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Holzfällerhemd auf dem Catwalk: Erste Butch-Modenschau in Berlin

Die sichtbarste aller lesbischen Identitäten weitet schon lange die Grenzen, wie sich Frauen „zu kleiden haben“. Der „Butch-Walk“ feiert nun in Berlin die Butch als Stilikone und will den Abwertungen (auch innerhalb der Szene) etwas entgegensetzen.

Arno Carsta (l.) und Til vom Kollektiv 100prozentdivers, das queere Modenschauen in Berlin veranstaltet

Von Steff Urgast

18.8.2022 - In jüngster Zeit tritt die Butch vermehrt ins öffentliche Rampenlicht: 2020 feierte die New York Times die Vielfalt der Butch-Identitäten. Auch im deutschsprachigen Raum wird die Butch wieder präsenter. Buchpublikationen, Veranstaltungen und Podcasts widmen sich theoretisch bis selbstironisch einer der sichtbarsten queeren Identitäten. Unter dem Motto „Anzug versus Holzfällerhemd“ steht der aktuelle Aufruf zum allerersten „Butch-Walk“, einer Butch-Modenschau in Berlin, und spielt mit dem Klischee.

Doch was steckt dahinter und was heißt es eigentlich, Butch zu sein? Eine Annäherung an die Geschichte von Begriff und Bild der Butch unternimmt der Sammelband „Butches. Begehrt und bewundert“ (2018 von Pia Thilmann herausgegeben). Eine treffende, da weite Formulierung findet hier unter anderem die Wissenschaftlerin Katharina Rost und verortet Butch-Identitäten zwischen „Stolz und Scham“, zwischen „Männlichkeit und Weiblichkeit“, zwischen „Spiel oder Echtheit“.

Als lesbische Person von weitem erkennbar

Vor allem ist die Butch ein bis heute vielfältig gelebtes Konzept im steten Wandel, das allein der Selbstdefinition unterliegen sollte. Butch-Sein unterläuft die Vorstellung, dass Männlichkeit die natürliche und ausschließliche Domäne des männlichen Körpers sei. Gerade Mode spielt hier in der Repräsentation eine zentrale Rolle. Seit 1900 änderte sich der Kleidungsstil von Frauen vor allem in den europäischen Städten. Zunehmend wurden gerade Schnitte, dickere Stoffe und kürzere Haare getragen, schreibt Rost.

„Frauen wollten nun Rad fahren und Pilotinnen werden. Dafür musste sich auch die Kleidung wandeln“, sagt Carsta, selbst Modedesignerin und Mitveranstalterin des „Butch*Walk“. „Für mich verkörpern Butches das Bild einer lesbischen Person, die auch als solche von weitem erkennbar ist“, meint Carsta. „Das ist mutig und stark und macht sie für mich zum Vorbild.“

100prozentdivers.de

„Wir wollen die Butch feiern“

Bevor genderneutrale Mode zu einem eigenen Stil wurde, weiteten auch Butches die Grenzen der Genderperformance. Inspiration boten Crossdressing im 19. Jahrhundert, lesbisch-feministische Selbstinszenierungen der 1920er-Jahre bis zum „Rebel without a cause“-Lebensgefühl der 1950er. Jeans und T-Shirt, Lederjacke oder Arbeitsstiefel sind bis heute beliebtes Butch-Repertoire. Da die Butch die Grenzen auch kommerzialisierter Weiblich- und Männlichkeiten überschreitet, wird sie sichtbar, angreifbar und polarisiert.

Von Anfang an sind Butches daher mit Diskriminierung konfrontiert, außerhalb wie innerhalb der queeren Community. „Wir wollen die Butch feiern und den teils aggressiven Abwertungen auch innerhalb der Szene etwas entgegensetzen“, erklärt Til, neben Carsta im Team von „100prozentdivers“, die neben dem Butch*Walk bald auch die erste Berliner Queere Modenschau auf die Beine stellen wollen.

Mode ohne Geschlecht

„Butches sind vielfältig und sexy“, sagt Til, „können lange und kurze Haare haben, Butch-Femme-Kultur leben oder nicht und sind nicht unfeministisch, wenn sie Männerkleidung tragen. Butches sollen sich die Freiheit nehmen, tragen zu können, was sie wollen. Dafür legen wir die klassischen Kleidungsstücke in der Schau auch neu auf.“

Und Carsta ergänzt: „Mit dem Butch Walk geht es uns nicht nur darum, was man trägt, sondern auch wie. Gerade die Bekleidungsindustrie ist hier allerdings noch stark normiert.“ Das Team wolle die Vielfalt von Butch-Identitäten zeigen, „unabhängig von Alter, Körper und Gender. Und dass Mode Spaß macht. Für uns hat Mode kein Geschlecht. Es sollte einfach um Formen und Farben gehen und auch für Butches egal sein können, in welcher Abteilung sie einkaufen gehen. Das ist die Zukunft.“

Butch*Walk, 21. August, 18:00, Ort: SO36, Berlin, 100prozentdivers.de

Tickets für 13/ 8 Euro gibt’s hier

 

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