywood-Kino im letzten Jahr wieder mehr LGBTQ-Charaktere - und erstmals genauso viele Filme mit lesbischen wie mit schwulen Rollen. Wir stellen die Filme vor, die vom US-Medienverband GLAAD Lob oder Kritik bekamen.

StudioCanal/ Screenshot Einer der wenigen lesbischen Küsse im Mainstream-Kino - eine gute Note bekam "Nur ein kleiner Gefallen" von GLAAD aber dennoch nicht

Von Karin Schupp

20.7.2019 - Einen sanften Aufwärtstrend, was die Sichtbarkeit von LGBTQ in US-Kinofilmen angeht, verzeichnet der neue „Studio Responsibility Index“. Der US-Medienverband GLAAD, der eine „faire, korrekte und inklusive Darstellung“ von LGBTQ-Menschen in den Medien fordert, nimmt jährlich die jeweils rund 100 Premieren der großen Hollywood-Studios unter die Lupe und zählt nach, wie viele lesbische, schwule, bisexuelle und trans Charaktere dort gezeigt werden und welche Rollen sie spielen.

Bisher enttäuschten die sieben Major-Studios regelmäßig und ließen sich von der Realität und vom Fernsehen links und rechts überholen. Nur sehr zögerlich nimmt das notorisch ängstliche und deshalb konservativ agierende Business zur Kenntnis, dass ein Film nicht automatisch floppt, nur weil eine lesbische oder schwule Person mitspielt.

Um die Entwicklung zu forcieren, forderte GLAAD im Vorjahr eine Quote (wir berichteten): Bis 2021 sollen 20 Prozent der Charaktere in Mainstream- und Independentfilmen LGBTQ sein, bis 2024 soll der Anteil auf stolze 50 Prozent steigen.

LGBTQ-Charaktere in 20 von 110 Filmen

Obwohl zu diesem Zeitpunkt alle 110 Filme des Jahrgangs 2018 schon in Produktion oder sogar schon im Kino waren, wurde diese Quote mit 18,2 Prozent (= 20 Filme) bereits beinahe erreicht – ungefähr so viele wie im Spitzenjahr 2016 (18,4%, 23 Filme) und ein ordentlicher Sprung gegenüber dem Vorjahr, als es nur kümmerliche 12,8 Prozent (14 Filme) waren.

Dazu trugen vor allem die Studios 20th Century Fox, Universal Pictures, Warner Brothers und Paramount bei. Klassenletzter wurde Disney mit nullkommanull Filmen.

Paramount Pictures Positivbeispiel "Auslöschung" mit Anya (Gina Rodriguez, rechts neben Tessa Thompson), wobei sexuelle Identitäten jeglicher Art in dem frauendominierten Netflix-Thriller keine wichtige Rolle spielen

Allein die Anzahl der Filme und Rollen sagt noch nicht viel aus

Interessant wird's, wenn man sich die Rollen genauer anschaut, denn allein die Anzahl der Filme sagt noch nicht viel aus – würden überall nur tuntige Schwule  als Witzfiguren durch eine Szene huschen, wäre das Bild doch sehr einseitig.

Hier ist das Resultat einigermaßen zufriedenstellend: Immerhin zwei Drittel der 45 Charaktere, die gezählt wurden, bestanden den so genannten „Vito-Russo-Test“, das heißt: die jeweilige Person wurde 1) eindeutig als LGBTQ identifiziert, aber 2) nicht ausschließlich über ihre sexuelle Orientierung/ Geschlechtsidentität definiert und hatte 3) eine Bedeutung für den Fortlauf der Handlung.

Wie leider im Kino üblich, war die Mehrheit weiß (58%), und männliche Charaktere waren stärker vertreten als weibliche (26:19).

Aber erstmals seit Beginn der Auswertung gab’s genauso viele Filme mit Lesben wie mit Schwulen (jeweils 11, mit zwei Dopplungen); in drei Filmen trat eine bisexuelle Figur auf.

Trans oder nonbinäre Charaktere kamen - wie im Vorjahr - überhaupt nicht vor. "Ein besonders auffälliges Versäumnis, gerade im Vergleich zum Fernsehen, das 2018 in Supergirl die erste transsexuelle TV-Superheldin und in Pose den Cast mit den meisten trans Schauspielerin einführte", kritisierte GLAAD.

Über die Hälfte der Figuren nur unter drei Minuten zu sehen

Eine Rolle spielt natürlich auch der Umfang der Rolle, und hier zeigt sich deutlich, dass LGBTQ-Charaktere nach wie vor selten als Haupt- oder substantielle Nebenfiguren zu sehen sind: 16 der 45 Charaktere tauchten nur weniger als eine Minute auf, weitere 10 unter drei Minuten.

Aber immerhin geht’s auch hier leicht aufwärts: In der Hälfte der gewerteten Filme waren LGB(ohne T!)-Charaktere mindestens zehn Minuten lang auf der Leinwand zu sehen.

20th Century Fox Dürfen sich stolz als Paar präsentieren - und verschwinden dann im Hintergrund: Negasonic und Yukio in "Deadpool 2"

Vorzeigefilme des Jahrgangs 2018

Zu den Vorzeigefilmen des Jahrgangs gehören Bohemian Rhapsody über den bisexuellen Sänger Freddie Mercury und die erste schwule Mainstream-Liebeskomödie Love, Simon; die einzige Produktion mit einer weiblichen Solo-Hauptfigur war Verschwörung mit Claire Foy als bisexuelle Antiheldin Lisbeth Salander, deren Loverin (Andreja Pejic) eine kleine, aber nicht unwichtige Rolle im Film spielt.

Lob bekamen auch diese Filme mit lesbischen und bisexuellen Frauenfiguren:

Im Science Fiction-Thriller Auslöschung ist eine Frau im Team (Gina Rodriguez) lesbisch – dass sie am Ende stirbt, wird in diesem Fall nicht als klassisches lesbisches Filmschicksal („Kill Your Lesbians“) gewertet, da fast alle Teilnehmerinnen der Expedition umkommen.

Eine gelungene Coming Out-Story erzählt die Highschool-Komödie Der Sex Pakt, in der eine der drei weiblichen Hauptfiguren (Gideon Adlon) versteckt lesbisch ist. Sie outet sich im Laufe des Films, hat einen verständnisvollen Vater und darf am Ende sogar ihren Schwarm küssen. 

In der Actionkomödie Deadpool 2 stellt der bereits in Teil 1 eingeführte lesbische Teenie Negasonic Teenage Warhead (Brianna Hildebrand) ihre Freundin Yukio (Shioli Kutsuna) vor - ein Meilenstein in einem Genre, in dem LGBT-Charaktere bisher unsichtbar waren. Beide spielen allerdings nur sehr kleine Rollen und haben ihren längsten Dialog - der auch nicht mehr als zehn Worte enthält - erst nach dem Abspann.

Universal Pictures Erhielt Lob von GLAAD: Baby-Lesbe Sam (Gideon Adlon, ganz links) und ihre Freundinnen Julie (Kathryn Newton) und Kayla (Geraldine Viswanathan) in "Der Sex-Pakt"

Als halbwegs okay durchgewunken wurden:

Lehrerin Carrie (Tiffany Haddish), die weibliche Hauptfigur in Night School, lässt am Ende des Films ihren Abendschüler Teddy (Kevin Hart) mit den Worten „Spinner, ich bin gay!“ abblitzen, was er erst nach einigem Zögern glaubt. GLAAD lobt die Rolle als erste schwarze Mainstream-Hauptfigur, die offen lesbisch ist, bemängelt aber, dass die Information erst als eine Art Schlusspointe daher kommt.

Auch Jennifer Lawrences Agententhriller Red Sparrow kann nicht ganz überzeugen: Hier hat Mary-Louise Parker als Stabschefin eines US-Senators eine Affäre mit einer russischen Spionin (Thekla Reuten), wird damit erpresst, und beide werden umgebracht – klassische lesbische Filmklischees!

Durchgefallen sind:

In Nur ein kleiner Gefallen findet Stephanie (Anna Kendrick) heraus, dass ihre verschwundene Freundin Emily (Blake Lively) früher mit einer lesbischen Künstlerin (Linda Cardellini) liiert war und wird in einem Flashback von ihr geküsst. GLAAD kritisierte, dass das Klischee, „das Frauen nur mit Frauen schlafen, um etwas zu bekommen – und somit ihre queere Beziehung direkt mit negativem Verhalten verknüpft wird“, mittlerweile nun wirklich durch sei.

In Fifty Shades 3 – Befreite Lust kommen auch Christian Greys (Jamie Dornan) lesbische Arbeitskollegin Ros Bailey (Robinne Lee) und ihre Freundin Gwen (Shiraine Haas) wieder vor, aber ihre Rollen sind noch kleiner als in Teil 2.

Universal Pictures Nachträgliches Outen wird nicht gezählt: Daniella Pineda als Zia (rechts neben Bryce Dallas Howard) in "Jurassic World 2"

Die Schauspielerin Daniella Pineda verriet in einem Interview, dass ihre Figur in Jurassic World 2 lesbisch sei – doch leider erfährt man das nicht, da der Satz, mit dem sie sich outete, „aus Zeitgründen“. rausgeschnitten wurde. Das könne bei einem über 2-stündigen Film wohl kaum der einzige Grund gewesen sein, bemerkt GLAAD dazu bissig an und äußert die Hoffnung, dass Teil 3 (2021) es besser macht.

Ähnlich enttäuschend war Steven Spielbergs Science Fiction-Thriller Ready Player One. Im Roman, auf dem der Film basiert, verbirgt sich hinter dem Avatar Aech, der in der virtuellen Welt OASIS ein weißer Mann ist, tatsächlich die schwarze Lesbe Helen, die diese äußere Form wählte, um sich gegen Diskriminierung zu schützen. Im Film spielt zwar die lesbische Schauspielerin Lena Waithe beide Rollen, dass Helen lesbisch ist, bleibt jedoch unerwähnt.

Die "Zweite Liga" macht's besser 

Besser sieht es bei den vier kleineren Art House-Töchtern der Major Studios (Focus Features, Fox Searchlight, Roadside Attractions und Sony Pictures Classic) aus, die der GLAAD-Report auflistet, aber nicht in seine Wertung einfließen lässt: Sie integrierten in 14 ihrer 40 Filmpremieren 2018 LGBTQ-Charaktere (35%).

Besondere Glanzlichter waren hier die lesbische Dreiecksgeschichte The Favourite, die für zehn Oscars nominiert war (Olivia Colman wurde als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet), der mit drei Oscars nominierte Film Can You Ever Forgive Me?, in dem beide Hauptfiguren, gespielt von Melissa McCarthy und Richard E. Grant, lesbisch bzw. schwul sind, und die lesbische Axtmörderinnen-Story Lizzie Borden mit Chloe Sevigny und Kristen Stewart. Und in Tully wird schon am Anfang etabliert, dass die Hauptfigur (Charlize Theron) bisexuell ist – für die weitere Handlung hat das zwar keine Bedeutung, es wird aber auch nicht als „Phase“ abgetan. Und die Dokumentation Whitney kehrt die Gerüchte und Äußerungen zu Whitney Houstons mutmaßlicher Bisexualität nicht unter den Teppich.

Concorde Home Entertainment Filme wie "Lizzie Borden" mit Kristen Stewart und Chloe Sevigny dürfen nur in wenigen Kinos laufen oder landen - wie bei uns - direkt auf DVD

Und auch die Nebenrollen sind in den kleineren Produktionen gelungener: So zieht in Tanz ins Leben die Hauptfigur (Imelda Staunton) zu ihrer Schwester Bif (Celia Imrie), die ihr von ihrer Affäre mit einer Frau erzählt – ein seltenes Beispiel für eine ältere bisexuelle Frau. Die lesbische Schwester (Lily Brazier) der Hauptfigur in Juliet, Naked hat eine eigene kleine Storyline, wobei GLAAD hier bemängelt, dass sie nur über ihre lesbische Identität charakterisiert wird.

Unter den Filmen mit schwulen Themen ragt Boy Erased mit Lucas Hedges, Nicole Kidman und Russell Crowe hervor, in dem es um ein "Umerziehungscamp" für homosexuelle Jugendliche geht.

Der "GLAAD Studio Responsibility Index 2019" steht hier als PDF (auf Englisch).

 

Weiterlesen:

GLAAD-Report 2018: LGBT-Quote gegen Hetero-Hollywood?

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