Indonesien: Moderne Hexenjagd auf angebliche Lesben
In Indonesien schießen sich Politiker, Verbände, islamische Organisationen und Bürger immer häufiger auf LGBT als „gesellschaftliche Gefahr“ ein. So stürmten letzte Woche Dorfbewohner und Polizei ein Haus, weil sie dort Lesben vermuteten.
Von Michael Lenz
09.09.17 - Homosexualität ist in Indonesien nicht illegal. Manchmal aber machen die Bürger und Polizei ihre eigenen Gesetze. So geschehen Anfang September im Dorf Tugujaya nahe der Großstadt Bogor. Aufgebrachte Bürger stürmten zusammen mit der Polizei ein Haus, in dem zwölf Frauen lebten. Der Volkssturm war sich sicher, dass es sich bei den Frauen um lesbische Paare handelte. Beweise für diese Behauptung gab es keine.
„Tugujaya muss um jeden Preis von LGBT sauber bleiben. Deshalb haben wir die Säuberungsaktion unternommen“, sagte Dorfbürgermeister Sugandi Sigit gegenüber der Regionalzeitung Tribunnews Bogor. Es sei aber niemand verhaftet worden. „Wir haben ihnen gesagt, dass sie packen und abhauen sollen“, betonte er.
Diskriminierung und Polizeiwillkür gegen LGBT
„Die gewaltsame Vertreibung der Frauen passt in das verstörende Muster von Diskriminierung und Polizeiwillkür gegen Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle in Indonesien“, sagt Andreas Harsono, Vertreter der internationalen Menschenrechtsorganisation Human RightsWatch (HRW) in Jakarta. Es seien alleine 2017 vier Polizeiaktion gegen private schwul-lesbische Veranstaltungen beziehungsweise in Privatwohnungen von LGBT bekannt geworden.
In Aceh, der einzigen Provinz mit islamischem Schariarecht, wurden im Februar dieses Jahres zwei schwule Männer von einem Schariagericht zu je 83 Stockschlägen verurteilt. Ein Nachbar will die beiden Männer beim Sex in ihren eigenen vier Wänden beobachtet haben und hatte die Schariapolizei alarmiert. In Jakarta wurden im Juni dieses Jahres fünf „mutmaßliche Lesben“ von der Polizei festgenommen. Die Beamten stellten das Video der Festnahmen sowie die Namen der Frauen der Presse zur Verfügung.
Der Psychiater-Verband hält Homo- und Transsexuelle für krank
Seit Anfang 2016 schießen sich Politiker und islamische Organisationen auf LGBT als „gesellschaftliche Gefahr“ für Indonesien ein. Vizepräsident Yusuf Kalla verlangt von den Vereinten Nationen die sofortige Einstellung von Programmen zur Förderung schwul-lesbischer Rechte. Yuddy Chrisnand, Minister für Verwaltungsreform, hält homosexuelle Beamte für untragbar.
Für den Verband der Psychiater Indonesiens sind Homosexuelle Menschen mit „einem psychiatrischen Problem“ und Transsexuelle „geistesgestört“.
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