L-Mag

Kinotipp: „Bonnie & Bonnie“ – Lesbischer Gangsterfilm trifft Jugenddrama

Der deutsche Film „Bonnie & Bonnie“ über eine verbotene Liebe in Hamburg lebt vom Talent seiner jungen Hauptdarstellerinnen, die schon mit ihren Blicken zeigen: Wir werden alles füreinander riskieren. Jetzt in der Queerfilmnacht und ab 24. Oktober im Kino

Yara (Emma Drogunova, l.) und Kiki (Sarah Mahita)

Von Paula Lochte

13.10.2019 - Es beginnt mit einem Scherz. Für die 17-jährige Yara und ihre Freunde gibt es zwischen maroden Sozialbauten, neuen Kunstgalerien und Dönerbuden nichts Größeres, als anderen Streiche zu spielen und Videos davon ins Netz zu stellen: Yara (Emma Drogunova) soll mit einer Fremden Händchen halten, die allerdings zückt gleich ihr Klappmesser. Vielleicht ein Reflex aus ihrer Zeit im Jugendknast. Jedenfalls drückt Kiki (Sarah Mahita) Yara gewaltsam gegen die Hauswand und es folgt ein ganz eigenes „Schau mir in die Augen, Kleines“.

Von nun an zuckt Yara immer leicht zusammen, wenn sie Kiki auf den Straßen von Hamburg-Wilhelmsburg sieht – nicht aus Angst, versteht sich. Kiki ist groß, blond, tough, trägt meist Lederjacke und scheint sich für Regeln nicht weiter zu interessieren: Einem Stammkunden des Wettbüros, in dem sie an der Bar steht, klaut sie die Autoschlüssel („nur geliehen“) und nimmt Yara mit auf eine Spritztour. Am Hamburger Hafen bringt sie ihr das Autofahren bei und auf der Motorhaube küssen die beiden sich das erste Mal.

Viele Hürden - aber die Nacht gehört ihnen

So weit, so sorglos. Doch Bonnie & Bonnie geizt nicht mit Hürden für das junge Liebespaar. Der alleinerziehende Vater der Deutschalbanerin Yara will sie jung verheiraten; ihre große Schwester hat er verstoßen, weil sie mit ihrem Freund durchgebrannt und Ärztin geworden ist. Und während Yara an der Supermarktkasse und im Haushalt schuftet, spielt sich ihr arbeitsloser großer Bruder als Traditionswächter auf. Mehr noch, er ist selbst in Kiki verschossen.

Aber Yara und Kiki machen einfach weiter. Die Nacht gehört ihnen: Yara klettert aus dem Fenster, sie streifen gemeinsam durch die Stadt und klauen sich das Geld zusammen, das sie für ihre Freiheit brauchen. „Wir sind wie Bonnie und Clyde, Mann“, sagt Kiki. „Wir sind Bonnie und Bonnie“, schreit Yara. Und genau wie das amerikanische Gangsterpaar steuern sie mit großer Lebenslust auf die Katastrophe zu. Als Yaras Familie von der Beziehung erfährt, machen sich die zwei im geklauten Auto und mit den Geldvorräten des Wettbüros auf den Weg nach Südfrankreich.

Coming Out-Story, Gangsterfilm, Jugenddrama und Road Movie

All das hat man schon einmal gesehen – aber die Mischung ist ungewöhnlich. Denn Regisseur Ali Hakim erzählt die lesbische Coming Out-Story mit den Mitteln des Gangsterfilms, aus dem Jugenddrama wird gegen Ende ein Roadmovie.

Zu der Frage, warum ein heterosexueller, muslimisch erzogener Atheist wie er ausgerechnet eine lesbische Liebesgeschichte erzählt, sagt er selbst: „Warum nicht?! Es sind diesmal eben zwei Frauen. So wie es auch ein Mann und eine Frau sein könnten. Dennoch bleibt das Thema Homosexualität ein bedeutender Teil der Geschichte.“ Besonders gelingt ihm dabei ausgerechnet das, was er nicht aus eigener Erfahrung kennt: die Sexszene von Yara und Kiki.

Den Hauptdarstellerinnen nimmt man auch hölzerne Dialoge ab

Die Nebenfiguren wirken hingegen wie wandelnde Klischees, und das, obwohl der Regisseur und Drehbuchautor Hakim selbst in Hamburg-Wilhelmsburg aufgewachsen ist. Das liegt auch an hölzernen Sätzen wie: „Oh, ich habe vergessen, dir zu sagen, dass wir für Abschaum wie dich hier keinen Platz haben.“

Die Einzigen, denen man die ungelenken Dialoge abnimmt und alle Plattitüden verzeiht, sind die beiden Hauptdarstellerinnen. Denn jeder ihrer Blicke und jede Geste vermittelt das Begehren und die Anziehungskraft zwischen den beiden Frauen. Sie spielen so natürlich und überzeugend, als seien sie wirklich ein Liebespaar.

Der Film soll Menschen den nötigen Mut geben, zu sich und ihrer Liebe zu stehen. Das hofft zumindest der Regisseur. Bonnie & Bonnie ist tatsächlich ermutigend – zeigt aber auch einmal mehr, dass Lesben in Filmen kugelsichere Westen brauchen.

Bonnie & Bonnie (Deutschland 2019); Regie: Ali Hakim; Drehbuch: Maike Rasch & Ali Hakim; mit Emma Drogunova, Sarah Mahita, Slavko Popadic u.a.; 90 Minuten; im Oktober in der Queerfilmnacht (in rund 30 Städten) und ab 24. Oktober im Kino

Aktuelles Heft

Metamorphosen - queeres Leben und Sterben

Genderneutrale Erziehung - Elizabeth Kerekere, Aktivistin aus Neuseeland - Internationales FrauenFilmFestival - LGBTIQ* Community in Armenien mehr zum Inhalt




Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!

Deine online-Spende

 

Ganz einfach, und doch so wirkungsvoll:

Unterstütze uns, damit l-mag.de weiter aktuell bleibt!

Vielen Dank!
Dein L-MAG Online-Team

 

 


L-MAG.de finde ich gut!
x