„Ich will auch ein Happy End“: Regisseurin Kat Rohrer über ihre queere Romcom „What A Feeling“
In der Queerfilmnacht Oktober: „What A Feeling“ ist eine romantische Komödie aus Wien, in der sich zwei Frauen über 50 ineinander verlieben. Ein Gespräch mit der Filmemacherin Kat Rohrer über mangelnde Repräsentation, ängstliche Männer und Happy Ends.
Von Paula Lochte
6.10.2024 - Marie Theres (Caroline Peters, Mord mit Aussicht) ist betrunken. Sehr betrunken: Ihr Ehemann hat sich an ihrem zwanzigsten Hochzeitstag von ihr getrennt, er will auf seine alten Tage auf Hippie machen und faselt irgendwas von Selbstfindung. Die frisch Verlassene kippt sich also einen hinter die Birne und stolpert auf dem Heimweg zufällig in eine Lesbenbar – wo sie auf Draufgängerin Fa (Proschat Madani, Cuckoo) trifft. Es entspinnt sich eine Liebesgeschichte. Aber was, wenn Fas iranische Mutter oder Marie Theres‘ neugierige Tochter davon Wind bekommen?
What A Feeling ist eine romantische Komödie über zwei Frauen über 50 statt über Teenagerinnen und kommt aus Wien statt Hollywood. Idee, Drehbuch und Regie stammen von der österreichischen Filmemacherin Kat Rohrer. L-MAG hat mit ihr gesprochen.
L-MAG: In What A Feeling erzählst du die Liebesgeschichte von zwei „Late Bloomers“, zwei Frauen über fünfzig. Warum?
Kat Rohrer: Ich habe lange in den USA gelebt. Aber als ich in der Pandemiezeit zurück nach Österreich kam, hat es mich mit voller Wucht getroffen, wie wenig ältere Frauen hier in Filmen und im Fernsehen zu sehen sind. Ich war da selbst Ende 30, frisch von meiner langjährigen Freundin getrennt und habe gemerkt: Fast alle queeren Herzschmerz- und Liebesfilme drehen sich um Teenager und junge Erwachsene. Aber wenn man sich später im Leben trennt, sind die Fragen andere: Wie mache ich weiter, wenn ich mit dieser einen Person alt werden wollte, vielleicht Kinder kriegen, was aufbauen? Traue ich mir was Neues zu? Verliebe ich mich nochmal? Darüber habe ich kaum queeren Content gefunden. Oder nur Geschichten, die schlecht ausgehen – und das hatte ich satt: Ich will auch ein Happy End.
Woran liegt es, dass es so wenig Filme über queere ältere Frauen gibt?
Erstens haben wir generell ein Problem, was die Repräsentation von Frauen über fünfzig angeht, egal ob queer oder hetero. Das ist seit Ewigkeiten so, sei es in Hollywood, auf Netflix oder im Fernsehen: Ältere Frauen kommen meist nur im Hintergrund vor als Mütter oder Großmütter ohne wirkliche Storyline.
Zweitens werden Frauen über fünfzig als Zielgruppe unterschätzt: Sie sind diejenigen, die noch ins Kino gehen. Trotzdem wird meist gefragt: „Wie kann ich den Film für einen Mann vermarkten?“ Was auch daran liegt, dass im Filmgeschäft immer noch sehr viele Entscheidungsträger Männer sind. Auch bei meinem Film war die Frage, wie wir da Männer reinkriegen. Und ich habe geantwortet: „Warum müssen wir?“ Wir Frauen sind 51 Prozent der Bevölkerung, reicht doch. Wenn auch Männer in den Film gehen, wunderbar – aber sie müssen nicht mein Hauptaugenmerk sein.
Du bist in Wien geboren, hast aber lange in New York gelebt. Sind Gesellschaft und Filmbranche in den USA weiter als hier?
In New York hat meine Sexualität kaum jemanden interessiert, aber alle fanden faszinierend, dass ich aus Österreich bin. In Österreich ist es umgekehrt. Was queere Figuren in Film und Fernsehen angeht, ist hier noch viel Luft nach oben. Ein Problem, das in den USA schon vor gut zehn Jahren Thema war, lässt sich hier immer noch beobachten: Wenn eine lesbische Figur überhaupt vorkommt, wird sie verlassen, das Ende bleibt offen – oder sie stirbt.
„Bury your gays“ wird das Phänomen genannt, dass wir queere Figuren besonders oft begraben müssen.
Genau. Viele queere Menschen sind müde, dass unsere Geschichten meist als Dramen erzählt werden. Dabei steckt doch im Queersein auch so viel Freude! Das Schlagwort „Queer Joy“ höre ich zum Glück immer öfter. Es gibt zwar auch viele traurige Geschichten zu erzählen, aber das ist nicht alles. Ich finde es schön, wenn wir auch nach außen zeigen, wie viel Freude, Freiheit und Glück wir erleben. Wie schön es ist, zu sich selbst zu stehen und als Community zusammenzuhalten.
Woran liegt es, dass sich das in der österreichischen Film- und Fernsehlandschaft erst langsam durchsetzt?
Österreich ist ein konservatives Land, vor allem, was das Fernsehen angeht. Denn Entscheidungsträger trauen dem österreichischen Publikum zu wenig zu. Sie halten es für konservativer, als es ist. Vor allem vor Fernsehzuschauern auf dem Land haben sie regelrecht Angst. Dabei vertragen die Leute viel mehr, als wir glauben. Meine 93-jährige Tante war zum Beispiel in meinem Film. Sie gehört nicht unbedingt zur Zielgruppe, aber sie war ganz begeistert von der Geschichte und hat viel gelacht. Vielleicht hat sie sich mit dem Lesbischsein ein bisschen schwergetan, aber trotzdem hat sie den Film angeschaut und genossen. Ich erwarte nicht, dass sie jetzt mit einer Regenbogenflagge am Rollator durch die Straßen zieht. Aber vielleicht ist sie jetzt ein bisschen klüger.
Ich wünsche mir deshalb, dass Leute, die Filme finanzieren, endlich erkennen, dass queere Geschichten auch ein breites Publikum erreichen können. Wir gehören nicht nur in Nischen, sondern auch in den Mainstream. Und wir werden nur reingelassen, wenn wir klopfen, uns also nicht zufrieden geben mit dem Platz, den wir bisher erkämpft haben.
Dein Film ist eine konventionelle Romcom, aber mit unkonventionellen Hauptfiguren: zwei queere ältere Frauen. Ist das ein bewusster Move, um Leute, die Bock auf eine Liebeskomödie haben, mit neuen Lebensrealitäten zu konfrontieren?
Ich wünschte, ich wäre so gescheit und hätte das so durchdacht. Also nein. Mein Ziel für diesen Film war, eine Geschichte zu erzählen, in der meine Freunde und ich uns gesehen fühlen. Eine Geschichte, über die Menschen lachen und nach der sie mit einem guten Gefühl aus dem Kino gehen. Ich wollte etwas machen, was ich selbst gern schaue, und ich liebe konventionelle Romcoms. Ich liebe Filme, wo ich reingehen kann und in denen ich vielleicht ein bisschen was lerne, aber die mich vor allem unterhalten. Hätte ich gedacht, dass mein erster Spielfilm eine Komödie wird, nachdem ich vorher depressive Dokumentarfilme gedreht habe? Nein. Aber ich bin sehr froh, dass es so ist. Denn der Film kommt in einer Zeit ins Kino, in der viele Leute eine Komödie brauchen, weil die Welt um uns herum so schwierig ist.
What A Feeling (Österreich 2024), Drehbuch/ Regie:, mit Caroline Peters, Proschat Madan u.a., 110 min., bundesweit in der Queerfilmnacht Oktober (41 Städte: Orte/ Termine)
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