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Kinotipp: "Die Hannas" - Die Quadratur der Liebe

In "Die Hannas" wird die gepflegte Langeweile eines Langzeitpaars durcheinandergewirbelt: Anna verliebt sich in die flippige Nico, Hans in die unnahbare Kim. Eine Dramedy über das Auf und Ab einer Beziehung, die plötzlich mehr als zwei Menschen umfasst.

W-Film Die Nannas?! Anna (Anna König, r.) und Nico (Ines Marie Westernströer)

Von Anja Kümmel

l-mag.de, 10.8.2017 - „Das einzige Paar, das es schafft, im Kompromiss glücklich zu sein!“ Dieses eher zweifelhafte Kompliment bekommen „die Hannas“ – Anna (Anna König) und Hans (Till Butterbach) – gleich am Anfang des Films bei einem Abendessen mit einem befreundeten Paar zu hören. Und tatsächlich scheint bei den „Hannas“ alles in perfekter Ordnung zu sein: Liebevoll pflegen die beiden Thirty-Somethings ihre gemeinsame Kochobsession und all die kleinen Beziehungsrituale, die sich in 15 Jahren eben so eingeschlichen haben.

Erst als Anna in ihrer Physiotherapiepraxis die ausgeflippte Weltenbummlerin Nico (Ines Marie Westernströer) kennen lernt und Hans sich beim Hardcore-Abhärtungsbootcamp in die unnahbare Fitnesstrainerin Kim (Julia Becker) verguckt, ist es aus mit der Pärchenroutine. Nur allzu gerne lässt sich Anna von Nicos überbordenden Fantasien umgarnen, während Hans und Kim sich wilde Verfolgungsjagden durchs nächtliche Berlin liefern. Und da beide „Hannas“ derart mit ihrem Parallel-Verknalltsein beschäftigt sind, fällt ihnen noch nicht einmal das merkwürdige Verhalten des jeweils anderen auf. Nur ihre Freunde verstehen plötzlich gar nichts mehr.

Es ist so erfrischend wie erfreulich, wie wenig Trara Julia C. Kaiser in ihrem zweiten Langfilm nach Das Floß (unsere Filmkritik) um die verschiedenen Spielarten von Sex und Liebe macht. Die Tatsache, dass Anna sich in eine Frau verliebt, wird ebenso unaufgeregt dargestellt wie die BDSM-Spielbeziehung, die Hans und Kim miteinander beginnen.

Auch umgeht die Regisseurin geschickt das klassische Eifersuchtsdrama, das man an dieser Stelle erwarten könnte, sondern lotet so subtil wie humorvoll das ganze Auf und Ab einer Beziehungskonstellation aus, die plötzlich mehr als zwei Menschen umfasst.

Wobei Kaiser noch einen weiteren Twist einbaut, den zunächst allerdings nur die Zuschauer_innen erahnen: Nico und Kim sind Schwestern, die zudem eine ganz eigene tragische Familiengeschichte mitbringen. Das mag reichlich konstruiert und verworren klingen, doch bleibt der Film stets derart nah bei seinen Figuren, dass selbst ein leicht überladener Plot der Direktheit und Sinnlichkeit keinen Abbruch tut. Extreme Close-ups und verwackelte Kameraeinstellungen werfen uns mitten hinein ins Geschehen und lassen uns jede Regung unmittelbar miterleben.

Die surreal angehauchten Zwischensequenzen von Horrorfilmoptik bis knallbunter Popästhetik mögen Geschmackssache sein – die Träume, Ängste und Fantasien der Protagonist_innen brennen sich uns auf diese Weise jedenfalls unvergesslich ein.

Einzig gegen Ende, wenn alle so richtig schön durchdrehen, übertreibt es der Film ein wenig mit dem verschmierten Make-up, mit aufgewühlter Ostsee und existenziellen Nahtoderfahrungen. Umso erstaunlicher, dass selbst jetzt der Plot nicht völlig zerfasert, sondern Kaiser die Fäden elegant in der Hand behält. Und Die Hannas zu guter Letzt auf ein ruhiges, nachdenkliches, offenes Ende zusteuert.

Die Hannas (D, 2017), Buch/ Regie: Julia C. Kaiser, mit Anna König, Till Butterbach, Ines Marie Westernströer, Julia Becker u.a., 102 min., Kinostart: 10. August, Kinotermine: hier

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