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"Ich will den Begriff Busenfreundin im Duden sehen"

Sie meidet Baumärkte, mag das Wort „Lesbe“ nicht und hat mit ihrem LGBT-Podcast „Busenfreundin“ großen Erfolg: Wir unterhielten uns mit Comedy-Autorin Ricarda über Klischees, lesbischen Humor und die Kunst, Gags zu schreiben.

Busenfreundin

Von Bettina Hagen

10.9.2019 - Vor einem Jahr rief Ricarda den Podcast „Busenfreundin“ ins Leben und fand damit auf Anhieb ein Publikum. Deutschlands erster LGBT-Comedy-Podcast, der sich überwiegend an Lesben richtet (und durchaus auch ernsthafte Themen wie LGBT-Geflüchtete oder Transsexualität behandelt), wird inzwischen 45.000 mal im Monat gestreamt. Wir haben die 31-jährige Comedy-Autorin in Köln getroffen.

 

Wie bist Du zur Comedy gekommen?

Eigentlich durch Umwege. Nach dem Abitur in Düsseldorf habe ich in Würzburg Politkwissenschaft studiert und in Darmstadt habe ich den Master in Staatswissenschaften gemacht.

Was macht man damit?

Das frage ich mich bis heute, ich weiß es auch nicht. Während des Studiums habe ich schon viel Comedy gemacht. Irgendwann haben mir Freunde empfohlen, es mal auf einer offenen Bühne zu versuchen. Das hat mittelprächtig funktioniert, aber es hat mir Spaß gemacht. Damals war ich 22 Jahre alt. Seitdem mache ich Comedy.

Wie ging es weiter?

Irgendwann habe ich gemerkt, das ich viel zu aufgeregt bin und zu sehr am Text hänge. Aber ich liebe das Schreiben, aber im Hintergrund. Also fing ich an, für verschiedene Comedians zu schreiben, was ich bis heute tue.

Die du wo kennen gelernt hast?

Auf Veranstaltungen und Shows. Irgendwann bin gefragt worden, ein paar Gags zu redigieren und so ging es per Mundpropanda weiter und ich konnte ein Netzwerk aufbauen. Man muss viel arbeiten für wenig Geld. Der Output ist oft sehr gering, Wenn man hundert Gags schreibt, werden oft nur drei genommen. Davon darf man sich nicht runterziehen lassen.

Wie schreibt man einen Gag?

Es ist ein klassisches Handwerk und besteht immer aus einer Hinführung und einer Pointe. Das heißt, du bewegst jemanden gedanklich in eine Richtung und brichst diese wieder. Wenn man einen Gag schreibt, muss das Erwartete zerschossen werden. Dazu gibt es viele Bücher. Das A und O ist jedoch, die Augen immer aufzuhalten, Menschen anzusehen und zu analysieren.

Kannst Du ein Beispiel geben?

Du kennst es vielleicht: Wenn man an einer Bushaltestelle steht und es riecht plötzlich nach Haribo, und du denkst, es wurde ein Gummibärchen überfahren, dann steht jemand mit einer E-Zigarette neben Dir. Zu dem Thema haben wir einen Gag geschrieben. Tenor: E-Zigaretten produzieren so viel Rauch, dass man denken könnte, der Papst wäre neu gewählt worden. So entsteht aus einem Thema eine Nummer.

Ich gebe Dir jetzt mal ein Thema vor: Annegret Kramp-Karrenbauer. Wie lange würde es dauern, über sie einen Gag zu schreiben?

Uff! Das kann eine Minute dauern kann, aber auch einen ganzen Tag. Man muss schauen, welche Haltung man zu ihr hat, ob man sie gut darstellen möchte oder von ihrer Haltung nicht überzeugt ist. Haltung ist inzwischen wichtig in der Comedy. Man kann, glaube ich, nichts mehr machen ohne eine Haltung zu haben. Deshalb sollte man sich auch in der Politik auskennen. 

Busenfreundin "Das kann doch nicht sein: Du hast lange Haare und liebst Nagellack": Busenfreundin Ricarda (die ohne Nachnamen durch die Welt geht)

Wie bist Du auf die Idee mit dem Podcast gekommen?

Tatsächlich bin ich morgens aufgewacht und habe beschlossen einen Podcast zu machen. In den letzten Jahren habe ich eine Affinität zu dem Medium entwickelt, obwohl es zu der Zeit noch gar nicht so angesagt war. Dann habe ich geschaut, was es zum Thema LGBT bereits gibt und fand alles sehr ernst und belehrend. Mir fehlten Formate, die ein bisschen witziger sind, das ganze lesbische Thema mal ironisch auf die Schippe nehmen im Sinne von ‚jau- ihr geht doch alle in den Baumarkt und liebt es, Regale anzubringen‘.

Die alten Klischees.

Das ist es, was mir vorgeworfen wurde. Wenn ich erzähle, dass ich auf Frauen stehe, heißt es oft: ‚Das kann doch nicht sein - du hast lange Haare und liebst Nagellack.‘ Als ob das damit etwas zu tun hätte. Ganz nebenbei, ich kann auch keine Regale anbringen und hasse Baumärkte. Dieses Thema wollte ich humoristisch aufarbeiten. Außer bei Tahnee gibt es das nirgens. Inzwischen haben wir 60 Folgen und fast 50 000 Hörer pro Monat. Damit hätte ich nie gerechnet

Hörer oder Hörerinnen?

Zu 85 Prozent Hörerinnen und 15 Prozent Hörer. Es gibt tatsächlich auch Hetero-Männer, die sich ernsthaft dafür interessieren, was in der Welt der homosexuellen Frauen so abgeht.

Dennoch sprichst in Deinen Podcasts immer in der männlichen Form - von deinen Hörern.

Ja, und dafür bekomme ich auch immer wieder einen Anschiss. Ich gendere sehr ungern. Ich komme aus dem Kommunikationbereich und finde es im Lesefluss schwierig

Aber als Kommunikationsfrau weißt du doch um die Wirkung von Worten.

Ich mache mir da wenig Gedanken drüber, ich fühle mich bei ‚Hörern‘ immer mit angesprochen. Vermutlich achte ich deshalb nicht so darauf.

Würdest Du Dich als Feministin bezeichnen?

Ja.

Was verstehst du darunter?

Emanzipation. Und der Kampf für die Rechte von Frauen, inbesondere von Gay-Frauen.

Du hast Schwierigkeiten mit dem Begriff Lesbe. Warum?

Ich finde, er ist negativ konnotiert. Stichwort Hella von Sinnen. Sie liebt das Wort Lesbe. Ich habe mal mit ihr darüber gesprochenn und alternativ den Begriff Busenfreundin vorgeschlagen. Davon hielt sie gar nichts. Ich glaube, für meine Generation hat das Wort ausgedient.

Du sagst lieber gay.

Ich bezeichne mich als gay und die Mädels aus meinem Bekanntenkreis auch. Das bindet auch schwule Jungs mit ein und heißt übersetzt ‚fröhlich‘. Noch lieber ist mir der Begriff Busenfreundin, den ich irgendwann mal im Duden sehen möchte.

Gibt es eigentlich einen lesbischen Humor?

Ja, durch Busenfreundin - der Podcast (lacht). Es gibt ihn viel zu selten, auch deshalb habe ich den Podcast gegründet. Ich nehme mich ja selbst nicht so ernst und gerne auf die Schippe. Warum sollten wir das als Community nicht auch tun? Aber es ist ja so: Wenn man sich über eine Minderheit lustig macht, muss man selbst auch zu dieser Minderheit gehören.

Wie geht es bei Dir weiter?

Es stehen zwei Live-Podcast-Nights im Kölner Gloria-Theater an (Anm. d. Red.: am 22. Sept. und - bereits ausverkauft - am 14. Dez ), und ich möchte mit meinem Podcast auf Tour gehen. Außerdem starte ich im März 2020 mit einer eigenen Partyreihe in Köln und hätte gerne zum nächsten CSD einen Busenfreundin-Wagen.

Busenfreundin – der Podcast, neue Folgen meist sonntags bei Spotify, iTunes und anderen Podcast-Plattformen

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