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Internet: LGBT-Vlogger verklagen YouTube – und: bei Google-Suchwort „Lesben“ keine Pornoseiten mehr

Ärger mit dem Algorithmus: LGBT-YouTuber verklagten die Plattform wegen Diskriminierung und Zensur. Bereits erfolgreich war eine Kampagne aus Frankreich: Sie erreichte, dass Google nicht mehr bevorzugt Porno-Content anbietet, wenn man nach „Lesben“ sucht.

Von Karin Schupp

15.8.2019 - Gestern verklagten sieben LGBTQ-Vlogger_innen aus den USA die Video-Plattform YouTube und ihren Mutterkonzern Google wegen „Diskriminierung, Betrug, unfairen und irreführenden Geschäftspraktiken“ und „gesetzeswidriger Beschränkung der freien Rede“.

Hintergrund: Ihre Videos mit LGBTQ-Inhalten bekommen überdurchschnittlich häufig eine Altersbeschränkung verpasst, auch wenn sie keinerlei anstößigen Inhalt haben. Deshalb werden sie von der YouTube-Suchmaschine nicht angezeigt und können nur angeschaut werden, wenn man als volljährig angemeldet ist und sich eingeloggt hat. Somit bleibt ihr häufig junges Zielpublikum ausgeschlossen und die Reichweite ist deutlich geringer, was sich wiederum auf die Höhe der Werbeeinnahmen auswirkt.

Weniger Reichweite, weniger Werbung, weniger Einnahmen

Die aber entgehen ihnen zum Teil sowieso, da Youtube viele ihrer Clips „demonetisiert“, das heißt: Ihnen werden keine Werbespots vorangestellt. Und wenn, dann scheinen sie – nach den undurchsichtigen Kriterien der Plattform – weniger Geld dafür zu bekommen als andere YouTuber für vergleichbare Reichweiten.

„Wahrscheinlich weil wir Lesben und unsere Zielgruppe arme Lesben sind“, mutmaßte Bria Kam, einer der Kläger_innen, gegenüber dem Guardian. Kam, die mit ihrer Frau Chrissy Chambers den Kanal Bria & Chrissy (851.000 Abonnent_innen) betreibt, ist überzeugt: „Wenn wir Make up-Videos oder Gaming-Videos machen würden, wären wir schon Millionärinnen. Wir haben 4-5 Millionen Aufrufe im Monate und verdienen damit 400-500 Dollar.“

LGBTQ+-Content schockierend, unangemessen und anstößig?

Die Beschränkungen, so Cam, passierten so schnell nach dem Hochladen, dass diese Entscheidung nicht von einem Menschen, sondern nur von einem Algorithmus getroffen werden könne, der bei Schlagworten wie „lesbisch“, „schwul“ oder „trans“ anschlägt.

Das gilt aber nur für ihren eigenen Content an sich – einigen LGBTQ-Videos wurde in der Vergangenheit Werbung gegen die Ehe-Öffnung vorangestellt, und alle LGBTQ-Vlogger müssen hasserfüllte Kommentare unter ihren Clips ertragen, gegen die YouTube nichts unternimmt.

Und so spricht die Klageschrift, aus der The Verge  zitiert, von der Plattform als „chaotische Kloake, in der beliebter, konformer und geschützter LGBTQ+-Content von hoher Qualität als ‚schockierend‘, ‚unangemessen‘, ‚anstößig‘ oder ‚sexuell explizit‘ limitiert, stigmatisiert und demonetisiert wird, während homophobe und rassistische Hetzer frei herumrennen und widerwärtigen und obszönen Inhalt auf den Seiten und Kanälen“ der LGBTQ-Vlogger verbreiten dürften.

YouTube: Keine Anweisung, LGBTQ-Videos zu diskriminieren

Für YouTube ist das Thema durchaus nicht neu. Schon 2017, als die bisexuelle YouTuberin Gaby Dunn darauf hinwies, dass alle LGBTQ-Videos auf ihrem Kanal demonetisiert wurden, ihre heterosexuellen Inhalte jedoch nicht, entschuldigte sich das Unternehmen, räumte ein technisches Problem ein und versprach, es zu beheben. Die sexuelle Orientierung gehöre nicht zu den Attributen, die ihr Algorithmus rausfiltern soll, erklärten sie damals.

Auch jetzt dementiert YouTube-Boss Susan Wojcicki, dass ihr Unternehmen LGBTQ-Content diskriminiere. „Es gibt keine Anweisung, die besagt ‚Wenn ihr bestimmte Worte in einen Titel tut, wird das demonetisiert‘“, sagte sie Anfang August in einem Interview mit dem YouTuber Alfie Deyes und betonte: „Die Community ist ein unglaublicher wichtiger Teil von YouTube.“

Das kann YouTube jetzt beweisen – sein Mutterkonzern Google weiß ja, wie’s geht.

Google hat seinen Algorithmus erfolgreich geändert

Die Suchmaschine Google hat nämlich kürzlich in Frankreich (und mutmaßlich auch anderen Ländern) ihren Algorithmus geändert: Wer die jeweiligen Begriffe für „Lesbe“ oder „lesbisch“ eingibt, bekommt auf den ersten Ergebnis-Seiten keine pornografischen Links und Bilder mehr anzeigt.

Es war die französische Kampagne #SEOlesbienne, die darauf hinwies, dass die Resultate beim Google-Suchwort „Lesbe“ überwiegend einen sexualisierten Männerblick widerspiegelten – anders als bei den Begriffen „schwul“ und „trans“: Hier werden seit jeher vor allem informative Webseiten vorgeschlagen.

Screenshot/ Numerama Dafür muss man kein Französisch können: Diese Resultate zum Suchwort "lesbisch" bekam die Webseite Numerama im Juni

"Ich weiß noch, wie angewidert ich war"

Fanchon Mayaudon-Nehlig startete den Hashtag auf Twitter, nachdem sie sich darin erinnerte hatte, wie sie als Jugendliche im Coming Out auf der Suche nach Informationen war und das Wort „Lesbe“ in das Google-Suchfeld eintippte. „Ich weiß noch, wie angewidert ich war“, sagte die Pariser Social Media-Managerin der Webseite Dazed. „Ich war nicht darauf vorbereitet, so viele Pornoseiten zu finden.“ Ihre „Scham, das Wort ‚lesbisch‘ in der Öffentlichkeit zu verwenden“, führt sie auch darauf zurück. „Und dann merkte ich, dass ich nicht die einzige war: Viel zu viele Lesben haben dieses Gefühl.“

Nicht nur in Frankreich verbreitete sich der Hashtag #SEOlesbienne schnell: Lesben weltweit prangerten das Problem an. Und Google reagierte. „Ich finde diese Resultate zweifellos furchtbar“, sagte Pandu Nayak, Google-Vizepräsident für Suchprozesse, der französischen Webseite Numerama und erklärte, dass man „Maßnahmen ergriffen“ habe: „Wenn es Grund für die Annahme gibt, dass das Wort nicht pornografisch gemeint ist, wird diese Interpretation vorgezogen.“

Google Deutschland listet schon länger keine Pornoseiten mehr auf

Und tatsächlich: Inzwischen landen in Frankreich Wikipedia-Einträge und Zeitungsartikel ganz oben, wenn man das Wort „lesbienne“ googelt. Auch im englischsprachigen Google und in Deutschland ist das so – bei uns ist das aber nicht neu, wie uns Der Suchmaschinenkonzern bestätigte, sondern schon seit mindestens zwei Jahren so.

Interessant, dass der Algorithmus offensichtlich von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt wird - und eine gute Erinnerung daran, dass die Google-Resultate weder objektiv noch komplett zufällig sind und die Suchmaschine trotz ihres Namens keine neutral agierende „Maschine“ ist.

Der Algorithmus funktioniert, wie dieses Beispiel vom 15. Aug. zeigt: Wikipedia, Partnerinnensuche - und Sex-Themen, die sich an Lesben richten, werden nicht in einem Rundumschlag rausgefiltert

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